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Ein bisschen Vermögen gehört dazu

JUZ-INTERVIEW mit dem Juristen und Harvard-Professor Peter L. Murray, der jedes Jahr zu Gastvorlesungen nach Freiburg kommt.  

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Normalerweise lehrt Peter L. Murray an der Harvard Law School in Cambridge. Jetzt aber war der 60-jährige Jura-Professor für zwei Wochen zu Gast an der Albert-Ludwig Universität Freiburg. Für die JuZ sprach Madeleine Arens mit ihm über seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Ausbildungssystemen und über die Lust, immer wieder nach Freiburg zu kommen.

JuZ: Wie wird man Harvard-Professor?
Peter L. Murray: Normalerweise beginnt man die Laufbahn kurz nach der Ausbildung. Mit guten Noten in der Tasche, versucht man so schnell wie möglich etwas Vernünftiges und Bedeutendes zu schreiben. Dann wird man Assistenzprofessor und mit ein bisschen Glück darf man später nach Harvard. Der Nachteil ist natürlich, dass die meisten Professoren wenig Praxiserfahrung haben. Ich war ein Ausnahmefall - und erst 25 Jahre als Rechtsanwalt tätig. Nachdem ich dann ein Buch geschrieben hatte, bekam ich eine Einladung aus Harvard, dort als Honorarprofessor zu lehren. Seit 14 Jahren bin ich dort Vollzeit-Professor, habe aber immer noch einen Zeh in der Praxis.

JuZ: Öffnet einem ein Harvard-Abschluss immer noch Tür und Tor in den USA?
Murray: Jeder meiner Studierenden, die besten bis die schlechtesten, haben garantiert nach der Ausbildungen einen gut bezahlten Job. Ein Drittel aller juristischen Professoren hat in Harvard studiert. Es gibt auch im öffentlichen Leben viele bekannte Menschen, die in Harvard waren. Vier von sieben Richtern des Supreme Court - höchster Gerichtshof in den USA - kommen von Harvard. In der jetzigen Regierung arbeiten relativ wenige Harvard-Absolventen, aber in der Clinton-Regierung waren es einige. Harvard ist eher liberal ausgerichtet und daher haben wir in einer konservativen Regierung nicht so große Chancen.

JuZ: Für uns ist Harvard immer noch ein Mythos. Wo liegen die großen Unterschiede im Vergleich zu Freiburg?
Murray: Das Studium ist kurz, stramm strukturiert und wir sind sehr wählerisch bei der Auswahl unserer Studenten. Diese Jahr wurde nur einer von 20 Bewerbern aufgenommen. Eine weitere Stärke von Harvard ist, dass ich dort fast jeden aufrufen kann und eine vernünftige Antwort bekomme. Außerdem gibt es viel konstruktive Spannung zwischen den Studenten. Ein großer Nachteil ist, dass die Studiengebühren so hoch sind. Also, ein bisschen Vermögen gehört dazu. Es gibt zwar Unterstützung in Form von Darlehen. Aber sich hunderttausend Dollar zu leihen und mit dieser Last ins Berufsleben einzusteigen, ist schwierig. Ein weiterer Punkt ist, dass es recht elitär zugeht. Menschen, die die hohen intellektuellen Leistungen nicht so perfekt bringen können, sind ausgeschlossen.

JuZ: Und was verschlägt einen Harvardprofessor nach Freiburg?
Murray: Die meisten Dinge im Leben geschehen per Zufall. Zu Beginn meiner akademischen Laufbahn wollte ich mein Deutsch wiedererwecken und bin mehrmals nach Deutschland gekommen. Dabei habe ich Interesse am deutschen Recht entwickelt. Schließlich kam ich 1998 zu einem Auslandsjahr mit der Fulbright-Stiftung nach Deutschland. Dafür bedarf es einer Einladung eines deutschen Kollegen. Ich hatte einige - die schönste davon kam aus Freiburg von Professor Stürner. Ohne zu zögern entschied ich mich für Freiburg und komme seitdem jedes Jahr hierher, und sei es auch nur für ein paar Tage.

JuZ: Wie beurteilen Sie die deutschen Universitäten?
Murray: In Deutschland gibt es große kostenlose Universitäten, in die der Eintritt relativ leicht ist. Der Nachteil ist eine Massenuniversität. Für die vielen Studenten ist es schwierig, sich aus der Masse herauszuheben. Die Studenten brauchen viel Disziplin, um in der entsprechenden Zeit ihr Studium zu beenden.

JuZ: Auch hier gibt es den Trend, dass die Unis ihre Studenten öfter selbst auswählen. Ein Schritt in die richtige Richtung?
Murray: Hier gibt es nicht das Elitensystem wie in den USA. Und eine Entwicklung zu amerikanischen Verhältnissen wäre nicht gut. Über Beschränkungen könnte man nachdenken, aber ich bin für das staatliche Ausbildungssystem.

JuZ: Wie unterscheidet sich die Arbeit an den Unis hier zu der in Harvard?
Murray: Sie haben hier schöne Lehrstühle und Institute, aber nur wenige Studierende können ein enges Verhältnis zu den Professoren aufbauen. Und dann gibt es die Masse von Studierenden, die in erster Linie Kontakt zu ihren Kommilitonen haben. Bei uns betreut jeder Professor ein paar Studierende. Ich selbst bin der Fakultätsleiter von der Beratungs- und Rechtshilfe für arme Leute - unsere Studenten dürfen diese Menschen unter fachkundiger Aufsicht vor Gericht vertreten. Das ist eine tolle Erfahrung für die Studierenden, bei der sie gleichzeitig sozial tätig sind.

JuZ: Wie waren Ihre Erfahrungen in anderen Ländern, in denen Sie gelehrt haben?
Murray: Ich war in China, Mexiko, Hongkong, Kanada, Griechenland und der Schweiz tätig. Hongkong ist sehr von Großbritannien und den USA beeinflusst. Dort gibt es eine Unmenge von Studenten. Das Verhältnis der Professoren zu den Studenten gleicht dem deutschen. Interessanterweise haben wir in den letzten vier Jahren einen enormen Zuwachs an Anmeldungen aus China in Harvard. Die Studierenden haben ein großes Interesse an der Ausbildung. Fraglich ist, mit welchem Erfolg. Es ist schwierig, wissenschaftlich zu arbeiten, wenn man politisch etwas unfrei ist. Ich habe das Gefühl, viele von ihnen sind in ihrer Kreativität gehemmt - es gibt einfach Fragen, die sie nicht stellen dürfen.

JuZ: Haben Sie eine wichtige Botschaft?
Murray: Ich möchte die Studierenden hier ermutigen, international zu wirken, besonders in den USA. Unter den jetzigen spannungsreichen Verhältnissen brauchen wir viel Kontakt, menschlichen, wissenschaftlichen, politischen. Die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern in den USA, Europa und aller Welt muss weiterentwickelt werden. Und: Deutschland bleibt bei uns sehr beliebt.

Ressort: Zisch

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