A Tribe Called Quest bringen erste Hip-Hop-Protestplatte nach Trumps Sieg heraus
Das finale Album von A Tribe Called Quest ist die erste HipHop-Protestplatte nach Trumps Sieg.
Laura Jung
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Mitten im Geschehen damals: A Tribe Called Quest aus New York. Dem Gangsta-Rap der Westküste ging es um Machogehabe und Straßengangleben. Public Enemy probten die militante Revolution. Die Botschaft des Tribe dagegen war hoffnungsvoll. Propagiert wurde ein neues Miteinander, die Musik sollte positive Energien freisetzen. Gesampelt wurden Jazz, Funk und Pop, die Raps war geschmeidig und verspielt. Wie bei vielen großen Bands prägten auch bei A Tribe Called Quest zwei gegensätzliche Charaktere die Musik – der feinsinnige, philosophische Q-Tip und sein streetsmarter Schulfreund Phife Dawg.
Wachsende Rivalitäten und zu große Egos sorgten 1998 für das Ende einer der einflussreichsten Formationen des HipHop. Was neben gelegentlichen Liveauftritten blieb, waren fünf erfolgreiche, teils wegweisende Alben. Doch nach den Terroranschlägen von Paris 2015 mussten A Tribe Called Quest anerkennen, dass ihre Botschaft und Energie verpufft waren. Kurz darauf, nach einem gemeinsamen Auftritt in der Talkshow von Jimmy Fallon merkten die Musiker, dass die Chemie wieder stimmt. Die Arbeit an einem neuen Album begannen wenig später.
18 Jahre nach dem Split nahmen A Tribe Called Quest die Dinge wieder in die Hand. Als der diabeteskranke Dialysepatient Phife Dawg während der Aufnahmen im Alter von nur 45 Jahren starb, stand die Platte auf der Kippe, wurde dann aber doch zu Ende produziert.
Für das Album mit dem Titel "We Got It From Here... Thank You 4 Your Service" setzten alle Beteiligten voll und ganz an den erprobten Stil. Die Beats sind soulig, manchmal sogar funky verspielt, oft aber auch minimalistisch. Gerade in deren Abwesenheit zeigt sich, dass Q-Tip zurecht als der vielleicht beste Rapper aller Zeiten gehandelt wird: Sein Flow ist lässig, ohne nachlässig zu sein, unbeschwert und dabei bis ins Detail ausgefeilt. Mühelos spielt er mit der Melodie, schmiegt Silben um die Basslinie und lässt den unverwechselbaren, immer noch zeitgemäßen Sound wiederauferstehen. Teil dieses Klangerlebnisses sind immer noch raffiniert integrierte Samples – von Michael Jacksons "Thriller" bis zu den Umpa Lumpa-Pygmäen aus dem Film "Charlies Schokoladenfabrik". Ob die arbeitsamen, unterwürfigen Zwerge wohl als Metapher für die Rolle der Afroamerikaner in der US-Gesellschaft gelesen werden dürfen?
Tracks wie "We The People", der Trumps Tiraden gegen Immigranten aufgreift, und "The Killing Season" zeigen, wie A Tribe Called Quest die Situation einschätzen: "It must be killing season / on the menu strange fruit". Der Ton ist rauer geworden, wie die Anspielung auf die Lynchmorde an Schwarzen in den Südstaaten zeigt, von denen der Jazzklassiker "Strange Fruit" erzählt. Wo Phife Dawg und Q-Tip früher idyllische Bilder panafrikanischer Einheit malten, herrschen heute Enttäuschung und Wut vor.
Trotzdem geben die Rapper ihre Idee des Miteinanders nicht auf. "We Got It From Here... Thank You 4 Your Service" ist voller Kollaborationen, die für sich sprechen. Die Altmeister lernen eine neue Generation von Protestrappern an: Kanye West steuert einen Refrain bei und Kendrick Lamar, die aktuelle Nummer eins des politischen HipHop, zeigt auf "Conrad Tokyo" seine inhaltliche und musikalische Verbundenheit zu A Tribe Called Quest. Auch jenseits des Raps finden A Tribe Called Quest Verbündete: Gemeinsam mit Pop-Ikone Elton John und White Stripes-Frontmann Jack White kreieren sie eine "Solid Wall of Sound".
Dass das neue Album aus Wut und Verzweiflung entstanden ist, hört man. Die Band sieht ihr Lebenswerk in Gefahr. 2016 scheint jeder Vermittlungsversuch gescheitert – die Gesellschaft ist zerrissen, die Unsicherheit regiert. Auch wenn es schon vorher fertig war: Kurz nach Trumps Sieg erschienen, ist dieses grandiose Comebackalbum trotzdem und vor allem ein Zeichen des Protests. Es ist aber auch ein Stück HipHop-Geschichte. A Tribe Called Quest führen die Hörer zurück zu den Anfängen ihrer Musikform. Gleichzeitig zeigen die Rapper, wo HipHop nach all den Jahren immer noch steht: Weit weg vom Establishment, auf der Seite der Unterdrückten.
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