Wissenschaft
Die Hummel ist dabei, aus dem Süden zu verschwinden
Vom Sterben der Bienen ist viel die Rede – doch den Hummeln geht es viel schlechter. Schuld daran ist unter anderem die verarmte Speisekarte durch die Eintönigkeit der modernen Landwirtschaft.
Sa, 8. Aug 2015, 0:00 Uhr
Bildung & Wissen
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Auch die niederländischen Tomatenzüchter möchten die Hummeln nicht missen. Schließlich nehmen die ihnen eine ungeliebte Arbeit ab: Bis Mitte der 1980er Jahre mussten sie ihre Pflanzen im Gewächshaus selbst per Hand bestäuben. 1985 stellte der belgische Veterinär Roland De Jonghe fest: Auch die Hummeln kennen den entscheidenden Trick. Tomaten setzen wie Paprika auf die sogenannte Vibrationsbestäubung. Bei leichten Erschütterungen fallen die Pollen auf die Narbe. Hummeln helfen dabei nach, indem sie sich an die Staubbeutel klammern und ihre Flugmuskeln arbeiten lassen, Honigbienen können das nicht. Heute werden deshalb allein in Europa eine Million Hummelvölker gezüchtet und in die Treibhäuser der Welt verkauft – auch Erdbeer-, Blaubeer- und Apfelproduzenten setzen oft auf die billigen Helfer.
Erwärmung nicht aus
Es ist nicht so, dass die Tiere nicht schon vorher Anlass zur Sorge geboten hätten. Es ist viel vom Bienensterben die Rede. Bei den Hummeln sei die Situation aber noch viel dramatischer, meint der Bienenforscher Jürgen Tautz vom Biozentrum der Universität Würzburg. "Bei manchen Arten geht es um alles oder nichts." Einige der weltweit bekannten 250 Arten – etwa 30 gibt es in Deutschland – seien inzwischen in weiten Landstrichen nicht mehr anzutreffen.
Die Gründe dafür sind überall ähnlich: Zunächst einmal wäre da die verarmte Speisekarte durch die Eintönigkeit der modernen Landwirtschaft. Der deutschen Waldhummel und der Veränderlichen Hummel fehlen zunehmend ihre Lieblingslieferanten für Pollen und Nektar wie Rotklee, Ackerbohne und Luzerne. Andere bedrohte Arten wie die Wiesen- oder die Ackerhummel vermissen ungemähte Weiden oder Mäuselöcher, Maulwurfshügel und Spalten auf ungepflügten Flächen, um dort ihre Nester zu bauen. "Weiter dramatisiert wird die Situation durch Parasiten und Krankheiten, denen die geschwächten Tieren leichter zum Opfer fallen", erklärt Tautz. "Und schließlich spielen auch Pestizide und andere Insektizide sicherlich eine Rolle", so Tautz. Gerade die Hummeln sind besonders sensibel. Als Wissenschaftler kürzlich das Genom der europäischen Erdhummel entschlüsselten, staunten sie, wie klein ihr Repertoire an Immungenen ist. Selbst die Fliege hat doppelt so viele wie die gestreiften Brummer. Auch die Erbgut-Abschnitte, die die Entgiftung des Körpers regeln, sind bei der Hummel knapp bemessen.
Zudem verlangt auch der eigene Lebensstil dem Tier einiges ab: Kaum aus dem Winterschlaf erwacht, muss sich die ausgehungerte Jungkönigin im Frühjahr ganz allein daran machen, ein Volk zu gründen. Sie sucht selbst einen Unterschlupf, bastelt aus Federn, Haaren oder anderem Dämmmaterial eine flauschige Kugel und brütet die ersten Untertanen aus. Nur eine von zehn Kandidatinnen bewältigt das erfolgreich. Mit höchstens 600 Mitgliedern ist ihr Volk mickrig im Vergleich zum 50 000-Bewohner-Staat der Honigbienen. Und dann lässt noch die Disziplin im Bau zu wünschen übrig: Wenn die Hummelherrscherin im Sommer die Eier legt, aus denen die Drohnen und die Jungköniginnen schlüpfen, beginnt auch manche Arbeiterin männlichen Nachwuchs zu zeugen – manchmal kostet diese Palastrevolte die Staatsgründerin sogar das Leben. "Evolutionsbiologisch gesehen wandelt die Hummel sehr an der Klippe; man möchte keine Hummel sein", sagt Paul Schmid-Hempel vom Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich, der das Hummelgenom mit entziffert hat. Um sich gegen den übermächtigen Konkurrenten Honigbiene zu behaupten, habe sich die Hummel spezialisiert, so der Forscher. Zum einen über den langen Rüssel, zum anderen über die Zeiten, zu denen sie sammelt: Hummeln sind schon früh im Jahr unterwegs, auch zur Morgen- und Abendzeit und sogar bei Regen. Bienen ist es dann zu kühl. Die Hummel dagegen friert selbst auf mehr als 5000 Metern Höhe nicht – mit 200 Flügelschlägen pro Sekunde erzeugt sie selbst Wärme. All das kostet aber Energie.
Für längere Hungerphasen ist die Hummel nicht gemacht. Auswanderern würden die Nahrungswüsten in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten deshalb schnell zum Verhängnis, meint der Agrarökologe Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Diese begrenzte Mobilität erklärt ihm zufolge die erschreckenden Ergebnisse der Science-Autoren. Dafür spricht auch, dass es selbst unter Hummeln Gewinner gibt. Die dunkle Erdhummel breitet sich in Südamerika aus. Sie hat ihr Spezialistentum in Teilen aufgegeben: Wenn sie den Nektar einer Pflanze auf herkömmlichem Wege nicht erreicht, knabbert sie sich einfach von unten zur Köstlichkeit durch.
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