Fußball-Weltverband

Ein Besuch im Fifa World Football Museum in Zürich

Mit einer Portion Skepsis steht man in der Schlange vor dem Eingang des Fifa World Football Museum. Die düstere sportpolitische Großwetterlage rund um den Fußball-Weltverband macht nachdenklich.  

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Ohne Schweiß und Rasen, dafür hochtech...: Das Fußballmuseum der Fifa in Zürich  | Foto: dpa
Ohne Schweiß und Rasen, dafür hochtechnisiert: Das Fußballmuseum der Fifa in Zürich Foto: dpa
Sind die stolzen Eintrittspreise berechtigt? Keine Woche vergeht schließlich ohne eine Skandalmeldung – ob jüngst die Vorwürfe der ungerechtfertigten Bereicherungen in Millionenhöhe von Ex-Fifa-Chef Joseph Blatter und einiger seiner engsten Mitarbeiter, oder der Rücktritt von Juan Pedro Damianis, Mitglied des Fifa-Ethikrates, der bei seinen privaten Geschäften womöglich ganz eigene ethisch Maßstäbe anlegte. Auch der neue Präsident Gianni Infantino, Hoffnungsträger für eine saubere Ära, hat die ersten 100 Tage seiner Amtszeit nicht unbeschadet überstanden. Die Panama Papers zwingen ihn, zu einem umstrittenen TV-Deal während seiner Wirkungszeit bei der Uefa Stellung zu beziehen. All das soll man auch noch alimentieren?

Aber vor allem die Kinder drängen. Die düstere Sportpolitik ist weit weg deren begeisterten Herzen. Also geht’s doch durch die Pforte. Auf der Eingangsebene "Planet Football" gibt es eigentlich nur zwei Ausstellungsstücke: die "Chronik", eine graue Wand mit der Geschichte des Weltfußballs seit der Gründung der Fifa, und – Favorit des neuen Präsidenten Infantino – der "Rainbow", eine runde Glasvitrine mit circa zwölf Metern Durchmesser, in der die Trikots aller Mitgliederverbände als bunter Farbverlauf eines Regenbogens aufgefächert sind. Hier taucht man in wenigen Augenblicken ganz in die magische Welt des Fußballs ein. Skeptischen Gedanken verfliegen – zumindest für den Augenblick. Übergroße Filmsequenzen von kickenden Kindern in Afrika auf wandhohen Leinwänden wechseln sich mit Spielszenen aus Stadien und von Trainingsplätzen irgendwo auf dem Planeten ab. Dezent dazu im Hintergrund die Geräusche – Sprechen, Kinderlachen, Vogelgezwitscher, Stadionjubel, sphärische Klänge.

Eine Meisterleistung ist das in Sachen multimedialer Inszenierung. Aber man trifft auch auf nachdenkliche Besucher, die Puristen. Sie schreckt gerade das Monumentale und die Inszenierung ab, weil sich darin das Negative der Fifa widerspiegelt. Eine Geräuschwolke begleitet weiter über eine tunnelartige Treppe in das Untergeschoß. Gleich neben einer Spiegelgalerie mit historischen Dokumenten zur Fifa-Gründung steht das Allerheiligste: der Fifa-WM-Pokal – Publikumsmagnet schlechthin. Ihm gegenüber der WM-Pokal der Frauen. Jeder Besucher verweilt hier. Viele schießen ein Selfie von sich und dem Pokal. Selbst den Puristen treibt es jetzt ein Leuchten in die Augen. Andächtig ist die Atmosphäre.

Kontrastiert wird sie von verschiedenen Aktivitäten drum herum: In einer Moderatorenbox kann man sich als Live-Kommentator versuchen, an einem Touchscreen sein Schiedsrichtertalent unter Beweis stellen und beim Soccer Dance mit Ronaldinho tanzen. Information zu den WM-Spielen und allerlei Andenken geben dem bunten Treiben einen Rahmen mit Inhalt und Originalität. Weiter hinten erwarten den Besucher dann in einer Curva Norda "Das Finale" – den Film im angrenzenden Kino.

Man misst sich mit

dem virtuellen Avatar

Rund fünf Minuten dauert das Potpourri aus Spielszenen, seitdem Fußball überhaupt gefilmt wird. Schnell sind die Sequenzen geschnitten, filmtechnisch gut gemacht. Trotzdem wünscht man sich hier weniger Tempo, vielleicht eine Wiederholung, gern auch in Zeitlupe, um die besten Augenblicke länger zu genießen. Zudem erweist sich das Kino als umständlicher Flaschenhals auf dem Museumsspaziergang, durch den jeder durchgehen muss – auch wenn man den Film vielleicht gar nicht sehen möchte.

Im Normalfall fährt der Besucher nach dem Film direkt aus dem Kino in einem monumentalen gläsernen Aufzug in die erste Etage. Dabei wird man als Schatten selbst kurz Teil der multimedialen Inszenierung: wenn der Besucher an den Tausenden Leuchtdioden eines Riesenbildschirms vorbeifährt. Oben auf der Etage der Spiele wird es licht und hell. Der grüne Tartanboden mit Spielfeldmarkierungen ahmt ein Fußballfeld nach.

Der ein oder andere Besucher streckt sich auf einem XXL-Sitzkissen aus, verschickt "sein" Pokalbild oder stöbert in einem Buch aus der Bibliothek. Gleich daneben darf dann auch noch Fußball gespielt werden. Ob Freistoß, Eckball oder Dribbling – als virtueller Avatar eines Fußballstars kann man seine Fußballfähigkeiten testen.

Etwas Erdung bringen da Video-Portraits von Normalsterblichen, die einfach aus Freude kicken, in deren Leben das einfache Spiel einen besonderen Stellenwert hat, zum Beispiel beim afrikanischen Blindenfußballer Wonti oder Andrew Hicks, der in der kleinsten Liga der Welt aktiv ist, der der Scilly-Islands.

Der Fan ist inzwischen vollends begeistert. Längst hat er die Selfies von den Spielstationen mit seinen Scores an Freunde verschickt. Und der Purist? Klar ist das Zusammenspiel aus Symbolik, Aktivität und multimedialer Berieselung exzellent gemacht. Hier wurde finanziell offensichtlich mit der großen Kelle angerührt. Aber ist es das, worum es im Fußball geht? Es gibt schon Besucher, denen bei all der Technik die Nahbarkeit abhanden gekommen ist. Zu glatt ist in vielen Fällen die glänzende Oberfläche. Das Archaische und Ursprüngliche beim Spiel – Schweiß, Freude und Tränen –, das kommt nicht zum Ausdruck. In dieser reinen Der-Gewinner-bekommt-alles-Atmosphäre vermisst der kritische Betrachter die ernsthafte Auseinandersetzung mit den Schattenthemen des Weltsports. Und dazu gehört auch die Aufarbeitung der jüngsten Fifa-Geschichte.

Dafür braucht es nach Meinung von Stefan Jost, dem Managing Direktor des Museums, noch "etwas historische Distanz". Zumal die Untersuchungen noch nicht beendet sind. Aber einen Platz soll die Fifa-Krise und andere kritische Themen im Museum finden. Auch das Transfersystem und den Reformprozess wollen die Macher aufgreifen. Scheu hätte man davor nicht, und ungefiltertes Sprachrohr der Fifa sei man auch nicht. Aber der pompöse Bau sei auch kein Korruptionsmuseum, im Zentrum stehe immer noch der Fußball selbst. Man werde sehen, was daraus wird.

Auf dem Heimweg kommt einem ein Zitat von Hermann Hesse in den Sinn: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Auch das Fifa-Museum hat trotz mancher technischer Mängel einen gewissen Zauber, der die anfängliche Skepsis für gut zwei Stunden vergessen lässt. Bleibt zu hoffen, dass Stefan Jost und seine Mannschaft diese Magie in Zukunft sinnvoll zu nutzen wissen.

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