Zischup-Interview
Alzheimer: Kann man das Vergessen stoppen?
Marlo Neske aus der Klasse 8 e des Kepler-Gymnasium Freiburg interviewte Peter Neske. Er ist Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens und kehrte im Sommer von einem großen Alzheimer Kongress zurück.
Marlo Neske, Klasse 8 e & Kepler-Gymnasium Freiburg
Do, 8. Dez 2011, 13:58 Uhr
Schülertexte
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Zischup: Was ist Alzheimer?
Peter Neske: Alzheimer ist die bekannteste Form der Demenzen, einer neurodegenerativen Erkrankung. Der sogenannte Morbus Alzheimer ist nach dem Münchner Psychiater Alois Alzheimer benannt. Er hatte diese Erkrankung Anfang des 20. Jahrhundert bei einer seiner Patientinnen, Auguste D., erstmals wissenschaftlich beschrieben.
Zischup: Wie entsteht Alzheimer?
Neske: Genau weiß man es bis heute nicht, aber man vermutet, dass Gehirnzellen durch verschiedene Prozesse, wie zum Beispiel durch Eiweißablagerungen ihre Funktionalität verlieren. In der Wissenschaft wird auch diskutiert, ob diese Erkrankung erblich begründet sein kann. So kümmert sich zum Beispiel ein ganzes Forschungsteam an der Universitätsklinik Tübingen mit Unterstützung der Hertiestiftung darum, herauszufinden, ob es in Familien ein bestimmtes Gen gibt, welches schon in frühen Jahren auf die Erkrankung Alzheimer hinweist.
Zischup: Wie viele Menschen sind weltweit und in Deutschland von Alzheimer betroffen?
Neske: Weltweit schätzt man etwa 24 Millionen Demenzerkrankungen. In Deutschland etwa 1,3 Millionen. Die vereinten Nationen schätzen, dass bis zum Jahr 2050 weltweit circa 106 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt sein könnten. Das große Problem von Alzheimer ist, dass in den westlichen Industrieländern immer mehr Menschen immer älter werden, beziehungsweise in den Entwicklungsländern die Menschen überhaupt erst einmal so alt werden. Die Häufigkeit der Erkrankung steht in enger Verbindung mit dem Lebensalter: Das heißt, je älter ein Mensch wird, umso größer ist die Gefahr wie auch die Wahrscheinlichkeit, dass er eine Demenz entwickelt, beziehungsweise an Alzheimer erkrankt.
Zischup: In welchen Altersgruppen tritt Alzheimer besonders oft auf?
Neske: Vor allem ältere Menschen über 65 Jahre können an dieser Erkrankung leiden. Man glaubt zu wissen, dass je länger ein Mensch gedanklich (kognitiv), sozial (sinnhafte Beschäftigung) und körperlich (zum Beispiel: Autofahren) gefordert wird, desto später die Erkrankung ausbricht.
Zischup: Was passiert bei Alzheimer im Körper des Betroffenen?
Neske: Wichtig ist zu verstehen, dass eigentlich einzig das Gehirn des Erkrankten betroffen ist. Deswegen leben viele an Alzheimer Erkrankte noch über Jahre in ihrer eigenen Welt in Pflegeheimen. Auffällige Symptome sind Vergesslichkeit, nicht Erkennen von Mitmenschen, sogar Ehepartner und Familienmitglieder sowie Aggressivität.
Zischup: Was sind die Folgen von Alzheimer?
Neske: Einfach ausgedrückt bedeutet diese Erkrankung, dass der Mensch sich "rückwärts" entwickelt, das heißt, er verliert nach und nach alle Fähigkeiten, die er im Leben von Babybeinen aus gelernt hat. Für sein Umfeld bedeutet dies, dass nach und nach der Erkrankte zu einem 24 Stunden Betreuungsfall wird, sieben Tage die Woche, ohne Urlaub und ohne Freizeit. Dies ist umso bedeutender, als die betreuende Person in der Regel selbst alt ist. In der heutigen Zeit, in der immer mehr Familienverbünde auseinanderbrechen – so gibt es zum Beispiel in den deutschen Universitätsstädten mehr Singlehaushalte als Familienhaushalte – ist dies ein großes Problem. Diese Situation, verbunden mit der oben genannten stark wachsenden Häufigkeit der Erkrankung, stellt für Deutschland wie für viele andere westliche Industrieländer eine gewaltige gesellschaftliche Herausforderung dar. Momentan gibt es bei uns dafür nicht ausreichend Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen. Keiner weiß, wie all diese notwendigen Investitionen bezahlt werden sollen. Zudem Alzheimer ja nur eine Krankheit neben anderen (Diabetes, Herzkreislauferkrankungen) ist. Deshalb gibt es sowohl von der Bundesregierung als auch der Europäischen Union viele Projekte, die nach einer Lösung suchen.
Zischup: Gibt es Medikamente gegen Alzheimer?
Neske: Es gibt verschiedene medikamentöse Ansätze, die leider bis heute nur die Symptome (unter anderem Vergesslichkeit, Aggressivität) lindern helfen, und es so in der Regel schaffen, den Betroffenen über einen längeren Zeitraum in seinem häuslichen Umfeld leben zu lassen und eine Heimeinweisung hinauszögern. Es wird viel in diesem Bereich geforscht: Ein Beispiel sind die sogenannten Impfansätze. Leider ist nach heutigem Stand des Wissens keine Heilung der Erkrankung absehbar.
Zischup: Wie viel Geld haben die Forschungen für Medikamente bis heute gekostet?
Neske: Die Klinische Forschung ist sehr, sehr teuer: So wurden bis heute viele Milliarden Euro investiert. Viele große Pharmafirmen aber auch viele universitäre und klinische Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt arbeiten jeden Tag intensiv daran, hier das Medikament zu finden. Es wäre ein Segen für Millionen von Patienten und deren Angehörige.
Zischup: Wurden schon an Alzheimer Erkrankte geheilt?
Neske: Nein. Nach der Diagnose beträgt die verbleibende Lebenserwartung ca. sieben bis zehn Jahre. Es können aber auch Ausreißer nach unten (vier Jahre) sowie nach oben (über 20 Jahre) geben.
Zischup: Gibt es Möglichkeiten Alzheimer vorzubeugen?
Neske: Leider nein. Es gibt Untersuchungen und Vermutungen, dass bestimmte Verhaltensnormen die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, senken könnten. Beispiele sind: ausreichende Bewegung, gesunde Ernährung, Verzicht auf Nikotin, hohes Ausbildungsniveau, anspruchsvolle Tätigkeiten und geringer Fernsehkonsum.
Zischup: Gibt es bekannte Persönlichkeiten die an Alzheimer erkrankt sind?
Neske: Erst seit circa 30 Jahren spricht man offen über die Alzheimer Erkrankung in der Öffentlichkeit. Anlass war unter anderem die Erkrankung bei Ronald Reagan, dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten. Andere bekannte Persönlichkeiten: Peter Falk (Colombo) und Helmut Zacharias (Musiker). In Deutschland wird viel über Walter Jens (Philosoph) und Ernst Albrecht (ehemaliger Ministerpräsident und Vater von Frau von der Leyen) diskutiert sowie über den Selbstmord von Gunter Sachs (Künstler) im Mai dieses Jahres.
Kommentare
Kommentarbereich ist geschlossen.