Die Gene der Bauern setzten sich durch
SACHBUCH: Johannes Krause und Thomas Trappe berichten, was die Archäogenetik aus Tausende Jahre alten Knochen herausliest.
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In ihrem Sachbuch "Die Reise unsere Gene" erzählen Krause und Trappe spannend, wie sich die Menschheit und schließlich die Europäer entwickelten. Krause, der Direktor des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, liefert Fachwissen aus der Archäogenetik. Wissenschaftler können teils aus mickrigen zehn Milligramm uraltem Knochenstaub das Erbgut extrahieren. Moderne Technik macht die Sequenzierung zum Klacks: Eine Maschine entschlüsselt pro Tag die komplette DNA von bis zu 300 Menschen! Sequenzvergleiche erlauben es, entfernte und nahe Verwandtschaften zu erkennen. Die "genetische Uhr" ermöglicht zeitliche Einordnungen. Journalist Trappe verpackt diese Wissenschaft in lebendige, bildhafte Sprache: Knochen sind "Datenträger der Archäogenetik" und "Boten aus der Vergangenheit".
Wie oft heute noch entschied schon vor 6500 Jahren der Lebensstandard die Partnerwahl. Er war höher bei Landwirten: "Ackerbauern besaßen Felder, wohnten in Häusern, hielten Vieh." Allerdings drohten immer wieder Missernten. Die muskulösen Jäger konnten der Natur selbst in schlechten Jahren Nahrung abtrotzen. Doch sie hatten keinen Komfort zu bieten. Darum ließen sich kaum Bäuerinnen mit Jägern ein, aber viele Jägerinnen mit schmächtigen Landwirten.
Das bäuerliche Leben setzte die Menschen massiv unter Druck: "Hatten sie erst einmal damit angefangen, mehr Nahrung zu produzieren, mit der sie mehr Kinder durchbringen konnten, standen sie auch mit beiden Beinen im Hamsterrad", so Krause und Trappe. "Der Mensch ist eher bereit, seine Arbeitsbelastung zu verdoppeln, als seinen Lebensstandard zurückzuschrauben."
Zum Stress kamen Verteilungskämpfe – mit ihresgleichen: "In den Konflikten kämpften Landwirte gegen Landwirte." Es ging wohl um nutzbare Landflächen. Dagegen duldeten Bauern die Jäger und Sammler, solange sie ihnen nicht in die Quere kamen. Auf Mitteleuropas fruchtbaren Böden setzte sich die Lebensweise der Ackerbauern durch – und es setzten sich ihre Gene durch. "Von erdrückender Dominanz", schreiben die Autoren. Deutlich mehr Jäger-DNA hielt sich lediglich im südlichen Skandinavien. In seinen Küstengebieten garantierte der Golfstrom reiche Beute an Fisch, Robben und Walen. Die Bauern dort mussten sich mit dichter Bewaldung und ungünstigen Böden plagen.
Krause und Trappe bringen viele Geschichten: Die genetische Eva und der genetische Adam waren kein Paar. Sie lebten nicht einmal gleichzeitig. Rechnerisch sind wir alle Nachfahren Karls des Großen. Mongolische Belagerer praktizierten schon 1347 biologische Kriegsführung: Sie katapultierten die Leichen von Pestopfern über die Mauern der Krim-Hafenstadt Kaffa. Zwischendrin erläutert das Autorengespann kurz und einfach viele Hintergründe: die "genetische Uhr", die lange Freundschaft zwischen Mensch und Hund oder wie Klimawandel seit jeher Migration angetrieben hat.
Kraus und Trappe erwähnen eine alte "Balkanroute" und vergangene "Parallelgesellschaften". Im Vorwort betonen sie, Archäogenetik könne kein Schiedsrichter in aktuellen politischen Auseinandersetzungen sein. Vielleicht aber kann sie ein paar Vorstellungen korrigieren: Die ersten Europäer waren dunkelhäutig, so die Autoren. Einwanderung brachte Tod durch eingeschleppte Krankheiten, brachte Leid in Form von Verdrängung, brachte Fortschritt durch neue Lebensweisen und prägte Europa maßgeblich. Menschen mit "rein" europäischen Wurzeln existieren nicht, betonen der Wissenschaftler und der Journalist: "Wir haben alle einen Migrationshintergrund."
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