"Eine Oper ist wie eine Geburt"

ZISCH-INTERVIEW mit dem Komponisten Ludger Vollmer über seine Oper Crusades, das Komponieren und künftige Projekte.  

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Ludger Vollmer   | Foto: Rudiger
Ludger Vollmer Foto: Rudiger

Am 14. Januar wurde die Oper Crusades am Theater Freiburg uraufgeführt. Komponiert wurde die Oper von Ludger Vollmer, der in Weimar lebt. Eine große Rolle in der Aufführung spielt der Kinder- und Jugendchor des Theaters Freiburg. Ich, Zisch-Reporter Leander Neumann aus der Klasse 4c der Schönbergschule Freiburg, singe selbst in diesem Kinder- und Jugendchor und habe den Komponisten Ludger Vollmer interviewt.

Zisch: Lieber Herr Vollmer, Sie sind Komponist: Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden? Und wie kam es dazu?
Vollmer: Der Grund ist die Leidenschaft für diesen Beruf. Es ist wie in der Liebe: Am Anfang scheint es noch ein unerfüllbarer Traum zu sein, und irgendwann hat er dich gepackt und du kannst ihn nicht mehr loslassen.
Zisch: Wie lange arbeiten Sie schon als Komponist?
Vollmer: Mit ersten Studien, damals an der Hochschule, habe ich mit 23 Jahren begonnen, aber vorher als Junge habe ich schon kleine Sachen gemacht für meine Geige. Später experimentierte ich elektroakustisch oder schrieb für meine Bands. Richtig professionell als Komponist arbeite ich aber seit 1993, nachdem ich mit einer Komposition für den Dresdner Kreuzchor mit Soli und Orchester erkannt hatte, dass Komponieren wirklich meine Bestimmung und mein Weg ist.
Zisch: Ihre Oper Crusades handelt von den Kreuzzügen. Wie kamen Sie auf das Thema Kreuzzüge für Ihre Oper?
Vollmer: Das ist ein Lebensthema von mir: Ich kann es nicht ertragen, dass Religionen, die vom barmherzigen Gott erzählen, im Namen dieses barmherzigen Gottes so unbarmherzig sind, foltern, morden, brennen, Menschen versklaven und vertreiben, Städte und Landschaften zerstören. Ich konnte diesen Missbrauch von Religion nie ertragen. Ich bin wütend darüber. Ich wollte zeigen, dass das nackte Kriminalität ist. Und als Künstler habe ich meine Sprache, die Musik. Mehr kann ich nicht gegen diese Verbrechen tun.
Zisch: Was passiert in der Oper Crusades?
Vollmer: Du weißt es genauso gut wie ich, denn du hast sie nun schon oft im Kinderchor mit aufgeführt.
Zisch: Sie haben ja die Hauptproben und die Uraufführung von Crusades gesehen. Wie fanden Sie es, als Sie die Oper das erste Mal gesehen haben?
Vollmer: So eine Oper ist für einen Komponisten ja immer auch so etwas wie eine Geburt – mit Risiken, Schmerzen und Zweifeln, aber auch starken Glücksmomenten und Spaß an der Arbeit. Und dann war die Oper Crusades endlich da. Schön und berührend. Das hat mich sehr bewegt.
Zisch: Wie, finden Sie, ist der Eindruck des Kinderchores mit den schwarzen Perücken?
Vollmer: Unglaublich. Es ist der perfekte Ausdruck der Unerlöstheit. Der Moment eurer Erlösung auf der Bühne war der, als man endlich eure sehr verschiedenen, persönlichen Gesichter gesehen hat. Daher war dieser Moment auch so stark.
Zisch: Was glauben Sie, wie es sich für die Kinder unter den Perücken anfühlt? Huch, heiß und dunkel und schwer zu durchblicken? Wie finden Sie den Schluss, wenn die Kinder die Perücken abnehmen?
Vollmer:
Es ist für mich der Höhepunkt der ganzen Oper. Die umherirrenden, gesichtslosen Kinder der Kreuzzüge sind endlich erlöst, und wir können ihnen in die Augen blicken. Das kann keinen kalt lassen.
Zisch: Was haben Sie gedacht, als Sie den Kinder- und Jugendchor des Theaters das erste Mal gehört haben?
Vollmer: Ich war glücklich.
Zisch: Was glauben Sie, mit welchen Gefühlen die Zuschauer aus der Oper kommen?
Vollmer: Ihr seht, das Stück ist immer gut besucht, und viele Zuschauer haben mich bereits angesprochen und mir geschrieben. Sie sind nachdenklich und froh, und euer Spiel hat sie offensichtlich wirklich reicher gemacht.
Zisch: Wie lange müssen Sie an einer Oper arbeiten?
Vollmer: Das ist ganz unterschiedlich: Für Crusades, das ja einen sehr komplexen Stoff hat, habe ich mit den Vorarbeiten schon 2006 begonnen. Für die eigentliche Komposition brauchte ich ein Jahr.
Zisch: Welche Themen haben Ihre anderen Opern, und wie heißen sie?
Vollmer: Eine heißt "Paul und Paula oder Die Legende vom Glück ohne Ende" nach dem DDR-Kultfilm von Ulrich Plenzdorf. Darin geht es darum: Ist mein Herz verkäuflich? Wie viel opfere ich davon meiner Karriere? Dann: "Gegen die Wand" – nach dem Film von Fatih Akin – über eine dramatische Liebe zweier Deutschtürken und das schmerzhafte Suchen des Menschen nach seinen Wurzeln. "Schillers Räuber – Rap’n Breakdeance Opera" handelt von Machtspielen, Anarchie, Konkurrenz in der Familie und dem Generationenkonflikt. Bei "Border" – nach Euripides geht es um Flucht und Vertreibung, Asyl und Verantwortung sowie über kulturelle Identität; bei "Lola rennt" nach dem Film von Tom Tykwer um die gnadenlos ablaufende Zeit und das, was sie in unserem Leben mit uns macht. Und was das Ganze mit dem Kapitalismus und dem Leben heute zu tun hat. "Tschick" schließlich, eine Road Opera nach Wolfgang Herrndorf handelt von zwei Jungs und ihrer schrägen Reise mit einem geklauten Auto durch ihr Land, ihre Identität und ihre Geschichte.
Zisch: Was ist Ihr nächstes Projekt?
Vollmer: Tschick wurde am 18. März am Theater Hagen uraufgeführt, dann kommt im Mai eine viersätzige Orchestersuite für das Philharmonische Orchester Hagen heraus, und dann beginne ich mit der Arbeit an meiner nächsten großen Oper für das Deutsche Nationaltheater Weimar, die 2019, zum 100. Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik, uraufgeführt werden soll und die Demokratie und ihre Verletzlichkeit zum Thema hat.

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