"Ein unbedeutendes Phänomen"
Junge Auslandsfreiwillige aus Baden befragen Sizilianer nach ihrem Deutschland-Bild - und nach Rechtsextremismus in Italien.
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Eine Gruppe von 15 Freiwilligen, die derzeit im Auftrag der Evangelischen Landeskirche Baden über ganz Italien verteilt einen zwölfmonatigen ökumenischen Friedensdienst leisten, wollten mehr als das. Sie wollten die Menschen ihres Gastlandes in Sachen Neofaschismus befragen.
Über die Aktivitäten von Neonazis in Deutschland gingen die Meinungen der Befragten stark auseinander. In einigen grundlegenden Punkten jedoch herrschte überwiegend ein einheitliches Bild: die deutschen Rechten treten nach der Wahrnehmung der Sizilianer heute in kleinen, aber gut organisierten Gruppierungen auf. Überhaupt seien sie erst wieder seit dem Mauerfall zu einem ernstzunehmenden Faktor in der politischen Diskussion der Bundesrepublik geworden. Durch die erfolgreiche historische Aufarbeitung innerhalb der deutschen Gesellschaft könnten diese Kräfte jedoch keinen größeren politischen Einfluss gewinnen, so die mehrheitliche Einschätzung. Deutlich wurde, dass offenbar viele Italiener die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland über die Rechtsparteien verfolgen, - nicht immer mit dem besten Faktenwissen ausgestattet, aber doch informiert. Nur eine Moderatorin des sizilianischen Fernsehens konnte als zufällig Befragte sogar mit dem genauen Wahlergebnis der NPD in Sachsen aufwarten.
Dass der Neofaschismus in Italien existiert wurde von den Befragten nicht bezweifelt. Allerdings sei er "unbedeutend" und überhaupt "ein Phänomen Norditaliens". Warum? Den Menschen im Süden des Landes bliebe keine Zeit für solche politischen Betätigungen, sie beschäftigten sich mit anderen Problemen wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Armut und der Einwanderung aus dem nahen Afrika. Auf ganz ähnliche Argumente stützten sich aber gleichzeitig auch einige Mussolini-Anhänger, die seit dem Wechsel zu einer demokratischen Staatsform in Italien die vormalige Ordnung dahinschwinden sehen.
Und noch etwas wurde genannt: Das moderne Rechtssystem sei zu differenziert und zu kompliziert im Gegensatz zu dem "einheitlichen Gesetzeskatalog" zu Zeiten des Diktators. Die Unzufriedenheiten mit dem heutigen Alltag machte ein in die Jahre gekommener Museumswärter an einem banalen Beispiel fest, als er beiläufig erwähnte, dass "damals die Züge noch pünktlich waren".
Solche eher nostalgischen Ansichten scheinen bei italienischen Jugendlichen "out" zu sein. Ein junger Mann erklärte, dass man den Neofaschisten besser aus dem Weg gehe, ein anderer erklärte die erneute Entstehung einer rechtsextremen Szene in Italien hauptsächlich mit dem übermäßigen Konsum von gewaltverherrlichenden Filmen und Fernsehserien. Insgesamt zeigten die jungen Sizilianer kaum Sympathien für den Neofaschismus, den sie als eine Sache der älteren Generation und des Nordens bezeichneten.
Erstaunt waren die Interviewer über das durchgängige Lob, dass die Sizilianer den Deutschen für ihre intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit entgegenbrachten. Dies sei nun auch in Italien an der Zeit, wo eine objektive Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit noch in den Anfängen stecke. Viel Anerkennung erhielt auch die als "gelungen" empfundene Integration von Ausländern in das deutsche Gesellschaftssystem. Dass es auf Sizilien damit nicht so gut bestellt ist, verdeutlicht die Aussage eines jungen brasilianischen Paares. Die beiden Immigranten beschrieben die Verhältnisse für sie und ihresgleichen im heutigen Italien als problematisch: "Rassismus erfährt man hier täglich am eigenen Leib." Der Respekt gegenüber Ausländern müsse erst noch entwickelt werden.
Die jungen Deutschen waren auch interessiert, was ihre Interviewpartner ganz allgemein über Deutschland denken. Insgesamt waren sie überrascht, wie positiv die Einschätzung der Sizilianer ausfiel. Fast immer kamen die Begriffe: effektiv, pragmatisch, korrekt, pünktlich und fleißig. Weniger gefiel den durchaus auch modebewussten Freiwilligen eine andere Rückmeldung: Die Deutschen verstehen sich einfach nicht anzuziehen.
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