Sommermärchen-Prozess
Der Sommermärchen-Prozess ist ein Kampf der alten weißen Männer
Die Aufarbeitung der Finanzflüsse rund um die Fußball-WM 2006 ist eine zähe Angelegenheit – bietet aber immer wieder prominente Zeugen. Der letzte verbliebene Angeklagte ringt um sein Lebenswerk.
Ulrike John und Eric Dobias (dpa)
Di, 25. Feb 2025, 20:00 Uhr
Fußball-WM
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Und jetzt also Joseph Blatter. Der langjährige Fifa-Boss sagt am Donnerstag als Zeuge im Sommermärchen-Prozess aus, per Videoschalte aus der Schweiz. Einer aus dem "korrupten Fifa-Stadl" – wie Theo Zwanziger den Fußball-Weltverband kürzlich bezeichnete. Der frühere DFB-Präsident ist der letzte verbliebene Angeklagte am Frankfurter Landgericht. Der 79-Jährige kämpft vor der Justiz um sein Lebenswerk. Andere alte und mehr oder weniger weiße Männer haben diesen Kampf schon verloren.
Blatter – inzwischen fast 89 Jahre alt – erlebte in seiner langen Funktionärskarriere schon Ermittlungen wegen Misswirtschaft, Korruption und Schmiergeldes. 2016 wurde der Schweizer an der Spitze des Fußball-Weltverbandes (Fifa) vom inzwischen ebenfalls höchst umstrittenen Gianni Infantino abgelöst. Vorgeladen wurde Blatter in Frankfurt, weil sich die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler von ihm Aufschluss über die ominösen Geldflüsse rund um die WM 2006 in Deutschland erhofft. "Das Gespräch wirkt als Anfang einer Verschwörung, als Kern des Bösen", sagte Distler jüngst über ein Treffen zwischen Blatter und dem mittlerweile verstorbenen Franz Beckenbauer im Dezember 2001 in der Fifa-Zentrale in Zürich.
Wenig später nahm Beckenbauer, damals Chef des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2006, die Deutschland im Sommer 2000 zugesprochen worden war, ein Darlehen in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken beim französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus auf und ließ diese Summe nach Katar auf ein Firmenkonto des einflussreichen Fifa-Funktionärs Mohamed bin Hammam transferieren.
Zeugen sind nicht sehr auskunftsfreudig
Der Zweck ist bis heute unklar – und wird es vermutlich auch bleiben. Beckenbauer ist im Vorjahr gestorben, Bin Hammam von der Justiz dazu nie vernommen worden. Sollte ausgerechnet Blatter jetzt Details der Absprache Preis geben? Wohl eher nicht. Selbst Distler rechnet nicht mehr mit einem Durchbruch bei dem Versuch, ein vollständiges Bild der damaligen Vorgänge zu zeichnen. "Was da geschehen ist, werden wir hier nicht aufklären können. Dafür sind die vorgeladenen Personen nicht auskunftsfreudig genug", sagte die Richterin.
Auch Günter Netzer soll sich äußern. Der deutsche Fußball-Weltmeister von 1974 hatte zunächst mitteilen lassen, dass er kein Interesse an einer Videovernehmung habe. Da die Schweiz, Wohnort des 80-Jährigen, aber Rechtshilfe leistet, kann er sich dem nicht entziehen. Geschäftsmann Netzer war einst ein enger Beckenbauer-Vertrauter. "Der Netzer hatte ja vielfältige berufliche Kontakte mit dem DFB", so Distler. Ob er dem Gericht entscheidend weiterhilft, darf bezweifelt werden. Netzer drängte einst im Auftrag des 2009 gestorbenen Louis-Dreyfus auf die Rückzahlung des Darlehens, das dieser Beckenbauer gegeben hatte. Im April 2005 überwies der Deutsche Fußball-Bund 6,7 Millionen Euro – die damals umgerechnet etwa den zehn Millionen Schweizer Franken entsprachen – an die Fifa. Obwohl das Geld als Beitrag für eine geplante und später abgesagte WM-Gala deklariert worden war, wurde es vom Weltverband nur einen Tag später an Louis-Dreyfus weitergeleitet. Die Schuld war damit beglichen.
Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall?
Strafrechtlich geht es beim Defilee der Ex-Funktionäre in Frankfurt darum, ob sich der Verdacht der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gegen Zwanziger bewahrheitet. Die vom DFB an die Fifa überwiesenen 6,7 Millionen Euro hatte der Verband nämlich im Jahr 2006 als Betriebsausgabe verbucht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sei dies nicht zulässig gewesen, wodurch der DFB Steuern in Höhe von mehr als 13 Millionen Euro hinterzogen habe.
Theo Zwanziger hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem seit mittlerweile einem Jahr andauernden Verfahren bis zum Ende beizuwohnen. Er selbst erwartet nichts weniger als einen Freispruch und damit eine Rehabilitierung. "Ich habe 2015 erstmals erfahren, dass das Geld nicht in der Kasse der Fifa gelandet ist", sagte Zwanziger. Er sieht seine Rolle eher als alter weiser Mann in der ganzen Causa.