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Dringende Utopie: weltweit Frieden

"Wie wollen wir in 30 Jahren leben?" fragten sich die 1 000 jugendlichen Teilnehmer eines Kongresses, der in Bonn stattfand.  

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Der entsetzliche Terroranschlag am 11. September wirft Fragen an die Zukunft auf: Wird sich die Konfrontation verschiedener Kulturen friedlich entwickeln? Lässt sich die Umwelt noch vor kompletter Zerstörung bewahren? Welche Aufgaben sind zu meistern, damit die Welt für alle besser wird? Fragen von diesem Gewicht stellten sich dieser Tage etwa tausend Jugendliche zwischen 15 und 30 Jahre auf einem Jugendkongress. Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung hatten nach Bonn geladen unter dem Motto "Wie wollen wir in 30 Jahren leben?"

Bonn, Regierungsviertel, der ehemalige Plenarsaal - die Zuhörer in den Fraktionsrängen lauschen gebannt den Worten von Altbundeskanzler Helmut Kohl: "Am besten wäre, sie schaffen die Mattscheibe ab". So jedenfalls stellt sich der Ex-Kanzler die Welt günstigerweise in dreißig Jahren vor. Eine merkwürdige Idee. Die Jugendlichen, die auf den früheren Plätzen der Abgeordneten sitzen und den ansonsten seit dem Bundestags-Umzug 1999 verwaisten Plenarsaal mit Leben füllen, haben andere Vorstellungen von der Zukunft. Der Fernseher darf ihrer Meinung nach ruhig weiterhin existieren, in vielen anderen Bereichen aber wünschen sich Jugendliche maßgebliche Veränderungen.

Die Augen der Kongress-Teilnehmer leuchten, wenn sie von einer "vereinten Welt" sprechen und alle begrüßen die Schritte in Richtung europäische Vereinigung, hoffen dass in Kürze auch Polen und Tschechien in das Europäische Haus einziehen dürfen und sind überzeugt dass im Jahr 2031 eine Art Europäische Verfassung existieren wird. Dringendste Utopie: weltweiter Frieden. Viel Zustimmung erhält eine Politikstudentin aus Freiburg, die ein Weltparlament, eine weltweite demokratische Verfassung, einen Dialog der Religionen und Toleranz fordert. Nervös versuchen auch andere ihr Anliegen vor der versammelten Menge in Worte zu fassen. Ob es den Abgeordneten, die früher hier debattierten wohl genauso schwer fiel frei zu reden? Jedenfalls haben hier alle ziemlich konkrete Vorstellungen, wie aus ihren Utopien Realität werden soll. Ein rothaariger Pollunderträger aus Niedersachsen: "Unsere Aufgabe heute ist es, die eigenen Werte zu bewahren und zugleich andere Kulturen schätzen zu lernen". Applaus von allen "Fraktionen".

Zur gleichen Zeit erörtern andere in einem kleinen Sitzungsraum, wie sie in 30 Jahren regiert werden wollen. Brauchen wir Volksabstimmungen und mehr direkte Demokratie? Müssen wir uns über eine geringe Wahlbeteiligung sorgen? Experte Oliver Wittke, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, jedenfalls reicht es, wenn "die fähigen Leute zur Wahl gehen". Von den Teilnehmern regnet es daraufhin allerdings harsche Kritik. Was den Beiträgen in diesem Forum fehlt, ist eine Idee für die Zukunft - stattdessen beißt man sich an den Vor-und Nachteilen der Volksabstimmung fest. Am Ende ist man sich einig, dass die Demokratie keiner großen Änderung bedarf. Zumindest bringt keiner einen Verbesserungsvorschlag ein. Worin Übereinstimmung besteht: Politik wird über die Medien gemacht und daran wird sich auch 2031 nichts geändert haben. Und Gesprächsleiter Martin Lohmann fasst die Misere so zusammen: "Gregor Gysi ist in Talkshows eben einfach spritziger als Angela Merkel." Auch eine Erkenntnis. Von der kann man sich im Anschluss dann auch live überzeugen: in der Gesprächsrunde mit Angela Merkel. Die offenbart spontan ihre ganz persönliche Zukunftsvision: "In 30 Jahren, da bin ich ja 77!" Das ist fast schon der einzige positive Ausblick, den sie gewährt. Ansonsten stellt sie mit Betroffenheitsmiene die Zukunft der Jugend in schwärzestem Schwarz dar: "Ein Kampf um das Süßwasser und um Nahrungsmittel, ein Kampf um die Ressourcen." Und fügt am Schluss hinzu: "Wir haben Ihnen gesellschaftlich Schulden hinterlassen. Das sollten Sie besser machen."

"Ich wünsche mir einen Partner fürs ganze Leben - und nicht nur einen Lebensabschnittspartner." Kongressteilnehmerin

Betrübt blickt die Parteichefin auch, als ein Schüler von der Unfähigkeit seines Lehrers berichtet, der die Computermaus in Hand nahm und sie über den Bildschirm führte. Zum Abschluss spricht sie noch ein paar weise Worte zum Thema Toleranz gegenüber anderen Religionen: "Ich kann nur andere lieben, wenn ich mich selbst liebe".

Ob die schnieken jungen Herren in den chefigen Anzügen, die das ausrangierte Gebäude bevölkern und sich im Geiste schon als Abgeordnete träumen, ihre Zukunft in so dunklen Merkel-Farben sehen? Wohl eher nicht. Und auch die ganz durchschnittlichen Jugendlichen nicht, die schwatzend und lachend durch das weitläufige Foyer wandeln - ohne ihre Karriere bereits im Kopf zu haben. Denn egal, ob Adidas oder Armani: was hier alle verbindet ist der Glaube - oder die Hoffnung - dass sie eine Zukunft haben werden. Nur: wie sie genau aussehen wird, kann sich keiner vorstellen.

Und welche Rolle soll die Liebe 2031 spielen? "Ich wünsche mir einen Partner für's ganze Leben und nicht nur einen Lebensabschnittspartner. Außerdem will ich trotz Familie arbeiten", beschreibt eine Teilnehmerin ihre Vision. In der Gesprächsrunde zum Thema "Welche Zukunft hat die Generation @" spricht sie damit erkennbar vielen jungen Frauen aus dem Herzen.

Dass die Generation@ Zukunft hat, dass wir allerdings selbst aktiv werden müssen, um Träume wahr werden zu lassen, darin sind sich alle nach dem zweitägigen Kongress einig. Ermutigendes Fazit: Die Welt kann verändert werden und Zukunft ist kein Schicksal.

Ressort: Zisch

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