Amerika, Allianzen und Alternativen
JUZ-INTERVIEW mit dem UNO-Experten Andreas Zumach über die UNO, den Irak-Krieg und transatlantische Interessenslagen.
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Wie viel Frieden ist im Irak? Messen lässt sich das nicht, höchstens mutmaßen - und die Mutmaßungen angereichert mit Berichten von vor Ort lassen nichts Gutes ahnen. Vor wenigen Wochen noch stand der Irak im Mittelpunkt des Medieninteresses. Allmählich lässt das nach. Für die JuZ sprach Dominic Fritz mit dem Journalisten und UNO-Experten Andreas Zumach über Frieden, Krieg und Zukunft.
Andreas Zumach: Die amerikanische Besatzungspolitik funktioniert überhaupt nicht. Es ist völlig offen ob und in welchem Zeitraum eine zumindest oberflächliche Sicherheit im Irak erreicht werden kann, -- von einem Frieden ganz zu schweigen. Die USA und Großbritannien haben den großen Fehler gemacht, als Besatzungsmächte im Land zu bleiben, anstatt diese Sicherungsaufgaben einer UNO-Truppe zu überlassen. Es ist klar, dass denjenigen, die den Krieg geführt haben, Widerstand aus der Bevölkerung entgegengebracht wird. Und wenn die USA und Großbritannien im Irak bleiben und wenn den Irakern nicht sehr schnell substanzielle Mitspracherechte gegeben werden, werden Protest und Gewalt eher noch zunehmen.
JuZ: Ist es für die Glaubwürdigkeit der USA wichtig, dass Massenvernichtungswaffen gefunden werden?
Zumach: O ja, denn dieser Krieg wurde begründet mit deren Existenz und Neurüstung und der davon ausgehenden unmittelbaren Bedrohung. Nach allem was wir jetzt wissen, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Regierungen Bush und Blair die Welt in diesem Punkt nach Strich und Faden belogen haben. Die Enttäuschung, die da stattgefunden hat, geht bis weit ins konservative Spektrum.
JuZ: Welche Folgen hat das?
Zumach: Das hängt davon ab, ob nun endlich eine ehrliche und tabufreie Debatte über das transatlantische Verhältnis beginnt. Zum Beispiel auch darüber, dass es schon seit gut 25 Jahren ein Auseinanderbewegen und Interessensgegensätze gibt. Aus der Ölkrise in den 70ern beispielsweise wurden diesseits und jenseits des Atlantiks völlig unterschiedliche Schlüsse gezogen. Für die USA war die Konsequenz, sich Mittel zur Sicherung der Öl-Ressourcen zu schaffen - vor allem militärische und geopolitische - und in Europa fing das Umweltdenken an, das Energiespardenken, das Denken in Alternativen. Diese Gegensätze müssen offen diskutiert werden, nur dann könnte es eine Chance geben, dass EU-Europa einigermaßen selbstbewusst eine eigenständige Politik macht.
JuZ: Mit welchen Inhalten?
Zumach: Erstens müssen wir darauf beharren, dass künftig alles nach gemeinsamen Regeln - sprich Völkerrecht - passiert. Zweitens muss Europa darauf bestehen, dass nicht-militärische Maßnahmen Vorrang haben, auch bei der Terrorbekämpfung. Drittens muss Europa vor allem auf die Überwindung der Ursachen des Terrorismus setzen. Viertens muss Europa und vor allem Deutschland viel stärker als bisher dem Konflikt- und Kriegsgrund "Energie" - den fossilen Brennstoffen Öl und Gas - Alternativen entgegensetzen. Fünftens muss Europa in den global wichtigen Fragen in der UNO-Generalversammlung strategische Allianzen bilden mit den Ländern, die auch Interesse an einer starken, handlungsfähigen UNO haben.
Diese Allianzen sollten ihre Beschlüsse umsetzen, selbst wenn die USA offen dagegen sind. Erst wenn das geschieht, werden sich die politischen Machtverhältnisse verändern. Die heute so dominant erscheinenden USA werden erst dann weniger mächtig sein. Das wäre die Chance für strukturelle Reformen im UNO-System. Umgekehrt funktioniert das nicht, denn die UNO ist kein eigenständiges Subjekt. Es ist banal, aber hinter jeder UNO-Entscheidung stecken handfeste nationalstaatliche Interessen.
"Für die USA war die Konsequenz aus der Ölkrise, sich Zugang zu den Öl-Ressourcen zu sichern - in Europa begann das Umweltdenken." Andreas Zumach, Journalist
JuZ: Nationale Interessen bestimmten auch das Handeln des Sicherheitsrats im Irakkonflikt. Ist die UNO gescheitert?
Zumach: Das greift zu kurz. Immerhin hat der Sicherheitsrat vier Monate lang den USA nicht nachgegeben, eine Kriegsresolution zu verabschieden, trotz massiven Drucks, Erpressung und Nötigung gegen kleine und schwache Mitglieder des Rates. Das ist zunächst mal ein Sieg der UNO und ihres Sicherheitsrates über das mächtigste Mitglied USA.
JuZ: Aber auch der Widerstand gegen die USA war nicht interessenfrei. Welche Interessen hatten die Antikriegsnationen?
Zumach: Schröder hat im August 2002 aus nacktem Opportunismus die Antikriegsposition bezogen. Der Mann hat gezockt - sehr unseriös bei einem so sensiblen Thema. Trotzdem haben über Monate gut 80 Prozent der Bevölkerung dieses Nein zum Krieg für richtig gehalten und es wird nicht dadurch falsch, dass Schröder und Fischer opportunistisch gehandelt haben. Hier sind übrigens die Wirtschaftsinteressen längst nicht so relevant wie etwa in Frankreich und Russland, die in mehrfacher Milliardenhöhe Ölverträge mit dem Saddam-Regime abgeschlossen haben für die Zeit nach Aufhebung der Sanktionen. Aber Frankreich hat seine Position zu Recht - anders als die Bundesregierung - auch mit grundsätzlichen völkerrechtlichen Argumenten begründet. Die spielten auch für Russland eine wichtige Rolle - und die Sorge, dass die USA unipolar die Welt dominieren. Es gab nie eine Achse Paris-Berlin-Moskau: Es gab ein befristetes Zweckbündnis von drei Partnern mit zum Teil unterschiedlichen Interessen.
JuZ: Die Friedensbewegung war doch auch ein Zweckbündnis - man wusste, wogegen, aber nicht, wofür man ist . . .
Zumach: Dieses Gegensatzpaar ist nicht überzeugend; gegen einen Krieg zu sein ist zunächst mal eine ausreichende Position. Man muss nicht zugleich auch für etwas sein, auch wenn der Umkehrschluss ist, dass man für Frieden ist. Nur: das hat nicht gereicht. Die Friedensbewegungen und die kriegskritischen Regierungen haben sich zu wenig um die Fragen gekümmert, die dann von Bush und Blair zur Rechtfertigung des Krieges missbraucht wurden - wie die Demokratisierung des Irak, Überwindung der Diktatur, Durchsetzung der Menschenrechte. Es hätte durchaus völkerrechtskonforme und UNO-kompatible Wege gegeben, diese Ziele anzusteuern - zum Beispiel eine UNO-Resolution. Da man aber diese Themen in der öffentlichen Diskussion nicht besetzt hat, hat man sie Bush und Blair überlassen. Und das hat seine Wirkung gehabt - innenpolitisch in den USA vor allem, wo die Mehrheit der Menschen heute vom Ergebnis her denkt und sich sagt, aha, der Diktator ist weg und die schweren Menschenrechtsverletzungen gibt's auch nicht mehr, also war der Krieg völlig gerechtfertigt.
JuZ: Was wäre denn eine zukünftige Aufgabe für die Friedensbewegung?
Zumach: Sie sollte eine Bewertung des Irakkrieges als Völkerrechtsverstoß - am besten in Form einer Resolution der UNO-Generalversammlung - fordern, denn es muss verhindert werden, dass das, was geschehen ist, zum Präzedenzfall wird - nicht nur für die USA, sondern auch für andere Staaten. In Indien etwa wird jetzt debattiert, nach amerikanisch-britischem Muster einen Präventivkrieg gegen Pakistan zu führen, mit der Begründung, dass Pakistan Terroristen im Kaschmir unterstützt. Wenn das passiert, wird das nun schon beschädigte Völkerrecht völlig zerstört.
Im übrigen sollte sich die Friedensbewegung verstärkt gegen die Militarisierung der europäischen Außenpolitik engagieren. Es ist ein kostspieliger Irrglaube, dass die EU außenpolitisch nur dann erfolgreich und auch unabhängig von den USA sei, wenn sie sich gemeinsame starke militärische Instrumente zulegt.
JuZ: Können Sie persönlich eigentlich Hoffnung, gar Optimismus verbreiten?
Zumach: Das fällt mir schwer. Denn das, was ich eben als notwendig beschrieben habe, passiert gerade nicht. Die ehemals kriegskritischen Regierungen, auch unsere, sind einem fürchterlichen Vasallentum gegenüber Washington verfallen, in der Hoffnung, dass dieses liebedienerische Verhalten die beschädigten Beziehungen repariert. Das Gegenteil ist der Fall. Washington versucht, immer mehr Zugeständnisse von den "reuigen Sündern" für ihre einst kriegskritischen Positionen herauszuholen - kein Grund für Optimismus, also. Aber: es haben sich in der Zeit vor dem Krieg stärker als je zuvor seit den 80er Jahren auch jüngere Leute in Deutschland, Europa und der Welt für diese Themen engagiert. Das macht Hoffnung und ich bin sicher, dass das nicht verschwindet, nur weil dieser Krieg nicht verhindert werden konnte.
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