Eine große Forscherin wird aufs Frausein reduziert
NEU IM KINO: Marjane Satrapis Biopic "Marie Curie – Elemente des Lebens" erschöpft sich im Pathos der Paarbeziehung.
Anke Westphal
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So verhält es sich auch mit "Marie Curie – Elemente des Lebens". Und doch bereitet dieses Biopic in der Regie von Marjane Satrapi der Zuschauerin große Enttäuschung. Das liegt nicht so sehr an der konventionellen Bildgestaltung, die man nicht von einer Künstlerin wie Satrapi erwartet hätte, die 2007 mit ihrem Regiedebüt, dem fulminanten Animationsfilm "Persepolis", für Aufsehen gesorgt hatte.
Das Enttäuschende liegt in der Penetranz, mit der die Figur der Jahrhundertwissenschaftlerin Marie Curie (Entdeckung der Radioaktivität, zwei Nobelpreise) hier im Rahmen der privaten und beruflichen Partnerschaft mit dem Wissenschaftler Pierre Curie immer wieder auf ihr Frausein reduziert wird. Denn warum sonst sollte es nötig sein, Marie Curie gleich zwei Mal, bei der Geburt ihrer beiden Töchter, in den Wehen zu zeigen? Und warum sonst stellt Satrapi die Liebesbeziehung zwischen Pierre und Marie so sehr in den Mittelpunkt?
Der Film setzt 1934 ein mit dem physischen Kollaps von Marie Curie, und er endet mit ihrem baldigen Tod im Hospital – dies ist der Rahmen der Handlung, die zunächst in die französische Metropole zu Ende des 19. Jahrhunderts führt und die Titelheldin als fordernden, selbstbewussten und anspruchsvollen Charakter in einer männlichen Forscherwelt präsentiert. Hier ringt Marie Curie (Rosamund Pike) um ihren Platz und um Anerkennung, aber schon naht Pierre Curie (Sam Riley), der sich als ebenso fortschrittlicher wie verständnisvoller Ehemann und Mitarbeiter erweist. Es hilft nicht viel, dass Marie Curie mit Worten auf ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit besteht, denn der Film sperrt sie quasi ein in die kleinste gemeinsame Zelle der Gesellschaft, die Familie.
Das Drehbuch schrieb Jack Thorne auf der Basis der Graphic Novel "Radioactive" über Marie und Pierre Curie von Lauren Redniss. Abgesehen von den Dilemmata der Dramatisierung des Comics und der Bildgestaltung (Kamera: Anthony Dod Mantle) teilt sich einiges mit über die französische Gesellschaft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit ihrem Antisemitismus und ihrer Fremdenfeindlichkeit (Curie wurde 1867 als Marie Salomea Skłodowska in Warschau geboren). Und über Curies Forschung – die auch in harter Knochenarbeit bestand, wenn mit dem Hämmerchen aus Tonnen von Material Pechblende zu extrahieren war. Dass diese Arbeit gefährlich war, denn man kannte das gesundheitliche Risiko durch Strahlung anfangs nicht, wird durch Husten der Protagonisten klargemacht.
Die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft und dem möglichen Missbrauch ihrer Ergebnisse setzt dieser Film ähnlich plakativ in Szene. Den Segen der Strahlentherapie erfährt 1957 ein krebskrankes Kind in Cleveland, USA. Die Katastrophe von Hiroshima 1945 zeigt sich sich einmal von oben, aus der Perspektive der B-29, die die Atombombe abwarf, einmal von unten, wo die Bewohner der japanischen Stadt sie fallen sehen. US-Atomversuche 1961 im Bundesstaat Nevada werden nachgestellt. Das ist so weit nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar aber ist, wie in Satrapis Film die Sensation von Curies wissenschaftlichen Entdeckungen klein gehalten wird zugunsten des Pathos der Paarbeziehung.
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