24 Stunden im Zentrum der Macht
Beim Jugendpressetag in Berlin konnten 100 Nachwuchsjournalisten dem Bundeskanzler die Meinung sagen.
Kathrin Hagemann
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Man kommt nicht so einfach rein ins Berliner Kanzleramt. Es sei denn, man ist eingeladen. Wie die hundert jugendlichen Nachwuchsjournalisten, die dieses Jahr beim Jugendpressetag der SPD-Bundestagsfraktion teilgenommen haben. Von Mittwoch, dreizehn Uhr, bis Donnerstag, dreizehn Uhr, öffneten sich für sie die Türen im Zentrum der Macht.
Nächste Station ist das Kanzleramt. Gerhard Schröder macht einen entspannten Eindruck. "Lieber Herr Schröder", beginnt die erste Fragestellerin, "ich bin wirklich aufgeregt, ich sehe den Bundeskanzler ja auch nicht alle Tage. . ." - "Das sagt meine Frau auch immer", meint Schröder. Es folgt Gelächter. Mit zunehmender Ernsthaftigkeit der Fragen wird aber auch seine Miene ernster. Er antwortet sehr selbstsicher und routiniert auf die eher konventionellen Fragen zu den Bundesfinanzen und sonstigen Schwachstellen der rot-grünen Regierung, zur Ganztagsschule, zur Rente für Hausfrauen, zum Irak und zur Nahostkrise.
Er sagt so ziemlich die gleichen Dinge wie sonst im Fernsehen. Auch hier dämmert man schnell weg. Vielleicht liegt es an seiner gemütlichen Stimme. Doch die Nachwuchsjournalisten spitzen wieder die Ohren, als der Kanzler gefragt wird, wie er denn das politische Engagement unter Jugendlichen sehe. Er bemerke bei jungen Leuten eine "allgemeine Unlust, sich zu organisieren", sagt Schröder. Vielen sei vor allem die Politik zu wenig spontan, deshalb wichen sie eher auf unabhängige Projekte aus. Wer aber wirklich Einfluss nehmen wolle, müsse sich früher oder später zum Beispiel den Jusos (Jugendorganisation der SPD) anschließen. Ein Mädchen meldet sich zu Wort. Sie sei Mitglied bei den Jusos, wundere sich in letzter Zeit aber immer mehr über die Einstellung "ihrer" Partei, die ihre linken Ideale eingebüßt zu haben scheine. "Ich frage mich immer häufiger, wo ist die alte SPD?"
Ganz schön ermüdend, der Journalistenalltag. Als Schröder den Saal verlässt, wird er von einer Meute Kameramänner belagert: Sie rennen dem Kanzler nach, hechten mit ihren Kameras auf den Schultern die Treppe hoch, als gehe es um ihr Leben. Es ist erst halb fünf, das Programm geht nahtlos weiter: in kleineren Arbeitsgruppen finden Gespräche mit Bundestagsabgeordneten statt.Beim Abendessen ist das Büfett schnell leer gefegt. Die Nachwuchsjournalisten diskutieren über Gott und die Welt, ihren Eindruck vom Bundestag und auch mal darüber, ob sie wirklich Journalisten werden wollen. Das ist nämlich alles andere als ein sicherer Job. Es gibt in Deutschland zurzeit 10 000 arbeitslose Journalisten.
Donnerstag, neun Uhr: die hundert wenig ausgeschlafenen Jungreporter befinden sich im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ministerin Edelgard Bulmahn lässt sich von ihrem Staatssekretär Wolf Michael Catenhusen vertreten, der früher mal Lehrer war. Was unsere Fragen nach Studiengebühren, leistungsorientierter Besoldung für Lehrer und Ganztagsschulen betrifft, hat er immer eine gute Ausrede: eigentlich sei die Bildungspolitik ja gar nicht Sache des Bundes.
Wir tragen unsere Taschen durch Berliner Baustellen bis zum Bundestag. Die Kontrollen am Seiteneingang übertreffen alles, was wir bisher erlebt haben, die Dimensionen der modernen Kunst auf den Fluren auch. Der Himmel ist grau und wir steigen in die Glaskuppel, um ein bisschen neblige Aussicht über Berlin zu haben. Dann steht der letzte Programmpunkt an: wir dürfen zwei echte Politikjournalisten, Daniel Goffart vom Handelsblatt und Kai Niklasch vom ZDF, zu ihrem Beruf befragen. Über den Berliner Alltag zwischen Debatten und Skandalen sagen sie: "Es gibt gewisse Regeln, an die sich jeder hält. Aber Politiker sind keine Gentlemen und Journalisten auch nicht." Gut zu wissen. Es ist 13 Uhr, die Zeit ist abgelaufen.
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