Es war für mich die Hölle
Die Gymnasiastin Irina Miller hat gelernt, mit ihrer Lese-Rechtschreib-Schwäche klarzukommen.
Irina Miller, Klasse 8c, Goethe-Gymnasium (Emmendingen)
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LRS ist die Abkürzung für Lese-Rechtschreib-Schwäche. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche ist eine Einschränkung des Erlernens des Lesens und Schreibens. Betroffene haben teilweise bis ins Erwachsenenalter Schwierigkeiten damit. In Deutschland haben im Schnitt vier Prozent der Kinder LRS. Meist wird LRS in der Grundschulzeit diagnostiziert, da die Kinder in dieser Zeit das Lesen und Schreiben lernen. So war es auch bei mir.
Meine Eltern und ich haben viel versucht, um meine LRS zu "heilen". Wir sind von einem Arzt zum anderen und jeder hat die gleichen Tests gemacht. Am Ende kam immer das Gleiche raus. Ich war in der Logopädie und in speziellen Nachhilfekursen und in den Nachhilfekursen der Schule, doch alles hat mich nicht weiter gebracht und war am Ende nur Zeitverschwendung. Es gab Zeiten, da habe ich eine Stunde gebraucht, um nur eine Seite zu lesen, die in gut leserlicher und großer Schrift geschrieben war.
Als ich dann in der dritten Klasse die erste Buchvorstellung halten musste, bei der man auch einen Teil des Buches vorlesen musste, stand ich unter ziemlichem Druck. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mit meinem Vater auf dem Sofa saß und wieder und wieder die gleichen zwei Seiten las – was ein großer Zeitaufwand war. Am Ende konnte ich sie fast auswendig. Mein Vater hatte mich ständig beim Lesen korrigiert, was mir ein schlechtes Gefühl gab und mich nur noch mehr deprimierte. Durch die Aufregung hatte ich den Text in der Schule dann nicht mehr im Kopf und habe beim Lesen nur vor mich hin gestottert.
Damals ging ich mit meiner Einschränkung noch nicht so offen um und es war für mich die Hölle. Die anderen Schüler verstanden nicht, warum ich nicht richtig lesen konnte. Doch dann wurde es sehr langsam besser. Während ich früher meine Fehler nie selbst entdeckt habe und ich Fehler nicht korrigieren konnte, wenn mir jemand sagte, wo einer war, ist das inzwischen nicht mehr so. Ich bin aber dennoch über die Rechtschreibkorrektur meines Computers froh. Sonst würden Sie in jeder Zeile dieses Artikels etwa zwei Rechtschreibfehler finden.
Heute kann ich ganz klar sagen, was meine Fortschritte ausgemacht hat. Nicht die ständige Nachhilfe oder die Diktate, mit denen man mich zuhause bearbeitet hat, oder die Rechtschreibregeln, die man mir ständig gezeigt hat – nein, es ist die Tatsache, dass ich freiwillig angefangen habe zu lesen. Das Lesen von Büchern, die ich interessant finde, hat mir angefangen, Spaß zu machen.
Bis in die vierte Klasse hatte ich mich gewaltig verbessert. Ich hatte gelernt, mit LRS umzugehen und mit anderen Schülern darüber zu sprechen, was es ihnen leichter machte, meine Situation zu verstehen. Zuerst ging ich auf die Realschule, was sich allerdings schon in der fünften Klasse als Fehler erwies. Ich war in allen Fächern, die nichts mit Sprache zu tun hatten, gelangweilt, also bin ich aufs Gymnasium gewechselt. Für gewöhnlich bekommt man mit LRS einen Nachteilsausgleich, also Hilfestellung bei Dingen, die durch die Lese-Rechtschreib-Schwäche beeinflusst werden. Doch in Baden-Württemberg gibt es dazu keine genauen Richtlinien. Daher besprachen meine Eltern mit den betreffenden Lehrkräften, was sie sich unter Nachteilsausgleich vorstellen würden, und fanden meist eine Einigung. Das dauerte aber bei manchen Lehrkräften fast ein halbes Schuljahr, da diese teilweise nicht wussten, was LRS überhaupt ist. Andere waren im Gegenteil gut informiert oder informierten sich, indem sie mich oder meine Eltern fragten, etwas, das ich nur befürworten kann. Es gab auch andere, die nicht akzeptieren wollten, dass mir dieser Nachteilsausgleich zusteht. So entstanden Spannungen. Da ich für das Vokabellernen etwa sechs Mal länger brauche als Schüler ohne Einschränkung, fehlt mir diese Zeit für andere Fächer.
Seit der sechsten Klasse bin ich nun auf dem Gymnasium, jetzt in der achten schreibe ich diesen Text, um zu informieren und Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.
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