Der Mob mit teuren Dauerkarten

Bei den Ausschreitungen in Dortmund waren auch "ganz normale" Zuschauer dabei / Mal wieder steht die Polizei in der Kritik .  

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Offen dokumentierter Hass in der Südkurve des Dortmunder Stadions  | Foto: afp
Offen dokumentierter Hass in der Südkurve des Dortmunder Stadions Foto: afp
"Wer Steine und Flaschen auf Frauen und Kinder wirft, hat den Knall nicht gehört und muss bestraft werden." Ralf Jäger (SPD) war einer der Ersten, der sich nach den schweren Ausschreitungen von Dortmund zu Wort meldete. Es ist eine banale Aussage des nordrhein-westfälischen Innenministers, denn es dürfte nicht viele Menschen geben, die das anders sehen. Es ist aber auch ein Statement, das nach Ablenkungsmanöver riecht. Schließlich ist es schon der vierte Polizeieinsatz in seinem Bundesland in zwei Jahren, bei dem Experten seinen Beamten schwere einsatztaktische Fehler vorwerfen.

Nach der "Hooligans gegen Salafisten"-Demo in Köln, der Silvesternacht am dortigen Hauptbahnhof und dem aus dem Ruder gelaufenen Derby zwischen Mönchengladbach und Köln nun also Dortmund: Während die 27 Fanbusse aus Leipzig sicher am Spielort ankamen, waren die 1000 Insassen des Sonderzuges einem Spießrutenlauf ausgesetzt, weil die Polizei es unterließ, deren Weg von der Haltestelle des Zuges zur Gästekurve zu sichern. Die Beamten waren von der normalen Spieltagsroutine ausgegangen und hatten aus der Tatsache, dass die Leipziger Fan-Szene nicht als gewaltbereit gilt, gefolgert, dass keine erhöhte Gefahr besteht. Das ist richtig, wenn Augsburger oder Freiburger nach Dortmund fahren, und sich die Fans nach Belieben mischen, ohne dass nur eine Faust fliegt. Doch es ist fatal, wenn mit dem vom Getränkekonzern Red Bull animierten "RB-Rasenballsport" ein Gegner kommt, der für die Fans aller Traditionsvereine als Inbegriff dessen steht, was sie für das Ende des Fußballs als Volkssport halten.

Die Frage, ob 1000 Leipziger Fans, die einem Sonderzug in Stadionnähe entsteigen, in Dortmund (aber auch an ein paar Dutzend anderen Standorten) von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet werden sollen, hätten denn auch 99 Prozent der Menschen bejaht, die eine Dauerkarte in einer Bundesliga-Fankurve haben. Wie es sein konnte, dass die Polizei zur gegenteiligen Auffassung kam, wird ebenso zu erörtern sein wie die Frage, warum die zuvor geäußerte dringende Bitte der Leipziger Fans ignoriert wurde, man möge sich um ihren Schutz kümmern.

Droht nun also eine neue Dimension der von Ultras ausgehenden Gewalt? Darauf deuten die Einschätzungen aus vielen Fan-Szenen hin, wo berichtet wird, dass sich in den vergangenen Monaten vor allem viele jüngere Ultras von den Hauptgruppen abgewandt haben, weil sie deren gewaltfreien Support und die zunehmende Beschäftigung mit (fan-)politischen Themen – Antirassismus, Datenschutz – zu dröge finden. Wie Bilder, die jetzt auf Youtube hochgeladen wurden, zeigen, bekriegten sich nur einen Tag nach Dortmund mitten in der Frankfurter Innenstadt auch Ultras von Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt, zum Teil mit Stühlen und Schlagstöcken bewaffnet.

Einfache Lösungen gibt es nicht

Auch in Dortmund traten enthemmte Menschen auf wehrlose Opfer ein, die am Boden lagen, selbst eine Rollstuhlfahrerin wurde attackiert, ehe – Dortmunder – Fans die Frau in Sicherheit brachten. Der Einsatzleiter, ein erfahrener Polizist, ließ sich von seiner Pressestelle ganz bewusst mit der Aussage zitieren, er habe "in hasserfüllte Fratzen" geblickt und so etwas "noch nie erlebt".

Es waren nach Aussagen der Polizei die Fratzen von gewaltbereiten Ultras und deren Umfeld – sage und schreibe 400 reagierten sich vor der Gästekurve ab. Es waren aber auch die Fratzen von Hunderten "ganz normaler" Dortmunder Zuschauer, deren Dauerkarte auf zum Teil sehr teure Plätze verwiesen.

Und genau das ist das Problem an einer weiteren Forderung aus prominentem Mund. Wenn Reinhard Grindel, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, mal wieder einen "Aufstand der Anständigen" fordert, ist ihm auch da der Applaus vieler Menschen sicher. Die Frage, was mit Menschen geschehen soll, die im teuren Mantel Flaschen werfen oder mit dem Enkelkind an der Hand vor einer Frau ausspucken, die das "falsche" Trikot anhat, kann Grindel damit nicht beantworten. Beim Aufstand der Anständigen müssten diese Menschen schließlich gegen sich selbst demonstrieren. Denn für anständige Leute halten die sich ganz gewiss. Und wenn es noch so falsch ist. Das alles zeigt: Einfache Lösungen gibt es in dieser Sache nicht.

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