Köln

Fährtenleser helfen Forschern, Fußspuren zu deuten

Fußspuren verraten vieles über den Menschen – wenn man sie lesen kann. Indigene Völker haben diese Kenntnisse noch bewahrt. Nun sollen sie helfen, prähistorische Spuren zu deuten.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Die Kölner Konferenz ist ein weiterer Schritt, das Wissen indigener Völker für die Erforschung prähistorischer Spuren nutzbar zu machen. Foto: dpa
Für die drei San-Jäger aus Namibia sind Fußspuren wie ein offenes Buch – sie brauchen kein Handy, um zu wissen, wo ihre Kinder gerade sind. Leah Umbagai vom australischen Aborigine-Volk der Worrorra kann aus dem Fußabdruck sogar auf die Stimmung des Menschen schließen, der sie hinterlassen hat. George Aklah, Inuit aus dem nordkanadischen Nunavut-Territorium ist ein Jäger, der das Lesen der Spuren der Eisbären und Karibus von Kindesbeinen an gelernt hat. Für die Inuit ist diese Fähigkeit überlebenswichtig.

Aus Afrika, Australien und Nordamerika sind indigene Fährtenleser nach Köln gekommen. Auf dem Platz zwischen den heruntergekommenen Baracken der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und Frühgeschichte haben die Wissenschaftler Andreas Pastoors und Tilman Lenssen-Erz – Experten für eiszeitliche Felsbildmalerei – eine ziemlich untypische Konferenz initiiert. Rund um ein rauchiges Lagerfeuer sitzen die Vertreter indigener Völker zusammen mit renommierten Archäologen und Paläoanthropologen aus aller Welt.

Auf der ersten internationalen Konferenz zu prähistorischen Fußspuren tauschen sich Forscher und Fährtenleser aus. Sogar ein Software-Ingenieur aus dem Erzgebirge, der Wolfsspuren liest und die Bio-Daten als "Cybertracker" für die Forschung erfasst, ist dabei.

Die Wissenschaftler erforschen etwa die rund 17 000 Jahre alten Fußspuren der Eiszeitmenschen in den französischen Pyrenäen-Höhlen, 80 000 Jahre alte Fußabdrücke der Neandertaler in der Normandie oder sogar rund 3,6 Millionen Jahre alte Fußspuren der Vorläufer des Menschen in Tansania. 2013 hatte eine Expedition mit den namibischen Buschleuten in die französischen Pyrenäen-Höhlen mit den berühmten Wandmalereien der Steinzeitmenschen Aufsehen erregt. Die San-Jäger stellten nach der Begutachtung der jahrtausendealten versteinerten Fußabdrücke die bisherige Vermutung infrage, es habe dort rituelle Tänze gegeben. Nach ihrer Einschätzung sind Menschen in den Höhlen hin- und hergelaufen, um Lehm zu lösen.

Die Kölner Konferenz ist ein weiterer Schritt, das Wissen indigener Völker für die Erforschung prähistorischer Spuren nutzbar zu machen. "Wir sind nicht sicher, was dabei herauskommt", sagt Lenssen-Erz. "Es ist ein Experiment. So eine Konferenz haben wir noch nie erlebt." Die San-Jäger Tsamkxao Ciqae, Thui Thao und Ui Kxunta aus Namibia können aus Fußspuren ablesen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, alte oder junge Menschen, ob sie eine Last tragen und welchen Gang sie haben. Sie wissen, wie alt eine Spur ist und was der Wind mit ihr macht. "Fährten zu lesen, hat Gott uns gegeben", sagt Ui Kxunta. Ein guter Jäger müsse Spuren lesen können. "Das ist unser Leben und unser Wissen."

Aber können die Experten für frische Spuren auch versteinerte prähistorische Fußabdrücke richtig interpretieren? "Es ist schwer, diese Kenntnisse auf 3,6 Millionen Jahre alten Spuren des Australopithecus afarensis anzuwenden", sagt David Raichlen von der University of Arizona. Er erforscht die bisher ältesten gefundenen menschenähnlichen Fußspuren in Tansania. Für Lysianna Ledoux, die die rund 29 000 Jahre alten Spuren in der Höhle von Cussac in der Dordogne erforscht, ist das Wissen der indigenen Fährtenleser zumindest ein Ansatz.

Matthew Bennett von der Bournemouth University ist skeptisch. Um nachprüfbare Ergebnisse zu erlangen, müsse man wissenschaftlich fundierte Messreihen und Blindstudien erstellen. Pastoors sagt, das Wissen der Fährtenleser sei erprobt und anerkannt. Denn: "Ihr Leben hängt davon ab." Lenssen-Erz sagt, auf lange Sicht werde es Studien geben. Alle Teilnehmer der Kölner Konferenz nehmen eine Erkenntnis mit: Auf der Flucht vor einem Elefanten soll man immer einen Haken nach rechts schlagen.

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel