"Dieses Jahr wurde niemand abgeschoben"
ZISCH-INTERVIEW von Flüchtlingskindern mit Elisabeth Götz, ihrer Sozialarbeiterin im Flüchtlingswohnheim in der Freiburger Bissierstraße.
Nima Rad, Sima & Lian Haddad
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Nima Rad aus dem Iran, Sima und Lian Haddad aus Syrien und Negat Kurtic, Roma aus dem Kosovo, gehen in die Klassen 4 a und b der Anne-Frank-Schule Freiburg. Die vier Zisch-Reporter leben im Flüchtlingsheim in der Bissierstraße und haben ein Interview mit ihrer Sozialarbeiterin Elisabeth Götz geführt. Sie wollten wissen, wie viele Menschen dort leben und aus welchen Gründen sie nach Deutschland kommen.
Götz: Ja, ich habe Kinder.
Zisch: Wie alt sind Sie?
Götz: Die Kinder oder ich?
Zisch: Sie.
Götz: Ich bin 1968 geboren. Also? (Gemurmel bei den Kindern und Gelächter)
Ich bin 45 Jahre alt.
Zisch: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Götz: In meiner Freizeit lese ich gerne, vor allem Krimis, und ich fahre gern Fahrrad. Ich gehe gerne spazieren und wandern und schwimme gerne.
Zisch: Was arbeiten Sie?
Götz: Ich bin Sozialarbeiterin von Beruf und bin beim Deutschen Roten Kreuz angestellt.
Zisch: Warum haben Sie sich diesen Beruf ausgesucht?
Götz: Weil ich mit Menschen zu tun haben will. Ich arbeite hier mit Flüchtlingen in der Bissierstraße und ich finde das ganz interessant, über andere Länder etwas kennenzulernen und über andere Kulturen etwas zu erfahren. Meine Sprachen kann ich auch gebrauchen, weil ich Französisch, Englisch und Türkisch spreche.
Zisch: Wie lange arbeiten Sie schon in der Bissierstraße?
Götz: Seit 1997. Ich habe vorher in einem anderen Flüchtlingswohnheim gearbeitet. Meine erste Arbeit war in einem Flüchtlingswohnheim in Littenweiler, da hab ich 1993 angefangen.
Zisch: Welche Tätigkeiten gehören dazu?
Götz: Zu meiner Arbeit gehört ganz viel. Für die Kinder, die neu hier ankommen, suche ich einen Kindergartenplatz, ich melde sie in der Schule an, und wenn die Kinder krank sind, mache ich einen Termin beim Kinderarzt aus
Zisch: Was machen Sie noch?
Götz: Ich telefoniere viel. Zum Beispiel mit Kindergärten, Ärzten, Rechtsanwälten, mit vielen Menschen. Ich schreibe viel am Computer. Wenn Flüchtlinge neu ankommen, haben sie viele Fragen. Sie wissen wenig, sind ganz neu aus Syrien gekommen oder dem Iran oder Kosovo. Sie sind vielleicht auch traurig, weil sei Heimweh haben. Ich habe ab und zu Eltern im Büro, die weinen, weil sie sich große Sorgen machen. Dann nehme ich sie in den Arm, und wir schauen, was wir machen können.
Zisch: Sind Sie Ausländerin?
Götz: Nein, meine Eltern sind Deutsche und ich auch.
Zisch: Stört Sie manchmal etwas an der Arbeit, wenn ja, was?
Götz: Was mir nicht gefällt: Vieles kann ich gar nicht ändern. Ich würde jedem von euch wünschen, dass es mehr Platz gibt. Die Zimmer sind sehr klein, das kann ich leider nicht ändern, das ärgert mich. Oder ich würde jedem wünschen, dass er ganz schnell ausziehen kann und eine Wohnung findet.
Zisch: Wie viele Flüchtlingswohnheime gibt es in Freiburg?
Götz: Es gibt das in der Bissierstraße, es gibt eins in Littenweiler in der Hammerschmiedstraße, an der neuen Messe und in St. Georgen jeweils eins. Es werden noch zwei neue Wohnheime aufgemacht. Damit bin ich bei sechs Wohnheimen.
Zisch: Wie viele Leute wohnen in der Bissierstraße?
Götz: Zur Zeit sind es 280 oder 290.
Zisch: Wie viele davon sind Kinder?
Götz: 80 Kinder zwischen 0 und 18.
Zisch: Seit wann gibt es das Wohnheim?
Götz: Seit fast 20 Jahren, ich glaube seit Ende der 80er Jahre, 1987 oder 1988.
Zisch: Wie viele Leute arbeiten im Wohnheim?
Götz: Wir sind drei Sozialarbeiter. Dann haben wir noch zwei Dolmetscherinnen und einen Deutschlehrer und Studenten, die kommen.
Zisch: Wie viele Häuser gibt es?
Götz: Sieben Gebäude und ein Gebäude vom Hausmeister kommt noch dazu, also sieben Wohnhäuser und ein Verwaltungsgebäude mit Waschküche.
Zisch: Wie viele Leute können in einem Haus wohnen?
Götz: Auf einem Flur können 14 Leute wohnen und es gibt vier Flure in einem Haus. Also 56. Sie teilen sich eine Dusche, zwei Toiletten und zwei Herde.
Zisch: Aus wie vielen Ländern kommen die Leute?
Götz: Ich glaube wir haben insgesamt zwischen 15 und 20 Länder: Syrien, Kosovo, Irak, Iran, Afghanistan, Türkei, Kurdistan, Sri Lanka, Pakistan, Indien, Mazedonien, Serbien, Russland, Georgien, Togo, Kamerun, Nigeria und viele mehr.
Zisch: Wie viele Religionen sind vertreten?
Götz: Wir haben viele Moslems, aber auch Christen, wenige Juden, Buddhisten, Hindus, Jessiden.
Zisch: Wie lange bleiben die meisten?
Götz: Das ist ganz unterschiedlich.
Zisch: Die Kosovos von unter uns, die sind schon 15 Jahre oder so hier.
Götz: Die Familie, die am längsten hier ist, ist schon seit 17 Jahren hier. Dann gibt es auch Familien, die sind erst seit einem Monat hier, oder seit zwei Wochen. Manche kurz, manche lang, manche brauchen lange, bis sie eine neue Wohnung finden.
Zisch: Wie viele Leute wurden dieses Jahr schon abgeschoben?
Götz: Zum Glück nicht viele. Dieses Jahr ist, glaube ich, niemand abgeschoben worden.
Zisch: Wie viel Geld bekommt eine Familie im Monat?
Götz: Ein Erwachsener bekommt etwa 320 Euro im Monat. Zum Glück sind die Chipkarten seit diesem Sommer abgeschafft worden.
Zisch: Aus welchen Gründen kommen die Flüchtlinge nach Deutschland?
Götz: Es gibt unterschiedliche Gründe. In Syrien herrscht Krieg und da kommen die Menschen, weil es lebensgefährlich ist in ihrem Land. Sie haben die Bomben mitbekommen, mussten im Keller leben und hatten nichts zu essen.
Zisch: Welche Gründe gibt es noch?
Götz: Dann gibt es Länder, in denen Frauen überhaupt keine Chance haben, wir nennen das dann geschlechtsspezifische Fluchtgründe. Es gibt Länder, in denen werden Christen verfolgt. Und Länder, in denen große Armut herrscht, da denke ich zum Beispiel an die Roma aus dem Kosovo oder Serbien. Die haben dort keine Chance, eine Arbeit zu finden, leben in Slums. Sie denken, dass es hier ihren Kindern besser geht, und fliehen aus Armut.
Zisch: Wer darf in Deutschland bleiben?
Götz: Man muss, um hierblieben zu dürfen, Asylgründe benennen können. Ihr zum Beispiel werden in eurem Land verfolgt. Zum Glück sind es recht viele, die nicht abgeschoben werden und hier bleiben können. Manche warten jahrelang auf das Ergebnis, und wissen nicht, ob sie hierbleiben können oder zurückmüssen, das finde ich auch problematisch.
Zisch: Wie nennt man das?
Götz: Das nennt sich dann Duldung. Negat, du hast zum Beispiel eine Duldung. Dann weiß man nicht, ob man hierblieben kann oder irgendwann zurückgehen muss.
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