Auf Stimmenfang am Baggersee
2,6 Millionen Erstwähler sind für die Wahl am 18. September eingetragen / "Jugendwahlkampf" in Szenetreffs und Internet.
JuZ-Mitarbeiter Fabian Vögtle (18 Jahre)
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"Was ich wähle ist doch egal, die machen sowieso alle das Gleiche." So hören sich oft die Statements von ErstwählerInnen zur Bundestagswahl am 18. September an. Null Bock auf Wahlen und Wählen scheint von Kiel bis Konstanz unter Jugendlichen Trend zu sein. Gehen die Parteien zu wenig auf die Jungwähler zu? Das wäre ein Fehler: Immerhin schreiten am Wahltag rund 2,6 Millionen 18- bis 21-Jährige zum ersten Mal zur Wahlurne. Und dass diese meist in Schulen aufgebaut sind, dürfte nur geringfügig abschreckende Wirkung auf die Jungwähler haben.
Und die gibt es durchaus: Kampagnen und Initiativen der Parteien, um den jungen Wählern die anstehende Wahl schmackhaft zu machen und sie für ihre Politik zu begeistern. Nicht alle diese Bemühungen werden auch überall von den jungen Wählern registriert. Und nicht alle finden auch überall statt. Möglicherweise ist beispielsweise Freiburg ganz einfach schon wieder zu groß für den "Jugendwahlkampf". Die meisten Erstwähler hat zumindest "Die Zeit" in den sehr kleinen Städten und Gemeinden Deutschlands ausgemacht.
Das haben offenbar die Grünen schon längst im Kalkül. Laut Malte Spitz, Geschäftsführer der "Grünen Jugend", wird es in diesen letzten Wochen vor der Wahl bundesweit rund 150 Veranstaltungen für junge Wähler geben – und zwar in Städten mit 5 000 bis 100 000 Einwohnern. Dabei breiten sich die Wahlkampfteams weder auf dem Rathausplatz der jeweiligen Stadt aus, noch sammeln sie sich vor der Kirche.
Für Malte Spitz ist es ein ganz wichtiges Vorhaben, "die Leute direkt vor Ort anzusprechen". Also an Orten, an denen Jugendliche zur Sommerzeit auch wirklich anzutreffen sind. "Wir bauen unsere Pavillons und Infotische in Freibädern, Parks und an Baggerseen auf, um so direkt mit der Jugend ins Gespräch zu kommen", erklärt Malte Spitz das Konzept der Grünen in Sachen Jugendwahlkampf. Und auch im Internet hat sich die Partei mit dem Sonnenblumen-Logo was ausgedacht. Bei einem MMS-Wettbewerb kann man sagen, was man von "grün" hält – und bei einer spritzigen Antwort darauf – sogar gewinnmäßig vom Wahlkampf profitieren.
So was hat die "Linke.PDS" nicht vorgesehen. Zwar findet man auf der Homepage der PDS-Jugend den wenig prickelnden Slogan: "18.9.05 – BT-Wahlen – PDS wählen – und danach auf die Wahlparty gehen." Ob aber das alleine einen Erstwähler anspricht? Nach mehr Ansprache jedenfalls sucht man auf dieser Website vergeblich. Gibt’s bei der Linkspartei überhaupt ein Angebot für Jungwähler in diesem Wahlkampf? Die Pressestelle der Partei gibt prompt eine Antwort: "Wir machen keinen eigenen Jugendwahlkampf wie im Jahr 2002." Warum? "Das ist eine Frage der Zeit und des Geldes", heißt es. Das einzige, was die Linken aktuell zu bieten haben, sind Kino- und Fernsehspots.
Einen so genannten "Image-Spot" zeigen auch die Jungen Liberalen (JuLis) auf ihrer Website. Der Spot beschäftigt sich mit den dringendsten Problemen, die junge Menschen haben und steht im Zusammenhang mit der Werbekampagne "Fast Forward". Der Claim steht für die drei Hauptthemen Arbeitsplätze, Toleranz, Abschaffung der Wehrpflicht. "Außer dem Imagespot und unserer Werbekampagne geht ein Promotion-Team auf Straßenwahlkampf in ganz Deutschland", erläutert Moritz Kracht das Wahlwerbekonzept von der Jugendorganisation der FDP: "Wir bieten auch Nicht-Internet-Aktionen an."
Auch die Jungsozialisten (Jusos), bei der SPD für die Erstwähler zuständig, gehen im Wahlkampf mehrgleisig vor. "Neben der traditionellen Post, die über SPD-Wahlinhalte informiert, gibt es eine neue Homepage mit Infos zum Wahlrecht", beschreibt Tanja Hofmann, Geschäftsführerin der Jusos, einen Teil des SPD-Angebots. Auch online trifft man auf diverse Initiativen. Zum Beispiel die vom Juso-Kreisverband Rastatt/Baden-Baden in Anlehnung an die BILD-Schlagzeile "Wir sind Papst". "Auf der Homepage http://www.wir-sind-kanzler.de haben schon an die 200 junge Leute ihre Unterstützung für Gerhard Schröder zum Ausdruck gebracht", erzählt Hofmann. Das dürfte allerdings für einen Wahlsieg kaum reichen. Ähnlich wie bei den Grünen spielt sich das restliche SPD-Jungwähler-Programm ab. So organisiert der Landesverband Baden-Würtemberg bis zum 18. September über 80 verschiedene Sommeraktionen. Auch hier geht’s an Baggerseen, auf Sommerfeste, in Szenetreffs und in Jugendcafés.
Obwohl für die Wahlkampfmanager der CDU/CSU in erster Linie die Wähler ab 60 aufwärts interessant sind, will die Union im "Jugendwahlkampf" nicht außen vor bleiben. Immerhin hatte bei der Bundestagswahl 2002 die SPD mit 39 Prozent bei den Erstwählern vor der CDU mit 32 Prozent gelegen. Und Umfragen belegen immer wieder, dass die SPD – mit den Grünen – die Partei der Erst- und Jungwähler ist. Da also ist Einsatz gefragt.
Als erstes versucht die Union – wie alle anderen Parteien auch – die Erstwähler überhaupt dazu zu bewegen, an der Wahl teilzunehmen. Und dann werden natürlich auch hier Flyer und Handouts verteilt, die das CDU-Wahlprogramm griffig und möglichst ansehnlich rüberbringen.
um meine Familienplanung
kümmern. Und Angela
ist dafür meine Frau."
Ein junger Merkel-Fan aus Bottrop
Und nicht nur das: Auf der CDU-Seite sind gut zu finden die Links, die den Surfer auf die Seiten der Jungen Union (JU) führen. Die ist mit 130 000 Mitgliedern immerhin die größte politische Nachwuchsorganisation Europas – und überrascht online beispielsweise mit der Kampagne "Black is beautiful". Da posieren junge Models mit schicken, schwarzen Shirts für die Erst- und Jungwähler im Internet und in diversen Zeitschriften.
Die Parteien setzen eben deutlich auf Farben und Symbole, auf Slogans und Logos. Es geht ums Image. Und dafür haben sich auch christdemokratische Studenten aus Niedersachsen was einfallen lassen: Unter http://www.studenten-fuer-merkel.de können sich Merkel-Fans mit einem Kommentar samt Zugabe eines digitalen Fotos verewigen. Und tatsächlich: Die Unterstützer-Initiative läuft. Ein junger Mann aus Bottrop etwa vermeldet: "Ich schließe mein Studium gut ab, bekomme einen guten Job, und kann mich dann endlich um meine Familienplanung kümmern. Mit Schröder nicht zu machen, aber Angela ist dafür meine Frau." Huch? Angela für die nach-studentische Familienplanung? Vielleicht nicht jeden Jungwählers erste Wahl. Aber ganz unabhängig davon und auch unabhängig vom – erstaunlich lauen – Jugendwahlkampf-Getue der Parteien: Wer darf, sollte unbedingt. Wählen nämlich. Denn: auch jede junge Stimme zählt – nicht nur fürs Image der Parteien.
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