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"Es wurde viel diskutiert"

  • Fr, 19. Dezember 2014
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW: Evelin Röhrig hat in der DDR gelebt .

Die Großmutter von Zischup-Reporter Jahn Röhrig aus der Klasse 8 des Schulzentrums Freiamt kennt Berlin noch mit Mauer, denn Evelin Röhrig hat zwischen 1950 und 1989 in der DDR gelebt. Am Telefon wurde sie von ihrem Enkel zu ihrem Leben in Ostdeutschland befragt.

Zischup: Konnte man in der DDR wirklich nicht seine Meinung sagen?
Röhrig: In der DDR wurde sehr viel über Politik, wirtschaftliche Probleme und die Missstände des Lands diskutiert, egal ob auf Arbeit oder mit Freunden. Ich habe mich an solchen Diskussionen beteiligt und keinen Stress mit der Stasi oder der Polizei bekommen.
Zischup: Hattest Du Probleme, eine Ausbildungsstelle und eine Arbeit zu finden?
Röhrig: In der DDR durften nur Menschen das Abitur machen, die sehr gute Zensuren hatten. Nach Beendigung der Schule bekam man vom Klassenlehrer jede Unterstützung, um eine Ausbildung oder einen Ausbildungsplatz und einen Studienplatz zu bekommen. Von allen meinen Freunden, Bekannten und Verwandten haben alle sofort nach Schulabschluss ein Studium oder eine Lehre begonnen. Wir waren zu Hause drei Kinder, und wir konnten alle studieren, obwohl meine Eltern auch nicht so viel verdient haben. Ich bekam 190 Mark Stipendium, das Zimmer im Wohnheim kostete zehn Mark, die Monatskarte Nahverkehr 7,50 Mark und ein Mittagessen in der Mensa unter 1,20 Mark.
Zischup: Konnte man in der DDR frei wählen?
Röhrig: Im Prinzip konnte man die Partei ankreuzen, die man wollte. Aber es gab nur fünf Parteien, die man wählen konnte. In der Verfassung war der Führungsanspruch der größten Partei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, festgelegt. Und damit war eine freie Wahl nicht möglich. Wenn man aber nicht zur Wahl gegangen ist, wurde man von Wahlhelfern aufgefordert zur Wahl zu gehen.
Zischup: Konnte man in der DDR frei reisen?
Röhrig: Reisen konnte man in die Ostblockländer wie zum Beispiel die Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien, Polen, Ungarn und die Sowjetunion. In die Sowjetunion kam man aber nur mit persönlicher Einladung und mit einem Visum. Man musste diese Reise bei den Behörden anmelden. Das Problem war, dass es in diesen Ländern nicht so viele Hotels gab und man konnte nur eine bestimmte Menge Geld umtauschen. Die meisten DDR-Familien fuhren in Ferienheime, die durch die Gewerkschaft vergeben wurden. Und das war oft sehr schwierig, da diese Reisen sehr billig waren und sehr beliebt.
Zischup: War es schwierig eine vernünftige Wohnung bekommen?
Röhrig: Die Situation auf dem Wohnungsmarkt war sehr schwierig. Viele Wohnungen waren in einem sehr schlechten Zustand. Jeder hoffte darum, eine Neubauwohnung zu bekommen. Wir hatten Glück, weil ich in einem Versorgungsbetrieb gearbeitet habe, der über ein bestimmtes Kontingent an Wohnungen verfügte. Die Mieten waren sehr günstig. Wir hatten eine Fünf-Raum-Neubauwohnung mit einer Wohnfläche von 112 Quadratmetern und haben 180 Mark Miete bezahlt. Und in dem Preis waren die Betriebskosten schon enthalten. Wer so eine Wohnung bekam, war natürlich überglücklich.
Zischup: Möchtest Du die DDR wieder haben?
Röhrig: In der DDR gab es keine Arbeitslosen, es gab keine Bettler, und niemand musste auf der Straße leben. Keiner musste Zukunftsängste haben. Und der Unterschied zwischen Arm und Reich war nicht so groß wie heute. Männer und Frauen haben das gleiche Gehalt bekommen und Kinder waren kein Luxus. Aber es gab viele Situationen, die das Leben beschwerlich gemacht haben. Die gibt es heute auch, nur andere. Ich kann nicht sagen, ob nun der Osten besser war.

Ressort: Schülertexte

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