Spanien

Die Stierhatz von Pamplona gibt es auch im 21. Jahrhundert noch

Einst feierte Ernest Hemingway die Stierkämpfe von Pamplona, am Sonntag rannten die Tiere wieder traditionell durch die Altstadt. Es gab mehrere Verletzte infolge des Spektakels.  

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Immer wieder kommt es bei den Sanfermines zu Verletzungen.  | Foto: IMAGO/Ruben Albarran
Immer wieder kommt es bei den Sanfermines zu Verletzungen. Foto: IMAGO/Ruben Albarran
. Vor 99 Jahren schrieb Ernest Hemingway, gerade 24-jährig, eine Reportage, deren Einstieg nicht zu übertreffen ist: "Es war Frühling in Paris, und alles sah ein klein wenig zu schön aus. Mike und ich beschlossen, nach Spanien zu fahren. Strater zeichnete uns eine feine Karte von Spanien auf die Rückseite einer Speisekarte des Restaurants Strix. Auf dieselbe Speisekarte schrieb er den Namen eines Restaurants in Madrid, dessen Spezialität Spanferkelbraten ist, den Namen der Pension in der Via San Jerónimo, in der die Stierkämpfer leben, und machte eine Skizze, die zeigte, wo die Grecos im Prado hängen." Noch am selben Tag, an dem er in Madrid ankam, besuchte Hemingway einen Stierkampf. "Es war der erste Stierkampf, den ich je sah, aber es war nicht der beste. Der beste war in der kleinen Stadt Pamplona, hoch oben in den Hügeln von Navarra."

Mit diesem Satz beginnt der Weltruhm von Pamplona und seines großen Volksfestes, den Sanfermines. Von Madrid fuhr Hemingway gemeinsam mit seiner Frau, die im fünften Monat schwanger war, in das nordspanische Städtchen Pamplona mit damals 35 000 Einwohnern. "Soweit ich weiß, waren wir die einzigen englischsprechenden Leute auf der Feria", schrieb er in seiner Reportage, die drei Monate später im kanadischen Toronto Star erschien. Heute hat Pamplona 200 000 Einwohner, zu den Sanfermines kommen etwa eine Million Menschen, von denen sehr viele Englisch sprechen. Hemingway sei Dank.

An diesem Sonntagmorgen sind wieder ein paar tausend Männer und eine Handvoll Frauen gemeinsam mit einer kleinen Herde von Stieren durch die Altstadt von Pamplona gelaufen. Vier Männer mussten hinterher ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die morgendlichen Stierrennen, encierros genannt, unterscheiden die Sanfermines von allen anderen Volksfesten auf der Welt. An seinem ersten Morgen in Pamplona, am 7. Juli 1923, ließ sich Hemingway erklären, was geschieht: "Die Stiere! Sie sind gerade aus ihrem Gehege auf der anderen Seite der Stadt herausgelassen worden. Sie rennen durch die Stadt", und mit ihnen rennen Jungen und Männer. Hemingways Frau schien wenig beeindruckt: "Wofür tun sie das?", fragte sie. "Für ein morgendliches Vergnügen", schrieb Hemingway.

Im Grunde hat sich in den vergangenen 99 Jahren nichts verändert. Morgens um acht öffnen sich die Gatter des Geheges im Norden der Stadt, sechs Kampfstiere und ein paar zahme Leitstiere rennen 850 Meter durch die mit Holzwänden abgesicherten Altstadtstraßen bis zur Stierkampfarena im Süden. Das dauert zweieinhalb bis dreieinhalb Minuten und wird – anders als damals – vom staatlichen Fernsehen live übertragen und hinterher in Zeitlupe mehrfach wiederholt, bis eine Wurstreklame die Sendung unterbricht.

Die Jungs und Männer, die mit den Stieren mitlaufen, versuchen dasselbe wie später am Nachmittag die Toreros: sich in Gefahr zu begeben, ohne dabei umzukommen. Todesfälle sind eine extreme Ausnahme, Verletzungen nicht, meistens durch Stürze und durch Huftritte, sehr viel seltener durch Hornstöße.

Die Lust auf dieses Spektakel ist gewaltig, dieses Jahr umso mehr, als die letzten beiden Sanfermines wegen Corona ausfielen. Das ging die Fans so hart an, wie es die Deutschen hart anging, zwei Jahre lang nicht nach Mallorca zu reisen. Die Sanfermines sind ein Fest zu Ehren des Heiligen Firmin von Amiens, das abgesehen von den encierros vielen anderen Volksfesten gleicht mit Zehntausenden Menschen auf den Straßen, Männern und Frauen, die feiern und tanzen und sich betrinken. "Jeder Karneval, den ich je gesehen hatte, verblasste dagegen", schrieb Hemingway.

Das hat sich nicht geändert. Nachmittags werden sechs Kampfstiere in der Arena rituell getötet. "Stierkampf ist auf keinen Fall ein Sport", stellte der Stierkampf-Aficionado Hemingway fest. "Er ist eine Tragödie, die den Kampf zwischen Mann und den wilden Tieren symbolisiert – the struggle between man and the beasts." Hemingway schrieb das, als Männer noch Männer und Tiere noch Tiere waren. In Pamplona sind sie es bis heute geblieben.
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