Gebäude und ihre Geschichte

Als die Lahrer Luisenschule noch eine Schule war

Die Luisenschule ist bereits 185 Jahre alt. Ein Brand hat die Lahrer Schullandschaft verändert. Heute ist dort das Rathaus untergebracht. Die Glocken sollen einmal im Jahr an etwas Besonderes erinnern.  

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Die Luisenschule Foto: Christian Kramberg
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die alte Schule am Marktplatz den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Deshalb begann man 1835 mit der Planung einer neuen Schule in der unteren Marktstraße. Der Standortwahl war eine intensive Suche nach geeigneten Grundstücken vorausgegangen. Für 4600 Gulden wurden Gärten in der Nähe des Gasthauses "Zum Waldhorn" erworben.

In den Jahren 1839 und 1840 wurde die Luisenschule erbaut. Der Entwurf für das Bauwerk stammte von der Großherzoglichen Bauinspektion in Offenburg. Mit der Bauleitung und Bauaufsicht beauftragte der Lahrer Gemeinderat im Juli 1839 den Baupraktikanten G. Tobler, der vermutlich in der Offenburger Bauinspektion seinen Dienst verrichtete. Die Zusammenarbeit Toblers mit der Stadtverwaltung verlief nicht reibungslos. Tobler bemängelte einmal, dass die "Steinhauer", die er für wenig qualifiziert hielt, schlechte Arbeit leisteten. Empört wies der Bürgermeister diese Anschuldigung zurück.

Die Architektur des ursprünglichen Gebäudes, von dem nur eine Zeichnung existiert, besaß – wie bei größeren Bauwerken in der Biedermeierzeit üblich – eine schlichte Eleganz, wie sie für größere Bauten der Biedermeierzeit typisch war. Auffallend an der Fassade war der Mittelrisalit – also ein vorspringender Gebäudeteil. Er war von einem Glockentürmchen bekrönt.

Im Herbst 1840 zog das Lahrer Pädagogium wegen steigender Schülerzahlen vom Schlossplatz in den Nordflügel der Luisenschule um. 1840/41 wurde das Pädagogium in ein Gymnasium umgewandelt. 1865 erhielt das Gebäude einen Anbau.

Die brennende Luisenschule

Das Lahrer Gymnasium wäre wohl noch lange Zeit in der Luisenschule geblieben, wenn nicht ein verheerender Brand das Gebäude ruiniert hätte. Dieser Schulbrand vom 18. Juni 1877 gehört zu den tragischen Ereignissen in der Geschichte der Stadt Lahr. Große Teile der wertvollen Bibliothek und des Naturalienkabinetts gingen verloren. Besonders schmerzlich war der Verlust der Silbermann-Orgel aus der Stiftskirche, die zum Zeitpunkt des Brandes wegen des Wiederaufbaus des Kirchturms in der Schule eingelagert war. Beim Versuch, Einrichtungsgegenstände zu retten, wurden einige Feuerwehrleute schwer verletzt, der Gastwirt Eichacker kam sogar ums Leben. Er wurde von einem herabstürzenden Balken schwer am Kopf getroffen.

Glück im Unglück war, dass für das Gebäude und Teile des Inventars mit einer Versicherungssumme von169.000 Mark gerechnet werden konnte. Der Unterricht musste einige Zeit ausfallen. Die Stadtverwaltung hatte große Mühe, Ersatzräume zu finden. So wurden beispielsweise die Gymnasialklassen bei der Wiederaufnahme des Unterrichts am 30. Juni 1877 im Gasthaus "Zum Rappen", im alten Schulgebäude am Sonnenplatz, in der Wohnung des Professors Eisenlohr und in der Wohnung des Direktors Adolf Hauser untergebracht.

Auch die 1834 gegründete Gewerbeschule, die sich im Südflügel befand, wurde durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen. Die "Architektonische Zeichnungsschule" verlor fast alle Modelle und einen großen Teil der Inneneinrichtung, so dass der Unterricht sieben Wochen lang ausfallen musste.

Nach dem Wiederaufbau des Schulhauses bezog die Gewerbeschule wieder Räume im Südflügel und erhielt einen eigenen Eingang auf der Südseite des Gebäudes. Die gesamte Einrichtung sowie die Lehrmittel wurden neu beschafft und eine zweite Lehrerstelle eingerichtet.

Leidtragender des Brandes war auch die Stadtkapelle, die ihr Übungslokal verlor. Sie probte im alten Schulhaus am Sonnenplatz unter so beengten Verhältnissen, dass der Dirigent außerhalb des Raumes stehen musste, um die Leistung der Spieler beurteilen zu können, und die Musiker ihre eigenen Töne nicht hörten.

Der Brand der Luisenschule führte zu einer weitreichenden Veränderung der Lahrer Schullandschaft: So erhielt die Höhere Töchterschule einen Neubau an der Schillerstraße (später Vermessungsamt).

Die Höhere Töchterschule um 1900

Das Gymnasium zog in eine Villa in der Kaiserstraße (heute Eichrodtschule), die von der Firma Gebrüder Lotzbeck erworben werden konnte. Die Volksschule hatte eine Durststrecke zu überwinden, da der Unterricht lange Zeit in ungeeigneten Räumen erteilt werden musste. Als der Wiederaufbau der Luisenschule abgeschlossen war, profitierte sie jedoch von funktionalen und baulichen Verbesserungen. So bemerkte die Lahrer Zeitung im Juni 1878, dass die wieder aufgebaute Schule zu den "Zierden" der in Lahr vorhandenen Bildungseinrichtungen gehöre. Die "Stadtgemeinde" habe zwar große Opfer bringen müssen, aber in den "schönen Baulichkeiten" besitze sie den Kapitalwert, und die Zinsen würden hoffentlich "im Erfolg des Unterrichts reichlich gefunden werden".

In das im historistischen Stil errichtete Gebäude wurden wesentliche Teile des Ursprungsbaus integriert. So blieben die Keller, die Fundamente, das erste Obergeschoss sowie die steinernen Treppenhäuser unverändert erhalten. Der Südflügel wurde verlängert und im Obergeschoss ein Schulsaal eingebaut. Ein neues Glockentürmchen erhielt eine von den Gebrüdern Lorenz in Dinglingen gefertigte Uhr mit Schlagwerk und auch zwei Glocken.

Im Dezember 1878 legte Architekt Carl Meurer dem Gemeinderat die Gesamtrechnung für die Bauarbeiten vor. Danach beliefen sich die Baukosten auf 111.885,44 Mark und der finanzielle Aufwand für das Inventar auf 9798,03 Mark.

Während des Ersten Weltkriegs musste das Gebäude zeitweise dem Militär zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise wurden deshalb 1915 die Gewerbeschüler im Gasthaus "Grüner Baum" in Burgheim unterrichtet. Erst 1919 war wieder ein geregelter Schulbetrieb möglich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Luisenschule bis 1972 Standort einer Volksschule, später einer Grund- und Hauptschule. Mit Beginn des Schuljahres 1972/73 wurde die Hauptschule aufgelöst, die Grundschule blieb bestehen.

Die Freundschaftsglocken

Als 1978 die Fassade des Gebäudes renoviert und auch die Uhr überholt wurde, reifte beim Lahrer Oberbürgermeister Philipp Brucker die Idee, die Lücke im Türmchen mit einer Glocke zu schließen. Da ihm aber der Lahrer Gemeinderat Haushaltsmittel dafür verweigerte, setzte Brucker seinen Wunsch mit einer Spendenaktion durch. Die Grundschule "Luisenschule" zog 1985 in den Neuwerkhof aus. Am neuen Standort hat sie heute zwei Schulgebäude, die Hauptstelle im Neuwerkhof 6 und die Außenstelle Industriehof im Industriehof 12.

Seit 1987 ist die alte Luisenschule Rathaus. In der repräsentativen, erst vor Kurzem renovierten ehemaligen Aula tagt der Lahrer Gemeinderat. Außer dem Ratssaal befinden sich verschiedene Ämter in dem früheren Schulgebäude am Rathausplatz. Über der Toreinfahrt wurden 1987 drei weitere Glocken angebracht, eine Spende der Stadt Dole anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft mit Lahr. Diese Rathausglocken läuten jeweils am 30. November zwischen 8.55 und 20.55 Uhr fünf Minuten vor jeder vollen Stunde gegen die in vielen Ländern immer noch praktizierte Todesstrafe. Lahr beteiligt sich seit dem Jahr 2010 an dieser weltweiten Aktion.
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