Baden, du hast mich zur Schwäbin gemacht!
MEINE MEINUNG: Fudder-Autorin Johanna Wagner über Erfahrungen im ewigen Konflikt zwischen Badenern und Schwaben.
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Dann kam ich nach Freiburg und wurde eines Besseren belehrt. Ich saß zu Beginn des ersten Semesters mit netten Leuten aus Karlsruhe und Freiburg zusammen. Im Laufe des Abends (okay, nach ein paar Bier) nannte ich sie liebevoll "Badenser".
Das Ding war: Mir war nicht klar, dass "Badenser" ein Schimpfwort ist. Jeder meiner Bekannten nannte die Badener eben "Badenser" oder "Gelbfüßler". Durch meine Neigung, die Welt als Ort der Liebe anzusehen, kam ich nie auf die Idee, die Bedeutung des Wortes zu hinterfragen. Hätte ich aber tun sollen.
Das Wort "Badenser" war also gefallen. Während ich noch freundesuchend-fröhlich in die Runde grinste, schwiegen die anderen. Distanziert erklärten sie mir die Bedeutung des Wortes. Dann sagten sie, dass durch das Schwabentor einst ein Schwabe vertrieben wurde und sich die Geschichte wiederholen könnte. Die Jungs spannten den Bizeps an, die Mädchen schliffen ihre Fingernägel. Sie stellten Heugabeln und Fackeln parat. Ich hatte Angst.
Das restliche Semester verbrachte ich mit anderen Schwaben. Meist hatten wir uns in dunkle Ecken zurückgezogen und machten Kehrwoch’ oder aßen Käsespätzle. Ich war im Land des Feindes. Nach Sonnenuntergang blieb ich Zuhause.
Als ich mich – vom Übermut beflügelt – dann doch mal auf eine WG-Party begab, offenbarte ich (zugegeben, wieder nach ein paar Bier) meine wahre Identität als Schwäbin. Daraufhin flüsterte mir einer ins Ohr: "Was haben Schwaben und Äpfel gemeinsam? Beide sind am schönsten, wenn sie am Baum hängen!"
Ich ging nach Hause und weinte sehr, sehr lange. Das Problem war, dass ich niemals stolz darauf gewesen war, schwäbisch zu sein. Es war mir unangenehm, wenn Herr Maier aus Stuttgart mit seiner riesigen Wampe im Feinripp-Unterhemd "no ne Kwatro Formadschi und o'Halbe" bestellt hatte. Noch unangenehmer war es mir, wenn er sich am Ende des Essens über die Preise beschwerte. Sparsam war ich nie gewesen.
Ich informierte mich über die Wurzel des mir auferlegten Hass-Erbes. Nach monatelangen Recherchen fand ich heraus: Gründe für den Hass gibt es gar nicht. Man hasst sich eher aus Prinzip. Prinzipieller Hass ist bequemer Hass. Wenn ich aus Prinzip gehasst wurde, wollte ich dem Prinzip nun aber auch gerecht werden.
Und so bin ich schwäbisch geworden: Ich beschimpfe die Badenser jetzt zuerst, wenn ich sie treffe. Ich schüttele den Kopf, wenn sie wieder zu viel Geld ausgeben für Strom, Wasser und Essen. Sind sie im Sommer barfuß, weise ich sie auf den Gelbstich ihrer Füße hin. Dazu beweise ich ihnen nun ständig, dass ich fleißiger und ehrgeiziger bin als sie. Ich murmele "Schaffe, schaffe, Häusle baue", wenn ich die Bibliothek betrete und freue mich über schlechte Noten meiner badischen Kommilitonen wie über Nachzahlungen oder ein frisch gekehrtes Treppenhaus.
Esse ich mit meinen Feinden in der Mensa, werfe ich ihnen verachtungsvolle Blicke zu, wenn sie ihren Teller nicht leer essen. Ich murmele "lieber n' Moge verrängt, ols m Wirt was g'schenkt." Bin ich umgeben von Badenern, schreie ich meinen schwäbischen Freunden zu: "Pasch uf d'Dasch uf, die klauet hier älle!"
Und hier stehe ich also und bin knausrig und geizig, schaff' den ganzen Tag und kehre abends das Treppenhaus. Noch dazu spreche ich furchtbaren Dialekt, der mir jedes Date versaut. Danke Baden, danke Hass. Das Leben macht so gar keinen Spaß mehr.
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