"Der Computer gab mir Flügel"
Eine 83-jährige Japanerin fand keine Apps für ihre Altersgruppe – also entwickelt sie selbst welche / Erfolgreiches Spiel.
Takehiko Kambayashi
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![Vorbild für andere Senioren: Masako Wakamiya | Foto: dpa Vorbild für andere Senioren: Masako Wakamiya | Foto: dpa](https://ais.badische-zeitung.de/piece/09/16/cb/47/152488775-w-640.jpg)
YOKOHAMA. Ihren ersten Computer kaufte Masako Wakamiya mit 60. Da war sie gerade pensioniert. Heute gehört die inzwischen 83-jährige Japanerin zu den ältesten App-Entwicklern weltweit. Auch der Konzern Apple und die UN interessieren sich nun für die technikaffine Seniorin.
Als ihre App herauskam, wurde die Seniorin zu einer Entwicklerkonferenz am Hauptsitz von Apple in Kalifornien eingeladen. Dort traf sie auch Apple-Chef Tim Cook. "Der Chef hat mich umarmt", erinnert sich Wakamiya, die im April ihren 83. Geburtstag feierte.
Als sie nach mehr als vier Jahrzehnten ihre Stelle als Bankangestellte verließ, kaufte Wakamiya mit 60 ihren ersten Computer. Während sie sich zu Hause um ihre alternde Mutter kümmerte, begann sie, sich über einen Online-Verein mit anderen älteren Menschen auszutauschen. "Seit der Computer mir Flügel verlieh, habe ich eine Menge verschiedener Menschen kennengelernt. Während meiner Zeit bei der Bank kamen die meisten meiner Bekannten aus derselben Branche", sagt sie. "Der Computer hat mich neugierig gemacht."
Als sie begann, anderen Senioren Computer-Grundkenntnisse zu vermitteln, fand sie es frustrierend, wie wenig interessanten Online-Stoff es für ältere Menschen gibt. Kurzerhand erarbeitete sie eine Möglichkeit, mit der Tabellenkalkulations-Software Excel Kunst zu schaffen und teilte ihre Erfindung mit anderen. Wakamiya lernte auch Englisch und hat inzwischen mehrere Bücher geschrieben. Eines trägt übersetzt den Titel "Mit über 60 wird das Leben immer interessanter." Doch im Zeitalter der Smartphones konnte sie keine Handy-App speziell für ihre eigene Generation finden.
"Frau Wakamiya bat mich, eine Gaming-App zu entwickeln, mit der Senioren junge Menschen besiegen können", erinnert sich Katsushiro Koizumi, Vorstandsvorsitzender der Firma Tesseract, die Unterricht in Programmieren und Software-Entwicklung anbietet. "Aber ich habe ihr gesagt: Es wäre absolut großartig, wenn Sie so eine App selbst entwickeln würden", sagte Koizumi. Übers Internet half er der Gaming-begeisterten Seniorin, ihre eigene App "Hinadan" zu entwickeln. Das Spiel ist nach einem Ausstellungsstand für traditionelle japanische Puppen benannt, den es auf dem jedes Jahr im März gefeierten Mädchenfest gibt. Seine Spieler müssen die Puppen in der richtigen Reihenfolge auf dem Stand anordnen. Inzwischen ist die App 80 000 Mal heruntergeladen worden. Laut Wakamiya gibt es bereits eine englische und eine chinesische Version des Spiels.
Ihr Erfolg hat ihr viele Einladungen eingebracht. Erst im Februar war sie bei den Vereinten Nationen in New York zu Gast. Auf Englisch hielt sie dort den Einführungsvortrag für eine Sitzung über digitale Kompetenz für Senioren. Wakamiya ist zudem Vize-Vorsitzende des landesweiten Online-Vereins Mellow Club, hält Vorträge in ganz Japan und sitzt in einem von Premierminister Shinzo Abe geführten Regierungsausschuss zum "Zeitalter der Hundertjährigen".
Die App-Entwicklerin sei stolz auf das Erreichte und habe Vertrauen in ihre Fähigkeiten. "Aber sie ist ein sehr bescheidener Mensch", sagt die Direktorin der Non-Profit-Organisation Rokumaru 60, Atsuko Arisawa. Sie hatte Wakamiya im März als Rednerin nach Yokohama eingeladen. "Darum kommt sie auch bei jungen Menschen so gut an", sagt Arisawa. Es gebe viel von der alten Dame zu lernen.