Die Angst vor dem Verlust
ROMANVERFILMUNG: "Sieben Minuten nach Mitternacht" von Juan Antonio Bayona.
Rudolf Worschech
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Conor hat gelernt, sein Leben ziemlich allein zu bewältigen; bevor er in die Schule geht, schmiert er sich routiniert die Pausenbrote selbst. Wobei die Schule für ihn eher unangenehm ist, wird er doch von einem viel größeren Mitschüler beständig drangsaliert. Seine Mutter ist schwer krank, ihre kurzen Haare und die vielen Medikamente deuten darauf hin, dass sie an Krebs leidet. Am Abend schauen die beiden mit einem alten 16-Millimeter-Projektor gemeinsam einen Film, "King Kong und die weiße Frau", mit der berühmten Schlussszene auf dem Empire State Building, als der Riesenaffe, getroffen von den Schüssen aus den Flugzeugen, in die Tiefe fällt.
Und in der Nacht bekommt Conor Besuch von einem ganz anderen Monster. Der Junge zeichnet gerne, und als er wieder einmal nachts an seinem Schreibtisch sitzt, rollen seine Stifte in Richtung Fenster. Genau um 0.07 Uhr. Die Eibe vom Friedhof steht vor dem Dachfenster des Jungen, mit glühenden Augen und einem inneren Feuer. Die Wurzeln reichen bis ins Zimmer, sie umfassen Conor. Und das Monster spricht. Drei Geschichten will es dem Jungen erzählen, und dann soll Conor seine eigene, vierte anschließen. Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona hat mit "Sieben Minuten nach Mitternacht" einen mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Roman des in Großbritannien lebenden US-Autors Patrick Ness (ein Interview mit ihm lesen Sie am Freitag im Magazin bz-ticket.de) verfilmt. Wie im Buch gehen auch in seinem Film Traum und Realität, Fantasie und Wirklichkeit geradezu traumwandlerisch ineinander. Das Monster wird zu so etwas wie einem Begleiter und Ratgeber für Conor, aber auch zu einem Spiegel, der ihm seine eigene Lage vorhält.
und Jugenddrama
Einmal, als der Baum von einem Mann erzählt, der für die anderen unsichtbar bleibt, verprügelt der körperlich eher kleine Conor seinen drangsalierenden Mitschüler, einmal zerlegt er in seinem Furor das Wohnzimmer seiner Großmutter. Nachdem er die Standuhr auf 0.07 Uhr gestellt hatte...
Die Großmutter wird verkörpert von Sigourney Weaver (in ihrer ersten Oma-Rolle), und sie hat vielleicht neben dem beeindruckenden Lewis MacDougall als Conor die vielschichtigste Rolle, eine Frau, die auf den ersten Blick wie eine Spießerin wirkt, der man aber bei aller Beherrschtheit die Liebe zu ihrer Tochter und ihrem Enkel anmerkt. Denn Conor muss zu ihr ziehen, als seine Mutter (Felicity Jones) ins Krankenhaus kommt. Mit seinem leiblichen Vater (Toby Kebbell) ist nicht viel anzufangen, der lebt in Los Angeles mit einer neuen Familie, kommt nur einmal kurz vorbei und will Conor nicht zu sich holen.
"Sieben Minuten nach Mitternacht" ist vieles zugleich, ein Horrorfilm, ein berührendes Coming-of- Age-Drama mit gothic touch, ein Märchen mit bösem Ausgang, ein Special-Effects-Werk mit vielen Anspielungen, etwa an "Pans Labyrinth" von Guillermo Del Toro. Und man kann den 1975 in Barcelona geborenen Regisseur, der mit dem subtilen Horrorfilm "Das Waisenhaus" (2007) bekannt wurde, nur dafür bewundern, mit welcher Sicherheit er diese Elemente unter einen Hut bringt und dem emotionalen Drama dieses Jungen unterordnet. Denn vor allem anderen handelt Juan Antonio Bayonas Film vom Loslassen und der Angst vor dem Verlust.
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