"Entwürfe schreibe ich von Hand"
ZISCH-INTERVIEW mit dem Schriftsteller Kurt Oesterle über seine Werke, seine Arbeitsweise und die Bedeutung der Sprache.
Bastian Durst, Klasse 4e, Otto-Raupp-Grundschule & Denzlingen
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Kurt Oesterle hat Literatur, Geschichte und Philosophie studiert und arbeitet als freier Journalist und Buchautor in Tübingen. Er wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Zisch-Reporter Bastian Durst aus der Klasse 4e der Otto-Raupp-Grundschule in Denzlingen hat den 61-Jährigen interviewt, der einmal der Schüler seines Opas war.
Oesterle: So etwa mit sieben oder acht Jahren. Ich habe damals vor allem über Kriegserlebnisse geschrieben, von denen Erwachsene mir erzählten. Ich wollte wohl Wunden heilen oder Schmerzen lindern. Aber die Erwachsenen mochten meine Geschichten nicht, und eine davon ist sogar im Herdfeuer gelandet. Doch ich ließ mich nicht entmutigen, sondern sagte mir: Das mache ich noch einmal, das kann ich besser – später vielleicht. Man weiß nie genau, warum man schreibt. Bei mir war ein Grund wahrscheinlich der Wunsch, das Leiden anderer zu teilen.
Zisch: Waren Sie gut in der Schule und gut im Fach Deutsch?
Oesterle: In der Schule war ich schlecht – in Deutsch gut, was mir leider nicht immer geholfen hat!
Zisch: Wie lange dauert es, ein Buch zu schreiben?
Oesterle: Bei mir so etwa zwischen anderthalb und sechs Jahren. Eine Regel gibt es da nicht. Manche Autoren haben ein Leben lang an einem einzigen Buch gearbeitet und sind dennoch nie fertig geworden, andere brauchten oft nur Monate und – voilà. Ich glaube, ein Buch entsteht zuerst im Dunkel der eigenen Seele. Wie weit es dort entwickelt ist, entdeckt der Autor erst, wenn er sich auf das Schreiben einlässt.
Zisch: Zu welcher Tageszeit schreiben Sie Ihre Bücher?
Oesterle: Ich fange morgens an, und am besten ist es, wenn ich vorher nichts anderes getan habe als aufzustehen, zu frühstücken, in der Zeitung zu blättern. Dann geht das vier bis sechs Stunden lang, solange bis die Konzentration nachlässt, und man spürt – ab jetzt schreibe ich nur noch für den Papierkorb!
Oesterle: Die wichtigen Fassungen immer mit dem PC, früher mit der Schreibmaschine. Alle Vorarbeiten – Entwürfe, Notizen, Skizzen – in Hefte, und zwar von Hand. Von Hand ist wichtig, es ist wie Sport oder körperliche Arbeit und tut sehr gut.
Zisch: Was wollen Sie mit dem Schreiben beim Leser erreichen?
Oesterle: Vor allem, dass er im Zeitalter des Computers, des Fernsehens, von Twitter und Facebook, kurz: in der Zeit kurzer und knapper Botschaften der Sprache und ihren Fähigkeiten vertraut und sein sprachlicher Ausdruck nicht verarmt. Mehr kann man heute von Literatur kaum mehr erhoffen – wenn man die Leute nicht bloß unterhalten will, was das Kino übrigens viel besser kann.
Zisch: Essen Sie während des Schreibens Schokolade?
Oesterle: Ja, aber nur wenn meine Frau mir welche mitbringt!
Zisch: Schreiben Sie immer am Schreibtisch oder auch mal am Küchentisch oder im Zug?
Oesterle: Gute Frage! Ich schreibe überall, wo ein Einfall über mich kommt. Als Journalist habe ich mir einst sogar beigebracht, im Dunkeln zu schreiben – auch wenn es anschließend oft kaum lesbar war ...
Zisch: Wie viele Bücher haben Sie geschrieben? Haben Sie selbst ein eigenes Lieblingsbuch von sich?
Oesterle: Ich glaube, fünf – und zwei oder drei im Kleinformat so zwischen 30 und 50 Seiten. Das Buch, das mir von meinen eigenen am liebsten ist, heißt Der Wunschbruder und enthält meine ganze Kindheit und Jugend. Erst durch dieses Buch ist mir klar geworden, wer ich bin. Es ist hart erarbeitet, darum hängt das Herz so daran.
Zisch: Besteht Ihr Schreibtisch aus kreativem Chaos oder ist er aufgeräumt?
Oesterle: Mein Schreibtisch ist – meistens – aufgeräumt. Denn leider ist mein Chaos nicht kreativ.
Zisch: Welche Bücher lesen Sie selbst gerne?
Oesterle: Erzählungen von Gottfried Keller, Gedichte von Hölderlin, Theaterstücke von Shakespeare. Ich habe aber auch immer einen Liebling der Saison – zur Zeit ist es der Russe Platonow.
Zisch: Bleibt Ihnen neben dem Schreiben noch Freizeit?
Oesterle: Ja, wenn ich nachmittags fertig bin mit dem Schreiben, gehe ich raus, laufe über meinen Berg oder in die Stadt oder fahre Rad, abends treffe ich Freunde oder lese – jedenfalls wird abends nicht geschrieben, lieber ein bisschen ferngesehen! Kochen ist auch eine entspannende Freizeitbeschäftigung. Und sonntags wandere ich mit meiner Frau.
Zisch: Können Sie sich vorstellen, auch mal ein Buch für Kinder oder Jugendliche zu schreiben?
Oesterle: Oh ja, zum Beispiel über zwei sehr feine Jungs aus dem Badischen – aber dazu muss ich erst noch einiges erleben mit diesen beiden, damit ich auch etwas zu erzählen habe!
Zisch: Wie lange möchten Sie noch schreiben?
Oesterle: Noch sehr lange – aber das liegt wohl nicht allein in meiner Hand!
Kommentare
Kommentarbereich ist geschlossen.