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Der kollektive Größenwahn hat uns schon seit längerem gepackt. Abitur bedeutet eben nicht nur Lernstress, Notenpunkte und Prüfungen; Abi ist vor allem eins: Kult pur. Ein Jahr lang waren wir die Könige der Welt, oder zumindest die Grafen der Schule. Durften uns reif fühlen und alt, erfahren, abgebrüht und seeehr besonders. Die Überzeugung, nicht nur den jüngeren Schülern überlegen zu sein, sondern vor allem den uns vorausgegangenen Jahrgängen, war das erhebende Element unserer Stufenidentität. Abi Nulldrei ist kreativer, einzigartiger und abgedrehter als alles zuvor Dagewesene. Mit dem Heißluftballon in den Schulhof fliegen? Den Schulleiter vom zweiten Stock in ein riesiges Planschbecken springen lassen? Abi Nulldrei wird DEN Event-Abischerz bringen. Unvergesslich für den Rest der Schule. Wir setzen Maßstäbe. Über uns wird noch in zehn Jahren geredet. Aber nun scheint uns eine große Müdigkeit übermannt zu haben. Die Puste geht kurz vor dem Endspurt aus. Genauso wenig, wie wir schon an Fasnacht für die Matheprüfung zu lernen begonnen haben (Ja, man hatte das mal vor!), konnten wir unsere genialen, abikultigen Ideen plangetreu umsetzen. So verzögert sich unsere Unsterblichkeit. Das Denkmal, das wir der eher unscheinbaren Zahlenkombination Zwei-Null-Null-Drei setzen wollten, erfährt einen Baustopp. Nicht, dass wir darüber übermäßig traurig wären. Dazu haben wir keine Zeit. Denn jetzt, zweieinhalb Wochen vor Beginn des Schriftlichen, sind wir zu punktegeilen Notenhuren geworden. Jedes notendurchschnittshebende Element, jeder zusätzliche Punkt versetzt uns in Ekstase. Und der Kult um unseren Status weicht der Erkenntnis, dass wir vielleicht etwas mehr für Mathe hätten machen sollen (Wie geht noch mal das Vorzeichenwechselkriterium?!). Jetzt wird's ernst und keiner hat mehr Lust, einen Heißluftballon oder ein Riesenplanschbecken zu organisieren. Der Direktor wollte ja sowieso nicht springen.
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