Ausstellung
Das Basler Kunstmuseum zeigt mit "Verso" die oft überraschende Kehrseite von Gemälden
Das Kunstmuseum Basel lenkt mit der Ausstellung "Verso" den Blick auf die Rückseite von Gemälden. Die sind mal ikonografische Entdeckungen, gar postume Enthüllungen.
Di, 18. Feb 2025, 20:00 Uhr
Kunst
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Die heilige Katharina von Lucas Cranach dem Älteren ist arg ramponiert, da blättert die Farbe, die Spuren der Zerstörung sind konserviert. Die Beweinung Christi unter dem Kreuz des Meisters von Sierentz sieht nicht besser aus. Das, was von einer Passionsszene übrig geblieben ist, könnte auch als abstrakte Malerei durchgehen. Ebenso ein blaues, abgeschrubbtes Rechteck – Reste eines Himmels.
Zweimal gibt es in Basel zurzeit "Verso". Das eine ist die Studentenkneipe, die als Kulturknotenpunkt die andere Seite des Universitätslebens bietet. Das andere ist eine Ausstellung im Kunstmuseum, die den Blick auf die Rückseite von Gemälden lenken will – und es wahrlich nicht leicht macht, sich zu entscheiden, was denn nun in den Fokus rücken soll. Denn: Die 36 ausgestellten Gemälde aus der eigenen Sammlung, von Hans Baldung Grien bis Lucas Cranach, von Hans Holbein dem Jüngeren bis zu Pieter Sneyrs, sind von der Vorderseite schon eine Freude, strahlen, leuchten, erzählen Geschichte und Geschichten. Die Rückseiten faszinieren nicht nur durch die Alterungsspuren oder historische Aufkleber. Sie nehmen ikonografischen, historischen Bezug, offenbaren Zerstörtes, Verborgenes und Originelles.
Vorne hui, hinten pfui?
Bodo Brinkmann, seit 2008 Kurator für Alte Meister, der sich mit dieser Ausstellung vom Museum verabschiedet, hat die Werke aus dem 14. bis ins 18. Jahrhundert in das Untergeschoss des Neubaus gehängt und gestellt – und präsentiert sie in eigens angefertigten Rahmen, die einen Rundumblick ermöglichen. Vorne hui bei prächtigen Flügelaltären, Porträts und üppigen Stillleben – und hinten pfui? Nein. Die Geschichte der Kehrseite der Gemälde kennt zwar weniger Gesetzmäßigkeiten, aber durchaus künstlerische Konstanten, Freiheiten und Traditionen. Etwa bei den Wandelaltären, die die Rangordnung des christlichen Kosmos, die Bedeutung von Schutzpatronen und Stifterinnen sichtbar machen.
Brinkmann hat jedoch auch außergewöhnlichere Exponate entdeckt und erforscht. Kunstvolle Ornamente und Pflanzendarstellungen sowie Marmorimitationen dienen als Zierrat, aber auch zum Schutz des Gemäldes vor dem Austrocknen. Porträts und Bildnisse wurden mit aufwendigen Wappen der Dargestellten und Inschriften versehen, "Personalausweisen gleich", wie Brinkmann sagt.
Der Adelige, der ein Ketzer war
Postum wurde gar die wahre Identität eines Abgebildeten gelüftet. Der Adelige Johann von Bruck, gemalt von einem unbekannten niederländischen Meister, führte in Basel ein Doppelleben. Er war eigentlich der im Heiligen Römischen Reich lange gesuchte Ketzer David Joris. Der Rat der Stadt Basel ließ das Bild 1559 beschlagnahmen und die wahre Geschichte des Dargestellten auf der Rückseite vermerken, dessen Leichnam man exhumieren ließ und auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Aus dem Porträt wurde ein Mahnmal.
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Heiterer und persönlicher war die Idee der Brüder Ambrosius und Hans Holbein dem Jüngeren, die sich mit einem beidseitig bemalten Pseudo-Ladenschild für eine Stube eines Lehrmeisters einen Scherz erlaubten. Die feinen Interieurszenen mit hintersinnigem Text waren ein Abschiedsgeschenk für ihren Freund und Lehrer Oswald Geisshüsler, genannt Myconius. Pragmatisch ging Pieter Snyers vor. Der bedeutende flämische Maler machte aus alt einfach neu. Er nutzte die glatte Rückseite einer 100 Jahre älteren, stark beschädigten Druckplatte, die auf der Vorderseite den Tanz um das Goldene Kalb zeigte, und bemalte diese mit seinen feinen und detailfreudigen Stillleben mit Primeln und Gemüse. Upcycling im 18. Jahrhundert.
Kunstmuseum Basel: "Verso" bis 4. Januar 2026. www.kunstmuseumbasel.ch