"Das Leben in Berlin war zu hektisch"

ZISCH-INTERVIEW: Fynn Wochner und Nikolas Willmann im Gespräch mit dem früheren Bundespräsidenten Walter Scheel.  

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Die jungen Reporter und ihr berühmter Interviewpartner.  | Foto: privat
Die jungen Reporter und ihr berühmter Interviewpartner. Foto: privat

Die Zisch-Reporter aus der Klasse 4 c von der Johann-Heinrich-von-Landeck-Schule in Bad Krozingen trafen Walter Scheel. Der Bundespräsident außer Dienst wohnt in der Kurstadt und beantwortete die Fragen der Viertklässler.

Zisch: Wann sind Sie nach Bad Krozingen gekommen und wie gefällt es Ihnen hier?
Walter Scheel: Ich wohne schon seit zweieinhalb Jahren hier und fühle mich sehr wohl. Das muss an der guten Luft und den netten Leuten liegen. Außerdem war das Leben in Berlin manchmal doch sehr anstrengend und hektisch.
Zisch: Das ist in Bad Krozingen anders.
Scheel: Stimmt.
Zisch: Wie sind Sie Politiker geworden?
Scheel: Oh, das ist eine schwierige Frage. Eigentlich wollte ich kein Politiker werden. Ich habe eine Lehre als Bankkaufmann gemacht, konnte diesen Beruf aber nie ausüben, weil der Krieg anfing. Als ich nach dem Krieg in meine Heimatstadt Solingen zurückkehrte, wurde ich aus allen möglichen politischen Lagern ermuntert, aktiv zu werden. Obwohl ich eigentlich ein Wirtschaftsmann war, bin ich dann doch – über die Arbeit in der FDP – Berufspolitiker geworden.
Zisch: Warum haben Sie sich für die FDP entschieden?
Scheel: Ihr kennt bestimmt das deutsche Parteiensystem?
Zisch: Klar: CDU, SPD, FDP, Die Grünen und die Piratenpartei.
Scheel: Ihr kennt euch aber gut aus. Ich war schon immer ein FDP-Mann, durch und durch. Ich habe mich von Anfang an dem liberalen Gedankengut verschrieben und bin jetzt schon 65 Jahre Mitglied.
Zisch: Wie haben Sie den Krieg über-, Entschuldigung, ich meinte erlebt?
Scheel: Überlebt ist eigentlich richtig gefragt. Ich war bei der Luftwaffe als Funker bei den Nachtjägern und habe den Russlandfeldzug mitgemacht, der schrecklich war. In Russland erkrankte ich an Flecktyphus – damals ein sicheres Todesurteil. Ich musste eine schwere Operation am Rücken über mich ergehen lassen und kam wie durch ein Wunder wieder ins Leben zurück. Ich hatte Glück und konnte wenige Monate nach Kriegsende wieder in meine Heimatstadt zurückkehren.
Zisch: Welche berühmte Person, die Sie getroffen haben, war für Sie die wichtigste?
Scheel: Vielleicht der König von Spanien, Juan Carlos. Als wir uns Ende der 60er – Jahre kennenlernten, war das noch unter dem Franco-Regime. Ich war der einzige europäische Staatsmann, der später bei seiner Krönung dabei war. Wir treffen uns heute noch regelmäßig. Dann ist unbedingt Willy Brandt zu erwähnen. Das war mein Kabinettschef. Ich war Außenminister und er Kanzler. Wir haben sehr eng zusammen gearbeitet und uns immer bestens verstanden. Wie Freunde – aber geduzt haben wir uns nie.
Zisch: Sie waren einmal neun Tage Bundeskanzler. Was haben Sie in dieser Zeit am liebsten gemacht?
Scheel: Das war eine aufregende Zeit. Neun Tage war die Macht sozusagen in einer Hand. Ich war gleichzeitig gewählter Bundespräsident und stellvertretender amtierender Bundeskanzler. Um ehrlich zu sein: Diese neun Tage vergingen wie im Flug und es mussten kaum Entscheidungen getroffen werden. Ich fühle mich auch nicht als Bundeskanzler außer Dienst, sondern als Bundespräsident außer Dienst.
Zisch: Waren Sie schon einmal im Weißen Haus in Washington?
Scheel: Schon oft. Zum ersten Mal etwa 1952 mit einer Delegation des Landtages aus Nordrhein-Westfalen. Dann hatte ich eine gute Bekanntschaft mit den US-Präsidenten Nixon, Ford und vor allem Jimmy Carter.
Zisch: Was haben Sie in Ihrer Freizeit gerne gemacht?
Scheel: Jägerei und Golfspielen, außerdem liebe ich Bücher.
Zisch: Ihr Lieblingsfußballverein?
Scheel: SC Freiburg, und das ist nicht nur so gesagt. Ich pflege seit 50 Jahren mit dem früheren US-Außenminister Henry Kissinger eine Brieffreundschaft. Er ist ein Greuther Fürth-Anhänger und ich unterstütze schon immer Freiburg. Das ist sozusagen schriftlich dokumentiert.

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