Nachruf
Abschied von dem Welterklärer mit der Latzhose
Peter Lustig ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Mit der Wissenskindersendung Löwenzahn hat der Moderator eine ganze Generation geprägt – auch unseren Autor. Ein Nachruf.
Do, 25. Feb 2016, 0:00 Uhr
Deutschland
Thema: Nachruf
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Welche Chemikalie ich damals, es muss gegen Ende der 80er-Jahre gewesen sein, kaufen wollte, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur daran, dass man damit wunderschöne Kristalle herstellen konnte. Der freundliche Mann mit der Latzhose hatte das zuvor im Fernsehen gezeigt. Und wie so oft war ich von seinen Ausführungen fasziniert. Peter Lustig, der Mann, der fast 25 Jahre lang im ZDF die Kindersendung Löwenzahn moderierte, war anders als alle, die es sonst im Fernsehen zu sehen gab. Klar, Sendungen, die Information und Wissen kindgerecht vermittelten, gab es viele. Die Sesamstraße, die Sendung mit der Maus, die Logo-Kindernachrichten etwa. Doch konnte kaum ein pädagogisch wertvolles TV-Format die Sechs- bis Zwölfjährigen so in seinen Bann ziehen wie die 30 Minuten Löwenzahn, die sonntagvormittags über die Mattscheibe flimmerten.
Seit 1981 gibt es die Serie, die Kinder auf charmante Weise an Fragen aus Technik und Naturwissenschaften heranführt. Auch wenn Lustig die Moderation 2005 an den Schauspieler Guido Hammesfahr abgab, blieb er doch das prägende Gesicht – und eine TV-Legende, die eine ganze Generation geprägt hat. Und das, obwohl Peter Lustig ganz anders als die anderen Helden war, mit denen man sich in diesem Alter sonst identifizierte. Colt Seavers aus "Ein Colt für alle Fälle", Michael Knight aus "Knight Rider" – so wollten die Jungs in den 80ern und 90ern sein. Männer mit schnellen Autos und harten Fäusten.
Damit konnte Peter Lustig nicht dienen. Knallharte Action sucht man bei Löwenzahn vergeblich. Statt einer scharfen Lederjacke trug er Latzhose, statt cooler Sonnenbrille eine ovale Nickelbrille. Und auch sonst verkörperte er wenig, was Kinder anziehend fanden. Er war – zumindest sein Alter Ego in Löwenzahn – ein Öko zu einer Zeit, als es das Wort kaum gab, einer mit einem alternativen Lebensstil, ein Wagenburgler. Das ganze Jahr über lebte er in einem alten Bauwagen und geriet mit seiner Lebensweise mehr als einmal mit seinem spießigen Nachbarn Paschulke (Helmut Krauss) aneinander.
Wie es um den wahren Peter Lustig bestellt war, wurde oft diskutiert. Für einen Aufschrei sorgte er, als er 2002 der Stuttgarter Zeitung sagte: "Kinder stören und sind klebrig, na und?" Gegenüber Bild am Sonntag zog er nach: "Ich bin kein Kinderonkel, das ist ein Missverständnis." Mochte Peter Lustig etwa keine Kinder? Es war ein Vorwurf, der den 1937 in Breslau geborenen studierten Elektrotechniker, den Vater von vier Kindern und Opa von neun Enkeln, getroffen hat. Er wollte nur ausdrücken, dass er sich bei seiner Arbeit konzentrieren muss und keine Kinder am Set haben möchte, so seine Rechtfertigung.
Es hat viele berührt, am gestrigen Mittwoch zu erfahren, dass Peter Lustig im Alter von 78 Jahren von uns gegangen ist. Auch auf der BZ-Facebook-Seite meldeten sich viele seiner Fans zu Wort. Eine Annette Pfau fasst dort die Begeisterung für den Mann mit der Latzhose gut zusammen: "Weltbester Erklärer und Wissensheld meiner Kindheit. Peter, du warst einzigartig und hast die Fernsehmomente meiner Kindheit zum Highlight gemacht. Danke von ganzem Herzen!"