Studie
Deutschlands Teenager gelten als angepasst und spießig
Noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Jugend so wenig rebellisch wie heute.
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BERLIN (dpa). Hippies, Popper, Punks? Fehlanzeige. Deutschlands Teenager sind kaum noch rebellisch und stehen nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Sinus-Instituts auf das, was für junge Leute früher ein Schimpfwort war: Mainstream.
Hurrelmann schrieb das Vorwort zu der Untersuchung, die Sozialwissenschaftler am Dienstag in Berlin vorstellten. Überrascht hat die Forscher die Toleranz der jungen Generation – von Zuwanderung bis Religion. "Die Akzeptanz von Vielfalt nimmt zu", folgert Studienautor Marc Calmbach.
Forscher werten den ungewöhnlichen Kuschelkurs der Jugendlichen, den es so seit der Nachkriegszeit nicht mehr gab, nicht als Bequemlichkeit. Sie deuten die spürbare Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit vielmehr als eine Reaktion auf Wirtschaftskrisen, Terrorgefahr und eine unübersichtlichere, globalisierte Welt.
Überrascht hat die Wissenschaftler der ausgeprägte Mainstream in der jungen Generation. Viele Teenager, mit und ohne Migrationserfahrung, wollen sein "wie alle". Auffällige Szene- und Subkulturen sind verschwunden. "Die" Jugend gibt es dennoch nicht: Es bleiben Gruppierungen von Konservativen über Ökos und Spaßfraktion bis hin zu Frustrierten, die sich abgehängt fühlen.
Die Sinus-Studie untersucht seit 2008 alle vier Jahre, wie die 14- bis 17-Jährigen Jugendlichen in Deutschland "ticken". Dazu führen Jugendforscher lange Interviews mit 72 Jugendlichen zu ausgewählten Themen, dieses Mal auch zu Flucht und Asyl. Hier einige ausgewählte Ergebnisse der Studie:
Zuwanderung: Toleranz wird im Ergebnis in fast allen Jugendmilieus großgeschrieben. Anders als in der Welt der Erwachsenen ist die Sorge vor Zuwanderung kein großes Thema, Teenager zeigten eher Mitgefühl mit Flüchtlingen. Dazu kommt ein Pragmatismus, den die Forscher der jungen Generation generell attestieren. Zuwanderung sehen viele Jugendliche nur so lange als akzeptabel an, wie die Kapazitäten für eine gelungene Integration ausreichen. Ressentiments gegen Flüchtlinge fanden sich auch – allerdings häufig in Form von Stereotypen, die Teenager vom Hörensagen kannten. Die Wissenschaftler erklären sich die Offenheit auch mit der multi-ethnischen Wirklichkeit, in der viele Jugendliche heute aufwachsen, vor allem in großen Städten.
Werte: Oben auf der Prioritätenliste stehen Gemeinschaft, Familie, Sicherheit und Wohlstand. Dazu kommen Freiheit, Toleranz und soziale Werte. Für die Planbarkeit von Leben und Karriere nehmen Jugendliche klassische preußische Tugenden wie Pflichterfüllung in Kauf. Was nicht heißt, dass sie auf Ich-Fixierung, Spannung, Spaß und Risiko bis zur Ekstase verzichten. "Hart feiern, aber gute Noten", lautet ein Credo.
Digitale Welt: Für heutige Teenager ist ein Dasein ohne Internet und Smartphone schlicht undenkbar. Leben heißt "online sein". Ohne soziale Medien drohe Ausgrenzung, lautet ein Fazit. Die bedingungslose Faszination aber beginnt zu bröckeln: Der Umgang mit neuen Medien ist mit Blick auf die Herausgabe persönlicher Daten zunehmend kritisch und selbstbestimmt.
Zum ersten Mal wächst eine Minderheit, die sich der digitalen Dynamik mit dem Wunsch nach Entschleunigung zumindest zeitweise entziehen will. "Die Jugendlichen sind bestens mit Geräten ausgestattet und wunschlos glücklich", sagt Calmbach.
Liebe: Es gibt einen breiten Konsens, dass Vertrauen, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit zentrale Voraussetzungen für eine Partnerschaft sind. Der große Wunsch ist eine stabile Beziehung bis spätestens Mitte 30. Auch der Wunsch nach einer eigenen Familie ist früh da – viele Jugendliche koppeln die Idee aber an einen sicheren Job und guten Lebensstandard. Auch hier von Rebellion keine Spur.
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