Die Angst war vorbei
Als im Jahr 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, war der heute 83-jährige Hansjörg Seeh ein Kind.
Protokolliert von Stephanie Streif
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Als am Abend des 27. November 1944 Bomben auf Freiburg fielen, war ich mit der ganzen Familie im Keller unseres Hauses versammelt. Ich zitterte vom Bombenlärm. Daran erinnere ich mich noch gut, an diese fürchterliche Angst in mir. Mein Vater, der Soldat war und in diesen Tagen Heimaturlaub hatte, kam nicht in den Keller, sondern blieb oben im Freien. Er sagte, einer muss ja da sein, wenn ihr verschüttet werdet, der euch ausgraben kann. Nach etwa 20 Minuten war alles vorbei. Unser Haus stand noch. Nur die Fensterscheiben und das Dach waren stark beschädigt.
Das Kriegsende erlebte ich in einer kleinen Ortschaft am Bodensee. Dort sind wir nach dem Bombenangriff bei Verwandten untergekommen. Am 8. Mai, also dem Tag, an dem das Kriegsende verkündet wurde, sind marokkanische Soldaten der französischen Armee in Panzern durch den Ort gefahren und besetzten dort die ganze Gegend. Zu uns Kindern waren die Marokkaner immer freundlich. Die Erwachsenen haben uns allerdings immer vor ihnen gewarnt. Sicher gab es dort auch unschöne Vorfälle.
Das Ende des Krieges empfand ich als große Erlösung. Ich war zwar erst acht Jahre alt, aber ich habe sehr wohl verstanden, dass wir jetzt endlich keine Angst mehr haben mussten – keine Angst vor Kämpfen, keine Angst vor Bomben. Und natürlich hofften wir auch, dass mein Vater bald nach Hause kommen würde. Am 29. Juli, rund drei Monate nach Kriegsende, stand er plötzlich etwas abgerissen und abgemagert vor unserem Haus. Das war am Geburtstag meiner Mutter.
Im Herbst begann für uns Kinder wieder die Schule. Aufgrund der Zerstörungen wurden zwei Schulen in einem Gebäude untergebracht. Unterrichtet wurde im Schichtbetrieb. Wir am Vormittag, die andere Schule nachmittags. In der Woche darauf wurde gewechselt.
Das Essen in der Stadt war knapp. Grundnahrungsmittel wie Zucker, Mehl oder Brot wurden über Essensmarken zugeteilt, so dass jeder gleich viel – oder besser gleich wenig – hatte. Wir hatten schon immer zwei Gärten, in denen wir Obst, Gemüse und Kartoffeln anpflanzten. Wir haben viel eingekocht und eingelagert. Eine wichtige Beschäftigung war das sogenannte Hamstern: Mit meinem Großvater, der einen Handwagen hatte, bin ich oft zu Fuß ins Markgräflerland. Wir waren stundenlang unterwegs und haben dort von Verwandten und Bekannten Milch, Brot und auch Fleisch bekommen.
Kleider hatte man damals relativ wenig. Für die Schule hatte ich zwei Cordhosen, eine grüne, eine braune. Dazu zwei Pullis und Hemden, zum Turnen hatte man braune Leinenschläppchen. Das war’s. Im Sommer, wenn Ferien waren, bin ich schon morgens oft in der Badehose aus dem Haus und mit Freunden, unter dem Zaun durch, ins Faulerbad. Der Bademeister kannte uns schon, oft war er großzügig und hat uns dort baden lassen. Wir waren den ganzen Tag an der Dreisam, im Wohngebiet und auf Spielplätzen unterwegs. Angst hatte man damals keine. Es gab kaum Autoverkehr. Unsere Kindheit nach dem Krieg war bescheiden, spielte sich viel im Freien ab und war sehr unbeschwert.
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