Forschung
Die Zellalterung soll langsamer und der Mensch älter werden
Der Traum vom langen Leben
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Calico gehört zum Alphabet-Konzern, also zu Google. Ist die Verdoppelung der Lebenszeit eine Narretei von Silicon-Valley-Milliardären, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld? Lange Zeit galten 120 Jahre als Maximal-Lebenserwartung galt. Mittlerweile allerdings halten Mediziner wie Vaupel Menschenalter von um die 120 Jahre nur noch für einen empirischen Befund, der derzeit gültig, aber nicht unverrückbar sei. Wenn die Wissenschaft besser verstehe, was bei der Alzheimer-Erkrankung passiere, wie die Alterung der menschlichen Zellen funktioniere, und man wirksame Medikamente gegen den Krebs entwickelt habe, seien 130 oder 140 Jahre durchaus in Reichweite.
Seit einigen Jahren erlebt die Altersforschung einen Aufbruch. Hunderte neuer Firmen versuchen, aus Fortschritten medizinischer Erkenntnis Geld zu machen. Häufig genannt werden dabei zwei existierende Präparate: Metformin, ein Diabetes-Mittel, und Rapamycin, das bei Organtransplantationen eingesetzt wird. In beiden Fällen deuten Studien auf eine möglicherweise lebensverlängernde Wirkung hin, die über das eigentliche Behandlungsziel hinausgeht.
Eine zupackende Methode praktiziert Tony Wyss-Coray. Er ist Neurologe an der Stanford-Universität in Kalifornien. Versuchsweise verbindet er die Blutkreisläufe junger und alter Mäuse und schafft so eine Art zusammengenähter Zwangszwillinge, um die Wirkung jungen Blutes auf alternde Organismen zu studieren. Seine Ergebnisse legen nahe, dass derartige Bluttransfusionen Erfolg haben könnten. "Die Experimente von Wyss-Coray deuten daraufhin, dass die Synthese des Proteins CREB in der Hirn-Region des Hippocampus angeregt wird, was deren Leistungsfähigkeit steigert", sagt Konrad Beyreuther, Gründungsdirektor des Netzwerks Altersforschung an der Universität Heidelberg. Der Hippocampus sorgt dafür, dass aus neu Gelerntem Erinnerungen werden. Bei Alzheimer-Patienten ist diese Region besonders geschädigt.
Ein weiterer Ansatz beschäftigt sich mit der Substanz Resveratrol, die unter anderem in Rotwein vorkommt. Ihr wird eine positive Wirkung bei der Autophagie zugeschrieben. Das sind diejenigen Prozesse in menschlichen Zellen, die Schadstoffe nicht nur zerlegen und umbauen, sondern zu Zellnahrung recyceln können. Darüber forscht der japanische Mediziner Ohsumi Yoshinori; für seine Ergebnsse erhielt er den Nobelpreis.
Rüdiger Horstkorte, Biochemiker an der Uni Halle-Wittenberg, sagt: "Die zunehmende Menge beschädigter und schädlicher Proteine in Zellen ist entscheidend für ihr Altern." Ließe sich die Müllabfuhr verbessern, würden die einzelnen Zellen und dann vielleicht der ganze Körper länger leben. "Bisher verstehen wir viel zu wenig, wie diese Prozesse funktionieren", so Horstkorte. Vielleicht lasse sich so die menschliche Lebensspanne um"20 bis 30 Jahre" ausdehnen. Eine Verdoppelung hält er aber für illusorisch.
Zum Anti-Aging-Kongress nach München kamen im Juni 2016 in Deutschland ansässige Firmen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Ihre Gene aus Hamburg bietet Gentests an, damit die Kunden ihren Lebensstil so gestalten, dass er zu ihren erblichen Prädispositionen passt. Und CellGym in Berlin wirbt mit einer Behandlung, die Mitochondrien, die Kraftwerke der menschlichen Zellen, bei der Arbeit unterstützen soll. Durchbrüche haben diese Unternehmen bislang nicht zu verzeichnen. Auch Google-Tochter Calico hüllt sich in Schweigen. Gemeinsam werden es die Manager, Entwickler und Wissenschaftler jedoch vermutlich schaffen, die durchschnittliche Lebenserwartung in reichen Industrieländern in Richtung 90 oder 100 Jahre zu verschieben. Aber 160? Der Mythos vom Jungbrunnen ist ein alter Traum, der unsere Kultur seit 2000 Jahren begleitet.
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