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Zischup-Interview

"Die Haftstrafe ist zu niedrig"

ZISCHUP-INTERVIEWmit Hans-Joachim Frost, Fachanwalt für Steuerrecht im Ruhestand, über den Fall Uli Hoeneß.  

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Hier muss Uli Hoeneß seine Strafe absitzen: die Justizvollzugsanstalt Landsberg   | Foto: dpa
Hier muss Uli Hoeneß seine Strafe absitzen: die Justizvollzugsanstalt Landsberg Foto: dpa

Der Hoeneß-Prozess hat deutschlandweit für viel Aufsehen gesorgt. Der Ex-Bayern-Chef Uli Hoeneß hat 27,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen und muss jetzt eine Haftstrafe antreten. Hans-Joachim Frost, Freiburger Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater im Ruhestand, war 1995 an der Verteidigung von Peter Graf, dem Vater von Steffi Graf, beteiligt, als dieser rund 41 Millionen Mark Steuern hinterzogen hat. Sofian Djebbari und Max Polster aus der Klasse 8b des Deutsch-Französischen Gymnasiums Freiburg haben dem Fachmann Fragen zu Steuerhinterziehung und zum Hoeneß-Prozess gestellt.

Zischup: Was genau ist Steuerhinterziehung?
Frost: Steuerhinterziehung ist, wenn ein Inländer, in dem Land, in dem er eigentlich seine Einkünfte versteuern muss, nicht alle Einkünfte angibt und dies mit der Absicht, Steuern zu hinterziehen tut.

Zischup: Welche Strafen kann Steuerhinterziehung nach sich ziehen?
Frost: Das Strafmaß bei Steuerhinterziehung beträgt bis zu zehn Jahren Haft. Innerhalb eines Urteils ist abzuwägen, inwieweit der jeweilige Steuerpflichtige Angaben nur geschmälert oder Steuern hinterzogen hat. Auch die Höhe der Steuern spielt hier eine Rolle. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beträgt die Schwelle eine Million Euro. Alles, was darüber hinausgeht, wird normalerweise mit einer Haftstrafe belegt. Es gibt auch die sogenannte Selbstanzeige. Das heißt, dass ein Steuerpflichtiger sich strafbefreiend anzeigen kann, bevor die Finanzbehörden oder ein anderes Ermittlungsorgan auch nur ansatzweise über die Steuerhinterziehung Bescheid wissen.

"Wahrscheinlich hat er

noch mehr hinterzogen."

Zischup: Im Falle von Hoeneß war die Selbstanzeige unwirksam. Aus welchem Grund?
Frost: Die Selbstanzeige war für eine eventuelle Strafbefreiung nicht wirksam, weil Herr Hoeneß in seiner Selbstanzeige längst nicht alle hinterzogenen Steuern und Umstände angegeben hat.

Zischup: Ist allein die Tatsache, ein Konto im Ausland zu besitzen, strafbar, oder nur das Geheimhalten und Hinterziehen der Steuern?
Frost: Ein Konto im Ausland zu haben, ist überhaupt nicht strafbar, doch muss man alle Erträge, die aus diesem Konto hervorgehen, in diesem Fall in Deutschland, angeben und auch versteuern. Ansonsten hinterzieht man Steuern.

Zischup: Nun hat der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung jedoch nur eine Bewährungsstrafe. Der Richter entschied sich für eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Was sagen sie zu diesem Urteil?
Frost: Meine persönliche Meinung zu dem Urteil ist, dass die Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sehr niedrig ausgefallen ist. Fünf Jahre und sechs Monate empfinde ich auch noch als zu niedrig, wenn man bedenkt, dass Herr Hoeneß mindestens 27,2 Millionen an Steuern hinterzogen hat. Wahrscheinlich sind es ja noch mehr gewesen. In der Presse tauchen Meldungen auf, dass zum Teil 600 Millionen Euro auf Schweizer Konten hin- und hergeflossen sind. Ich glaube, dass man ja auch nicht zwischen dem guten Herrn Hoeneß, der als Privatmensch viele Spenden geleistet hat, und dem Steuerhinterzieher, der hier fast in süchtiger Weise handelte, trennen kann. Und es kann darüber hinaus sein, dass er auch aufgrund eines schlechten Gewissens aus den Erträgen gespendet hat.

Zischup: Wie lange wird Hoeneß voraussichtlich einsitzen?
Frost: Bei guter Führung wird er nach Absitzen einer Zwei-Drittel-Strafe entlassen. Das ist in Deutschland so üblich. Das heißt, er würde also ohnehin nach gut zwei Jahren aus dem Gefängnis herauskommen. Dass er sich schlecht führen wird, ist nicht zu erwarten. Was er an Prominenten-Bonus bekommt, ist laut Aussage der Haftanstalt in Landsberg, wo er einsitzen soll, so, dass er angeblich keine Vergünstigungen erhalten wird. Ich rechne jedoch damit, dass er nach spätestens sechs Monaten zu einem sogenannten Freigänger wird. Das bedeutet, dass er nur noch die Nacht in der Haft verbringen muss und tagsüber machen und tun kann, was er möchte.
"Für eine Straftat kann man nur einmal bestraft werden."

Zischup: Wie hätten sie als Fachanwalt für Steuerrecht Hoeneß verteidigt?
Frost: Ich hätte auf keinen Fall auf eine vollständige Selbstanzeige plädiert – diese war ganz offensichtlich nicht vorhanden –, sondern das Gericht davon zu überzeugen versucht, dass Herr Hoeneß in einem manischen Suchtvorhalten nicht mehr wusste, was er im Einzelnen tat, und so die Erträge, die er erzielt hat, auch nicht mehr überschauen konnte. Das heißt, dass keine eigentliche Steuerhinterziehung vorhanden ist, da es ihm an notwendigem Vorsatz gefehlt hat.

Zischup: Kann Uli Hoeneß nach Absitzen der Haft wieder Präsident von Bayern München werden?
Frost: Ja, er kann wieder Bayern-Präsident werden. Dafür muss er in einer Mitgliederversammlung von den Mitgliedern des Vereines gewählt werden. Ich vermute auch, dass sich Herr Hoeneß dieser Kandidatur wieder stellen wird, weil er ja, so wie alle sagen, wahnsinnig viel für den FC Bayern München getan hat.

Zischup: Es gibt Spekulationen, dass Uli Hoeneß nun doch circa 30 Millionen Euro hinterzogen haben soll. Was könnte dies für ihn bedeuten, wenn sich herausstellte, dass diese Vermutung wahr ist?
Frost: Auf Herrn Hoeneß kommt gar nichts mehr zu, weil man für eine Straftat nur einmal bestraft werden kann. Es wird bei dieser Strafe bleiben. Herr Hoeneß ist danach wieder rehabilitiert.

Zischup: Wäre es nicht sinnvoll, dass der Staat mehr qualifizierte Fachleute einstellt, um noch mehr Steuerhinterziehung aufzudecken?
Frost: Dies ist ein lang ersehnter Wunsch innerhalb des Personals der Steuerfahndung. Dazu ist es bis heute noch nicht gekommen, da den Ländern dazu ganz einfach die Mittel fehlen.

Zischup: Haben Sie Vorschläge, wie man das Steuersystem verbessern kann?
Frost: Das Steuersystem könnte man verbessern, wenn man alle Zahlungen, die außer Landes gehen kontrollierte, das heißt, man müsste wissen, wohin und auf welche Konten sie gehen. Damit hätte man auch die Erträge. Dazu ist aber eine europaweite Maßnahme nötig, und da die Länder unterschiedliche Interessen haben, hat das bisher nicht funktioniert.

Ressort: Schülertexte

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