Ekelmaden und blutende Narben
22 000 Jugendliche besuchten vergangene Woche die vierten "Science Days" im Europa-Park Rust/ An über 100 Ständen wurde getüftelt, geschmeckt und gestaunt Eine Nachlese mit einigen Höhepunkten und dem definitiv ungewöhnlichsten Vortrag der Veranstaltung Von den JuZ-Mitarbeitern Henrik Jansen und Kolja Unger.
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Dichte Rauchschwaden, gleißendes Licht und spektakuläre Explosionen ziehen die vielen hundert Augenpaare in ihren Bann - doch der Zuschauer bleibt nicht unwissend: Ist der Showeffekt vorbei, liefert der Chemiker die Erklärung für seine Experimente in kurzer und verständlicher Form nach, sodass sie sogar von ausgesprochenen Chemiemuffeln verstanden wird. Von einem so spannenden und zugleich witzigen Unterricht sollte sich jede langweilige Chemiestunde ein Stückchen abschneiden. Freak-Show: Ein Kölner sorgt in der Medienhalle vor einem vor Ekel schreienden Publikum für eine bizarre Show: Der schmächtige Mann mit dem großen Mundwerk heißt Mark Benecke. Der Kriminalbiologe, dem die Presse unter anderem den Spitznamen "Kommissar Schmeißfliege" gab, ist studierter Entomologe. Das heißt, er befasst sich mit der artenreichsten Gruppe von Lebewesen - den Insekten. Spezialisiert ist er auf jene unappetitlichen Wesen, die menschliche Leichen bevölkern. Wenn es um die Liegezeit von Leichen geht, dann gibt es in der ganzen Republik keinen größeren Experten als ihn.
In einem dynamischen Vortrag, den der schrullige Wissenschaftler ohne Punkt und Komma in schönstem rheinischen Singsang zum Besten gibt, erklärt Mark Benecke dem noch sehr jungen Publikum, zum Beispiel wie Maden bei der Aufklärung von Mordfällen helfen können.
Der 34-Jährige kann anhand von in Leichen siedelnden Maden, Dungfliegen und anderen Insekten den Ermittlern oft dabei helfen, Todeszeit, Todesort und Todes-ursache von Verbrechensopfern zu bestimmen. Dem Publikum auf den Science Days bringt er einige besonders knifflige Fälle anhand von Diabildern näher. Zu sehen ist zum Beispiel eine verweste Leiche, deren Gesichtshaut von den vielen weißen Maden halb weggefressen ist - so, dass man schon den blanken Schädel sieht.
Ein anderes Bild zeigt "Dr. One Eye", jenen Toten, bei dem seltsamerweise nur das linke Auge von Maden bearbeitet wird. "Igitt", ruft da das Publikum kollektiv. "Was ist denn?", fragt der fröhlich daherplaudernde Moderator und versucht zu erklären, dass das doch etwas ganz Natürliches sei. In seinen anerkannten Arbeiten beschreibt Benecke Faulleichen sogar als Biotope voller Leben, was abgesehen vom tragischen Schicksal, das mitunter dahinterstehe, ja durchaus etwas Schönes habe. Trotz Ekelattacken gehen die meisten mit dem Gefühl aus dem Vortrag, einen authentischen Einblick in eine völlige fremde Welt bekommen zu haben. Die Narbenkinder: "Ich will eine Narbe ums Auge rum und dazu ein blaues Auge", sagt der zwölfjährige Tobias Schmidt, der ganz vorne in der riesigen Warteschlange steht. "Die Kids sind total scharf auf die Wunden. Die rennen uns beinahe den Stand ein", ist Ausbildungsleiter Martin Fechtig überrascht. Alle wollen zum Wundenschminken vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Und überall auf dem Gelände der Science Days erblickt man die übel zugerichteten Knirpse mit einem stolzen Grinsen übers ganze Gesicht.
Rettungssanitäter wie Tanja Baldwin vom DRK Emmendingen simulieren mit Kitt und Schminke die übelsten Verletzungen an den Jugendlichen. "Diese Schminktechnik wird für Probeeinsätze verwendet. Zum Beispiel wird geprobt, wie man vorgehen muss, wenn ein Kindergarten oder eine Schule brennt", so Baldwin.
Neben dem Schminken kann am Stand des DRKs auch der eigene Blutdruck gemessen werden und Tanja Baldwin beantwortet Fragen zur Notrettung und rührt kräftig die Werbetrommel für den Schulsanitätsdienst. "In den vergangenen zwei Jahren wurden 220 Schüler aus 20 Schulen im Kreis Emmendingen kostenlos zu Jungsanitätern ausgebildet", weiß sie zu berichten. Wie viele Jungsanitäter hinterher im Einsatz waren, um Eltern, die beim Anblick ihrer vernarbten Kinder, zusammengebrochen sind, wiederzubeleben ist nicht bekannt. Was es sonst noch gab: Ein Programm, dass es in sich hatte und an einem einzigen Tag fast zu viel war. An fast allen Ständen konnte man nicht bloß gucken und staunen, sondern auch selber aktiv werden. So konnte jeder, der genügend Forscherdrang aufbrachte, seinen eigenen Schaltkreis löten, kleine Geräte bauen - und diese natürlich auch mitnehmen. In einem Sinnesparcours konnte man spielerisch erfahren, wie man sich richtig ernährt.
Im Regenwaldhaus flatterten exotische Schmetterlinge um die Besucher herum, und der Gaumen schmeckte Tropenfrüchte. Und abends ging man voller Inspiration nach Hause und hatte das Gefühl hier wirklich etwas gelernt zu haben.
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