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"Es ist nicht die Bewegung allein"

Hier ein sexy Hüftschwung, dort eine elegante Drehung – Swing, Tango und Salsa bewegen Freiburg.  

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Die Tanzszene lebt in vielen Städten. Es wird gegroovt und geswingt. Zeit, ein paar Fragen zu stellen: Wie gehen Salsatänzer mit Eifersucht um? Warum sind die Swingtänzer so gelaunt? Und wie vermeidet man es, einen Korb beim Tangotanzen zu bekommen? Wir haben exemplarisch Freiburgs Tanzszene unter die Lupe genommen.

SWING

Sie tauschen ihre Stiefel gegen Adidas-Sneakers aus, spazieren in die Mitte des Raums und schauen neugierig auf die kleine zierliche Frau mit dem frechen Kurzhaarschnitt. Rund 50 Swingbegeisterte sind an diesem Freitagabend in den Freiburger Club "Schmitz Katze" gekommen, um von der Amerikanerin Jennifer Harry Lindy-Hop-Tanztipps zu bekommen.

Lindy-Hop ist ein Tanzstil aus den USA, der als Vorläufer des Boogie-Woogie und des Rock ’n’ Roll gilt. Er entstand Ende der 1920er Jahre in den Ballsälen New Yorks zur Musik der Big Bands. Seit Anfang der 1980er Jahre gewinnt der Tanz in Europa Fans. Lindy-Hop kann lässig-cool bis wild und ausgelassen getanzt werden. Die Musik groovt und reißt mit. Ein fröhlicher Tanz – ausgelassen und unbeschwert.

Jennifer Harry liebt Swingmusik. Die 36-jährige New Yorkerin hat Lindy-Hop nach Freiburg gebracht. Heute Abend wird sie in Schmitz Katze eine Stunde kostenlosen Unterricht geben, bevor die normalen Clubgänger kommen. Erst spielt der DJ klassischen Swing, später Elektroswing. Eine Kombination aus elektronischer Tanzmusik und Swing.

"Legen wir los", sagt Jennifer in ihr Headset. Sie teilt die Gruppe in Leader und Follower ein – in Führende und Folgende. Der Anteil von Frauen und Männern hält sich die Waage. Einige Männer tragen Hosenträger. Ein Mädchen hat ihre knallroten Strümpfe bis zu den Kniekehlen hochgezogen. Andere sind einfach in Jeans und Pulli gekommen – jeder, wie er will. "Mädchen, könnt ihr den Jungs zeigen, wo eure rechte Hüfte ist – jawohl. So machen wir das", ruft Jennifer Harry fröhlich. Ihre Ansagen erinnern an die Anheizer von Kirmesfahrgeschäften. "So Freunde, wie sieht’s aus? Könnt ihr noch?"

Rück-Platz-Lauf. So ist’s gut. Und nochmal. Die Stimmung wird zunehmend gelöster. Gerade als sich die Ersten in Sicherheit wiegen, klatscht Jennifer in die Hände und ruft "Partnerwechsel". Alle lachen peinlich berührt. Doch blamieren kann sich hier keiner, dafür ist die Atmosphäre zu heiter. Harry bedeutet es viel, wenn die Menschen eine gute Zeit haben. Deswegen teilt sie den Lindy-Hop auch so gerne mit anderen. Studiert hat sie Biologie, bevor sie das Tanzstudio eröffnet hat.

21 Jahre war Jennifer Harry alt, als sie New York verließ und begann, als Au-pair-Mädchen in der Schweiz zu arbeiten. Die Metropole vermisste sie nicht. Das Tanzen schon. Die Swingszene in Luzern war praktisch nicht existent. Zuvor hatte sie sich in New York an fünf Abenden die Woche die Seele aus dem Leib getanzt. Und dann das – keine einzige Swingveranstaltung. Sie begann, Räume anzumieten und den Luzernern Lindy-Hop beizubringen. Immer öfter verschlug es sie nach Freiburg. "Ich wollte ja eigentlich Deutsch lernen. In der Schweiz ist das schwierig", sagt sie feixend. Irgendwann zog sie ganz nach Freiburg. Seit Oktober 2013 hat sie ihr eigenes Tanzstudio. Swing-in’ Freiburg heißt es. Ihre Schüler haben ihr geholfen, es zu renovieren. 400 Quadratmeter mitten in der Innenstadt. In Bahnhofsnähe – optimale Lage.

Jan Ehret, der Betreiber des Schmitz Katze, freut sich über die vielen Lindy-Hop-Tänzer – er hat Jennifer Harry engagiert. "Der Swingabend ist die einzige Veranstaltung, die wir mitgenommen haben", sagt der früherer Betreiber des mittlerweile geschlossenen Clubs "Kamikaze" am Schwabentor. 40 bis 50 Leute würden immer kommen. Die Szene sei sehr lebendig. Im Harmonie-Kino, im Hauptbahnhof, in der Kellerbar Räng teng teng – überall swingen sie.Der 35-jährige Veranstalter lebt in Berlin. Dort sei die Swingszene schon wieder am Abnehmen. "Aber hier in Freiburg geht’s erst richtig los", meint er.

Es ist jetzt kurz nach 22 Uhr und die Halle in Schmitz Katze, ist um gefühlte drei Grad wärmer als zu Beginn des Abends. Die Musik groovt nun mit mehr Bass und bahnt sich pumpend den Weg in die Gehörgänge. Ein Mann wirbelt seine Partnerin um sich herum. Diese fegt dabei den Hut eines nahe tanzenden Herren herunter. Alle lachen. Hut wieder auf den Kopf. Weiter geht’s. Hüften wippen, Mädchen wischen ihre Haare aus dem Gesicht. Die Jungs grinsen. Jazzmusiker Duke Ellington hatte Recht: "It don’t mean a thing, if it ain’t got that swing."

TANGO

Das Licht ist schummerig. Aus den Boxen tönt melancholisch verrauschte Tangomusik. Ein 70 Jahre alter Mann schiebt eine hochgewachsene rothaarige Mittdreißigerin durch den Saal. Schritt, Schritt, Schritt. Leise schleifen ihre Schuhe über das Parkett.

Das Foyer des E-Werks wirkt wie aus der Zeit gefallen – ein Refugium der Ruhe und Eleganz. Tango, so heißt es, sei der Tanz der traurigen Herzen. Die rund 15 Paare, die an diesem Abend an der Milonga, der Tango-Tanzveranstaltung, teilnehmen, schauen ernst. Die Frauen tragen enganliegende Kleider und Absätze, die Männer dunkle Hemden.

Philipp Gerhard betrachtet in Ruhe das Geschehen vom Sofa aus, in der Hand hält er ein Weinglas. Hin und wieder nickt ihm jemand zu. Man kennt sich. Er tanzt seit seinem 14. Lebensjahr. Eine Lehrerin aus seiner Heimatstadt Reutlingen hat ihm, als er 18 Jahre alt, ein Paar Tangoschuhe geschenkt und gesagt: "Bleib dabei."

Hat er gemacht. Während seiner Schulzeit fuhr Gerhard mitten unter der Woche nach Tübingen und Stuttgart, übernachtete bei Freunden und Verwandten. Kein Weg war ihm zu weit. Und wenn der Abend lang wurde, ließ er den Unterricht am nächsten Tag eben sausen. Tango fasziniert ihn: "Es ist nicht die Bewegung allein, es ist mehr das, was zwischen den Partnern passiert", sagt er. Für viele Menschen sei es schwierig, dieses Glücksgefühl, das man beim Tango verspüre, nicht mit Verliebtheit zu verwechseln. "Es ist ein sehr intimer Tanz. Salsa ist sexy, Tango intim – das ist der Unterschied."

Der Tanz besitzt viele kleine Rituale. Fordert der Mann die Frau auf, wirft er ihr einen Blick zu (Mirada). Erwidert sie diesen mit einem Nicken (Cabeceo), tritt er an sie heran und fordert sie auf. So können beide Seiten bei einem Korb ihr Gesicht wahren.

Tangoveranstaltungen gibt es viele in Freiburg. Tango im E-Werk, Tango am Bahnhof, Tango im Schwarzen Kloster – im Sommer findet eine Milonga sogar in einem Gewächshaus in Sankt Georgen statt. Hubert Gwschind war schon über 80 Jahre alt, als er begann, die Tanzveranstaltung zu organisieren. Für Tango ist niemand zu alt.

SALSA

Neun Uhr abends im Tanzstudio Aya im Freiburger Stadtteil Stühlinger. Salsamusik dringt durch die hohen Fensterscheiben nach draußen. Der Rhythmus der Congas geht sofort ins Ohr. Draußen hat es minus drei Grad. Drinnen herrschen karibische Temperaturen. Pablo Perez’ Hand liegt zwischen den Schulterblättern einer jungen Frau, die er schwungvoll um sich herum wirbelt. Hüftschwung, offenes Lächeln. Der 27-jährige Tänzer unterrichtet an diesem Sonntagabend den Salsa-Mittelstufenkurs. Rund 20 Personen stehen vor einem wandhohen Spiegel und beobachten jede Bewegung ihres Trainers. Die Mädchen tragen Spaghettiträger-Tops, die Jungs T-Shirt. "Mädels, jetzt im Hohlkreuz nach unten, als ob ihr einen Korb voll Früchten tragen würdet. Und die Hüfte … Eso!" Die Kursteilnehmer grinsen.

Aufgewachsen ist Perez in Ecuador. Dort begann er, inspiriert durch seinen älteren Bruder Anichi, mit dem Salsatanzen. Um sich weiter zu entwickeln, absolvierte er eine einjährige Tanzausbildung an der Freiburger Akademie für Tanz.

Pablos Bruder hat mit seiner Partnerin Anne den Vizeweltmeister-Titel in Miami 2009 geholt – Europameister waren sie zu diesem Zeitpunkt schon. Ihre Schule genießt einen sehr guten Ruf. "Das Tanzniveau ist in Freiburg sehr hoch", sagt Perez. Gegründet haben sie die Schule vor fünf Jahren. "Da war die Szene aber schon sehr lebendig."

Salsamusik ist eine Verbindung afrokaribischer und europäischer Musik- und Tanzstile. Im kubanischen Oriente vermischten sich die afrikanischen Tanztraditionen mit der Gitarrenmusik der spanischen Farmer. Salsa kam Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland und hat mittlerweile, besonders in den größeren Städten, eine sehr aktive Szene entstehen lassen.

"Salsa fühlt man, wenn man den Rhythmus fühlt – in Kuba ist Salsa ein absoluter Gesellschaftstanz. Alle tanzen Salsa. Schon die Kinder lernen den Grundschritt."

Mit Salsa ist man nie allein. Und was ist mit der Eifersucht? Die Bewegungen sind sehr sexy. Perez grinst. "Am besten man sucht sich einen Partner, der ebenfalls tanzt – da ist das Verständnis größer", sagt er. Er hat gut reden – seine Freundin Luisa ist Salsatrainerin.

Ressort: Liebe & Familie

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