"Feuerlichter in der Ferne"
ZISCHUP-INTERVIEW mit Sophie Huber, einer Zeitzeugin des Zweiten Weltkrieges.
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Sophie Huber wurde in den Zweiten Weltkrieg hinein geboren. Clara Stern aus der Klasse 8b der Klosterrealschule Unserer Lieben Frau in Offenburg hat mit ihr über ihre Kindheit im Krieg gesprochen. Die 79-jährige Sophie Huber ist Clara Sterns Großmutter.
Huber: Ich bin in Nordrach auf dem Kohlberg geboren. Dort habe ich zusammen mit meiner Mutter und meinen vier Geschwistern gelebt. Mein Vater war leider als Soldat im Krieg.
Zischup: Habt ihr in Armut gelebt?
Huber: In Armut nicht unbedingt, wir hatten eine kleine Landwirtschaft, mit Tieren, Wiese und Feld. Somit konnte uns unsere Mutter gut ernähren. Manchmal versteckten wir Lebensmittel oder unser Schwein im Wald. Man durfte nur eine bestimmte Menge an Lebensmitteln für sich behalten. Es kamen regelmäßige Kontrollen, die uns Nahrung abnahmen, für Soldaten oder andere Kriegsopfer.
Zischup: Konntest du in den Kindergarten oder zur Schule gehen?
Huber: Ich war einmal im Kindergarten. Da ich aber über eine Stunde alleine durch den Wald laufen musste, um dorthinzugelangen, bin ich da nie wieder hingegangen. Ich hatte Angst, alleine im Wald umher zu laufen. Meine Brüder gingen zur Schule. Das Schulhaus war während der Kriegszeit geschlossen. Der Unterricht fand deshalb im Repplehof statt. Bis zu dem Zeitpunkt, als zwei Bomben den Repplehof treffen sollten, diesen aber zum Glück verfehlten. Von da an fand bis zum Kriegsende kein Unterricht mehr statt.
Zischup: Hatte deine Familie jüdische Freunde?
Huber: Nein, aber in Nordrach selbst lebten jüdische Mitbürger. Ich erinnere mich heute noch daran, als unsere Nachbarin meiner Mutter erzählte: Stell dir vor, heute Nacht haben sie die ganzen Juden abgeholt. Die beiden Frauen waren so traurig, dass sie weinen mussten.
Zischup: In welcher Situation während des Krieges hast du Angst verspürt?
Huber: Als eines Abends die Flieger Offenburg mit Bomben bewarfen. Da wir auf dem Kohlberg lebten, konnten wir in der Ferne die hellen Feuerlichter sehen. Wir spürten die Angst unserer Mutter und hatten auch Angst. Abends mussten wir die Fenster unseres Hauses verdunkeln, damit kein Licht nach außen dringt. Sobald Licht zu sehen war, wurde eine Bombe abgeworfen. So wurde auch mein Elternhaus Ziel eines Bombenangriffs. Die Bombe fiel rund 80 Meter hinter unserem Haus am Berg hinunter. Wir wurden glücklicherweise nicht getroffen. Bei einem weiteren Luftangriff wollte ich mir unbedingt die Flugzeuge ansehen. Dabei zog mich meine große Schwester an den Zöpfen ins Haus in den Keller. Zum ersten Mal hatte ich begriffen, wie gefährlich das Ganze war.
Zischup: Was war dein schlimmstes Ereignis im Krieg?
Huber: Als die Nachricht kam, dass mein Vater in russischer Gefangenschaft verstorben war. Ein Kriegskamerad, namens Professor Gollwitzer, überbrachte meiner Mutter diese traurige Nachricht, mit einem Abschiedsbrief an sie persönlich von ihrem Mann gerichtet, den wir innerhalb der Familie inzwischen als Buch gedruckt haben.
Zischup: Gibt es bestimmte Auslöser, die in dir Kriegserinnerungen wecken?
Huber: Wenn ich am Himmel Doppeldecker-Flugzeuge sehe. Diese sah man damals sehr oft. Sie haben ein eigenartiges Geräusch. Sobald ich heute eines dieser Flugzeuge höre oder sehe, muss ich sofort an meine Kindheit im Krieg denken. Oder wenn ich Gewehrschüsse höre, muss ich an ein Gefecht zurückdenken auf der anderen Seite des Tales auf dem Mühlstein, bei dem sich Franzosen und Deutsche gegenseitig bekämpften. Es gab viele Tote. Diese Schüsse konnten wir bei uns zu Hause gut hören. Auch hier hat unsere Mutter uns sofort ins Haus gejagt, obwohl die Schüsse fern, auf der anderen Seite des Tales waren.
Zischup: Hast du auch schöne Erinnerungen an diese Zeit?
Huber: Ich erinnere mich an Kinder, die mit Blut verschmierten Füßen aus Gengenbach oder Offenburg kamen. Diese Städte waren ausgebombt. Meine Mutter war dann immer bereit, den Kindern ein Butterbrot zu geben. Für mich war es dann schön, wenn die Kinder so zufrieden waren, nur mit einem Butterbrot.
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