Studie
Der Oberrheingraben ist mit Pestiziden belastet – auf den Äckern bis auf die Spitze des Feldbergs
Pestizide, die am Oberrhein ausgebracht werden, können hunderte Meter neben der Nutzfläche nachgewiesen werden. Das ist das Resultat von Forschern aus Rheinland-Pfalz. Stark betroffen: der Kaiserstuhl.
Mi, 12. Mär 2025, 20:00 Uhr
Südwest
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Wer auf dem Land lebt, ist weniger mit Schadstoffen konfrontiert als diejenigen, die in der Stadt leben. Könnte man denken, ist aber falsch – zumindest in Bezug auf Pestizide. Wie eine Studie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität in Kaiserslautern und Landau aufzeigt, ist die Belastung von Pflanzen und Böden weit über die eigentlichen Äcker hinaus nachweisbar. Die Pflanzenschutzmittel verbleiben also nicht auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen, sondern diffundieren über Wind und Regen auch in Gebiete, die oft hunderte Meter von den Flächen entfernt sind, auf die sie aufgetragen wurden. Auf diese Weise sei der gesamte Oberrheingraben mit seiner intensiven landwirtschaftlichen Nutzung im Obst- und Weinbau belastet – darunter auch Gebiete in Schutzgebieten wie dem Nationalpark Schwarzwald.
Insgesamt 63 Pestizide hat das Forscherteam nachgewiesen und nahezu alle Messstandorte waren belastet. In 97 Prozent der Boden- und Vegetationsproben wurden Rückstände gemessen, oft in komplexen Mischungen aus mehreren Wirkstoffen. Selbst auf der Spitze des Feldbergs wurden noch drei unterschiedliche Pestizide nachgewiesen.
Besonders der Oberrheingraben ist belastet
Besonders viele Pestizide konnten die Forscher rund um den Kaiserstuhl nachweisen. Bis zu 20 verschiedene Pflanzenschutzmittel konnten dort außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen nachgewiesen werden. "Der Oberrheingraben ist stärker als viele andere Regionen belastet, weil dort so viel Wein, Beeren und Gemüse angebaut werden", sagt der Ökotoxikologe Carsten Brühl, der die Studie maßgeblich verantwortet hat. Diese seien besonders gefährdet durch Krankheiten und Schädlinge, weshalb überdurchschnittlich viel gesprüht werde. Das wiederum heiße nicht, dass die Böden in der Region in hohem Maße kontaminiert wären.
"Die Menschen, die in den betroffenen Gebieten leben, sind dem dauerhaft ausgesetzt – und was das für Auswirkungen hat, weiß man noch nicht"Carsten Brühl, Ökotoxikologe
"Die Böden sind belastet – aber nicht in einer besonders hohen Konzentration." Das Neue an der Studie sei, dass die verwendeten Chemikalien eben nicht auf den Äckern bleiben. Das ist ein Problem, weil viele der Pestizide sehr langlebig seien und so noch weiter verbreitet würden. "Das verändert auch unser Verständnis von Naturschutz", so Brühl. So seien eben auch naturbelassene Gebiete, etwa Naturschutzgebiete, durchaus belastet.
"Die Menschen, die in den betroffenen Gebieten leben, sind dem dauerhaft ausgesetzt – und was das für Auswirkungen hat, weiß man noch nicht", so Brühl. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass die Landwirte sich selbst beim Aussprühen einer gesundheitlichen Gefahr aussetzten. Krankheiten wie Parkinson könnten auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sein, weshalb Parkinson seit diesem Jahr als Berufskrankheit bei Landwirten anerkannt sei.
Sicher sei zudem, dass die Belastungen eine Rolle spielten beim Insektensterben. So hätten Forscher der Uni Heidelberg nachgewiesen, dass die Dosen, die auch am Oberrhein nachgewiesen wurden, bei Fruchtfliegen zu einer 50-prozentigen Reduktion der Eiablage geführt haben. "Wenn die jedes Jahr um 50 Prozent abnimmt, dann führt das natürlich zu einer Verminderung der Population."
Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft ist wohl keine Lösung
Der Mikrobiologe und Experte für Pflanzenkrankheiten Ralf Vögele von der Universität Hohenheim begrüßt die Ergebnisse der Studie. "Das ist ganz wichtig, dass die Daten erhoben wurden. Mich überrascht das Ergebnis allerdings überhaupt nicht." Dadurch, dass die Mittel versprüht werden, sei ein Abdriften der Lösungen über Staub und Wind nur logisch. Allerdings seien die erhobenen Daten ein gutes Mittel, um zu verfolgen, welchen Effekt Maßnahmen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln haben.
Für dramatisch hält Vögele die Ergebnisse aber nicht. "Wir sprühen seit den 1940er-Jahren. Wenn die Mittel sich wirklich so stark in der Umwelt anreichern würden, dürfte da draußen eigentlich nichts mehr wachsen und nichts mehr krabbeln, dann wäre alles tot."
Wäre eine Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft eine Lösung? Vögele winkt ab. Auch dort werde gespritzt, etwa mit Kupfer und Schwefel. "Kupfer ist ein Schwermetall und toxisch für Tier und Mensch, Schwefelwasserstoff ist ein Nervengift – das sind Gifte und nicht ökologischer oder biologischer als herkömmliche Pflanzenschutzmittel."