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Grünes Band

An der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, dem "Todesstreifen", können Wanderer und Radler die Natur erkunden

  • Andreas Drouve (dpa)

  • So, 23. Juni 2024, 10:00 Uhr
    Reise

     

Über die Vergangenheit ist Gras gewachsen: Dort, wo einst die deutsch-deutsche Grenze verlief, lockt heute das "Grüne Band" Ausflügler in die Natur, Wanderer wie Radler. Etwa im Frankenwald.

Am Grenzzaun von Mödlareuth: Das einst geteilte Dorf nannte man «Klein Berlin».  | Foto: Andreas Drouve (dpa)
Am Grenzzaun von Mödlareuth: Das einst geteilte Dorf nannte man «Klein Berlin». Foto: Andreas Drouve (dpa)

Hier also war es. Hier krachte der selbstgebaute Heißluftballon in einer mondhellen Septembernacht 1979 ins Gesträuch, nachdem hoch in der Luft das Gas ausgegangen war. An Bord waren zwei Familien aus der DDR, gesteuert von der Sehnsucht nach Freiheit. "Wir wussten ja gar nichts über Ballonfahren", sagt der damalige Flüchtling Günter Wetzel. Im oberfränkischen Dreigrün, unweit von Naila, ist der 69-Jährige an jene Stelle zurückgekehrt, die eine Litfaßsäule mit Infos zur weltbekannten Ballonflucht markiert. Auf die Frage, ob sich seine Träume in der neuen Heimat erfüllten, fragt er nüchtern zurück: "Was heißt Träume? Das wird." So dachte Wetzel, der auf Kfz-Mechaniker umschulte, seinerzeit.

Dort, wo vor Jahrzehnten der Todesstreifen an der deutsch-deutschen Grenze verlief, lockt zwischen dem sächsisch-bayerischen Vogtland und der Ostsee nun das "Grüne Band" Ausflügler an: ein Miteinander aus Wäldern, Moor-, Fluss-, Heide- und Mittelgebirgslandschaften. Höchster Punkt ist der Brocken. Wanderjournalist Thorsten Hoyer ist den größten Teil des langen Grünstreifens abmarschiert: 1250 Kilometer in dreieinhalb Wochen. Das empfiehlt der 55-Jährige allerdings nicht zur Nachahmung: "Es geht zu 70 Prozent über Beton und Asphalt." Die Natur hat sich das Terrain zurückerobert, aber nicht komplett.

Wer über den Kolonnenweg radelt, muss höllisch aufpassen

Der Verlauf lehnt sich an den Kolonnenweg auf der Ostseite an, wo die DDR-Grenzer über Lochplatten patrouillierten. Heute wuchert im witterungsbeständig angelegten Weg allerorten Grünzeug. Ausbaufähig dagegen ist die touristische Infrastruktur. So mangelt es an durchgehender Beschilderung.

Ausblick von der Thüringer Warte: Der ...stischer Thron über dem «Grünen Band».  | Foto: Andreas Drouve (dpa)
Ausblick von der Thüringer Warte: Der Aussichtsturm auf dem Gipfel des Ratzenbergs ist ein fantastischer Thron über dem «Grünen Band». Foto: Andreas Drouve (dpa)

Empfehlenswert für Radlerinnen oder Wanderer sind daher punktuelle Entdeckungen – so wie im Frankenwald. Dort, wo sich Bayern und Thüringen treffen. Die Saale, damals Grenzfluss, strömt gemächlich dahin und staut sich bei Hirschberg zu einer glatten Fläche auf. Bäume und Büsche nehmen ihre Spiegelbäder. Kanuten rauschen über ein Wehr. Wer über den Kolonnenweg radelt, muss höllisch aufpassen bei den breiten Vertiefungen im Beton.

Auf einem Forstpfad und dem Sträßchen nach Mödlareuth entspannt sich die Lage. "Klein Berlin" nannten die Amerikaner das Dorf. Mödlareuth war geteilt, durchzogen von einer Mauer. Das dortige deutsch-deutsche Museum versteht sich als Gedenkstätte zur deutschen Teilung. Ein Mauerstück, Wachtürme und Stacheldrahtzäune erinnern an die schmerzliche Geschichte.

Britt Hornig, die das Museumsgelände gerade durchstreift, ist tief berührt und aufgewühlt. Die 55-Jährige aus Eilenburg in Sachsen, die damals als Kinderkrankenschwester arbeitete, sagt: "So etwas darf es nicht wieder geben."

Ein fantastischer Thron über dem "Grünen Band"

Frankenwald-Steigla – so heißt ein Netzwerk aus Rundwanderwegen im Frankenwald, von denen drei die deutsch-deutsche Vergangenheit veranschaulichen. Der Wetzsteinmacher-Weg, 5,3 Kilometer lang und mit Start unterhalb der Burg Lauenstein, führt hinauf zur Thüringer Warte. Der Aussichtsturm auf dem Gipfel des Ratzenbergs ist ein fantastischer Thron über dem "Grünen Band". Nach 117 Stufen schweift der Blicke über die Wälder des thüringisch-fränkischen Schiefergebirges.

Weitere Steigla sind der anspruchsvolle Grenzer-Weg – 16,8 Kilometer ab Carlsgrün – und der moderate, kürzlich eingeweihte Zehn-Kilometer-Trail Grünes Band, der in Mitwitz beginnt. Unterwegs plätschert ein Bachlauf, hallen Kuckucksrufe durch den Wald. Tannenmeisen zwitschern. Tautropfen liegen wie funkelnde Perlen auf Grashalmen. Libellen tanzen in der Sonne. Eine friedliche Stimmung. So, als wäre nie etwas gewesen.

Das Grüne Band im Frankenwald

Anreise: Von Freiburg nach Hirschberg fährt man mit dem Auto rund fünfeinhalb Stunden. Von Hirschberg nach Mödlareuth sind es rund fünf, nach Naila 14 Kilometer. Mitwitz liegt eine Autostunde von Hirschberg entfernt.Wandern: Infos zu den erwähnten Wanderwegen sowie dortigen Gaststätten und Unterkünften finden sich unter www.frankenwald-tourismus.deMuseum: Mehr über das "Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth – Gedenkstätte zur deutschen Teilung" unter www.moedlareuth.deInfos zum "Grünen Band" beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) unter www.bund.net/gruenes-band


dpa
Radtour in die Geschichte: Angekommen ...eutsch-Deutschen Museums in Mödlareuth  | Foto: Andreas Drouve (dpa)
Radtour in die Geschichte: Angekommen am Außengelände des Deutsch-Deutschen Museums in Mödlareuth Foto: Andreas Drouve (dpa)

Ressort: Reise

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