Das war der Gipfel in Freiburg
Für viele junge Menschen ließ das Treffen der Staatsmänner doch einiges zu wünschen übrig - eine Nachlese.
Aurea Steiner
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"Wir müssen leider draußen bleiben" lesen Pudel und Dackel am Eingang zur Metzgerei. Beim deutsch-französischen Gipfeltreffen bekamen das in Freiburg aber auch Linke, "Autonome", Punks und Penner zu hören, die sich der Bannmeile rings um Münster und Rathausplatz näherten. Hoher Staatsbesuch als Lehrstunde in Staatsbürgerkunde vor allem auch für junge Menschen, die an diesem Tag in der City unterwegs waren. Anlass für den staatsdemonstrierenden Pomp waren Gerhard Schröder und Jacques Chirac, die hier tagten - auch, um sich gegen Rassismus zusammenzutun.
Natürlich machte dieser Auftrieb ungewohnt hohe Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze der Politiker nötig. Aber die Bilder von einem gelungenen und friedlichen Staatsmännertreffen, die am Abend im Fernsehen präsentiert wurden, entsprachen nicht dem, was etlichen Menschen widerfahren war. Mancher scheiterte an den Einlasskontrollen. Und ärgerte sich abseits. Andere taten sehr wohl ihren Unmut kund, obschon das ZDF vermeldete, das Treffen in Freiburg sei "friedlich und ohne Proteste" verlaufen. Um Proteste zu verhindern, waren bereits im Vorfeld "Platzverweise" ausgesprochen worden. Kein Blick auf Schröder und Chirac für Punks.
Die Polizei, die neben Bundeswehr und Bundesgrenzschutz an diesem Tag für die Sicherheit der Gäste verantwortlich war, sorgte engagiert für die Ausgrenzung gewisser Mitmenschen. Die begann mit der Kontrolle der Personalien. Manche der Beamten waren, so erzählen Betroffene, gar mit Fotokopien stadtbekannter "Verdächtiger" ausgestattet. Und wer ohne Foto in das Raster "links" oder "autonom" passte, hatte seinen Ausweis vorzuzeigen. Mancher bekam daraufhin einen Platzverweis für die Innenstadt ausgesprochen. Wer dem nicht Folge leistete, konnte festgenommen werden. Auch Michael wollte auf den Münsterplatz und wurde aufgrund seiner bunten Haare von den Beamten überprüft. "Stadtverbot bis zum Bertoldsbrunnen" lautete die Anordnung, eine Begründung dafür müsse der Polizist nicht abgeben. Michael ist empört, denn auch er ist "Steuerzahler und hat ein Recht darauf zuzuschauen, wie alle anderen auch". Merkwürdig auch, was eine allein erziehende Mutter mit exotischer Haartracht zu hören bekommt. Auch sie erhält Innenstadtverbot. Als sie entgegnet, sie müsse nachmittags Schulsachen für die Kinder kaufen, wird ihr geraten sich beim Revier Nord zu melden, man werde ihr einen Begleitschutz zur Seite stellen.
Eine andere junge Frau verliert nun dank des Gipfels möglicherweise ihren Arbeitsplatz. Als sie während ihrer Mittagspause das Geschäft am Münsterplatz verlässt, wird sie kontrolliert. Da sie vor Jahren einmal ein Verfahren hatte, das allerdings eingestellt wurde, wird sie nun mitgenommen und kann daraufhin nicht weiterarbeiten. Auffällig ist, dass sich die autoritären Polizeimaßnahmen vor allem gegen junge Leute richteten. In welchem Ausmaß bleibt allerdings unklar: Während der Ermittlungsausschuss von 25 Festnahmen und 70 Platzverweisen spricht, nennt Polizeisprecher Ulrich Brecht 19 vorübergehende Festnahmen zur Überprüfung der Personalien. Platzverweise, so Brecht, habe es zahlreiche gegeben, konkrete Zahlen lägen aber nicht vor.
"Wenn Sie Ihre Meinung zum Ausdruck bringen, dann ist das Ihr Recht!" Flugblatt der Polizei
Bei keiner Festnahme sei eine Gewalttätigkeit vorausgegangen, betont ein Mitarbeiter des Ermittlungsausschusses. Dennoch beklagten einige der Festgenommenen und Umstehenden das rüde Vorgehen der Polizeibeamten. Der rigorose Polizeieinsatz, so die Meinung etlicher Beobachter, stehe in keinem Verhältnis zu den Protesten, die sich auf Pfeifen und Buhrufe beschränkten.
Das von der Polizei in Umlauf gebrachte Flugblatt zum Gipfel forderte hingegen Toleranz und Gewaltfreiheit und ließ sich überhaupt ganz anders lesen: " Wenn Sie Ihre Meinung zum Ausdruck bringen, dann ist dies Ihr Recht!" Wer also dieser politischen Begegnung kritisch gegenüber stehe, so die Aufforderung, solle nicht gewalttätig auftreten, denn: "Gewalt tolerieren wir nicht!" Auch das friedfertige Herumtragen eines Transparentes "Abschiebung ist Folter" wurde nicht toleriert.
Und als eine kleine Gruppe Jugendlicher mit einem eingerollten Transparent gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus durch die Stadt läuft, wird sie sofort von aufmerksamen Ordnungshütern kontrolliert und belehrt, dass sie dieses Plakat entfernen müssten, da sonst alle verhaftet würden: hier und heute darf nicht demonstriert werden. Andere Meinungen und kritische Töne sind nicht zugelassen und werden mit Drohgebärden der Polizei unterdrückt. Staatsbesuch bedeutet, die Meinungsfreiheit wird für einen feierlichen Tag außer Kraft gesetzt. Eine Inszenierung für die Staatsmänner und die Medien. Und eine Lehrstunde für Jugendliche.
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