Wiedervereinigung
Teile der Berliner Mauer in Südbaden – eine Besichtigungstour
Reliquien aus Ostbeton: Einige harte Brocken deutscher Zeitgeschichte haben es von der innerdeutschen Grenze in Berlin nach Südbaden geschafft. Warum eigentlich? Und wo stehen sie?
Di, 4. Nov 2014, 9:06 Uhr
Südwest
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Am Haupteingang des Europa-Parks ist der "Themenbereich Deutschland": Fachwerkhäuser, Weimarer Klassik, schwarz-rot-goldene Fahnen, der Bahnhof heißt "Alexanderplatz". Die meisten hasten achtlos vorbei Richtung Fahrgeschäfte – und übersehen die beiden versetzt stehenden Originalteile der Mauer. Die Graffiti, die einen roten Kreis mit Auto zeigen, sind verblasst, eine Expertise samt DDR-Stempel und Unterschriften von Autoritäten bestätigt die Echtheit der 3,60 Meter hohen und 1,20 Meter breiten Teile: "Das beiliegende Betonstück wurde am 18. September 1990 aus der Berliner Mauer, Abschnitt Potsdam/Steinstücken geschlagen." Doch wie kam der Beton nach Rust? "Der Mauerfall hat mich damals sehr betroffen gemacht", erinnert sich Roland Mack, der Chef des Parks. Mack hatte in Niedersachsen, in Neustadt am Rübenberge, einen Freund, den Bauunternehmer Friedrich Duensing. Der wiederum hatte im September 1990 den Auftrag von den Grenztruppen der untergehenden DDR erhalten, zwei Kilometer Mauer bei der Glienicker Brücke abzureißen. Bezahlt wurde er nicht mit Geld, sondern mit Mauerteilen, also wiederverwertbarem Baumaterial. Doch einige Teile haben überlebt. "Er rief mich an und fragte, ob er mir zwei Teile reservieren soll", erzählt Mack. Als 1996 im Europa-Park dann der "Themenbereich Deutschland" eröffnet wurde, wurden die Teile dort aufgestellt. "Passt doch wunderbar", sagt Mack.
ZELL AM HARMERSBACH
In Zell am Harmersbach – einem schmucken, geschichtsträchtigen Ort mit 8000 Einwohnern und Fasnachtstradition – stehen versteckt auf einer Grünfläche vor einer ehemaligen Industriellenvilla fünf zusammenhängende Teile der Berliner Mauer. Was wiederum an Walter Bischoff liegt. Vor Kurzem ist er 80 Jahre alt geworden, in Stuttgart hatte er ein großes Architekturbüro, in Chicago, Stuttgart und Berlin Kunstgalerien. Und dass es ihn in den Schwarzwald verschlagen hat, lag an seiner Frau, die er in Tübingen kennengelernt hatte. "Sie kam aus Zell, und einer musste ja nachgeben", sagt er und lächelt. Und um sich in der Idylle nicht zu sehr zu langweilen, hat er 1995 dort die altersschwache, denkmalgeschützte Villa Haiss erworben, rund 1,5 Millionen Euro hineingesteckt und ein sehenswertes Museum für zeitgenössische Kunst daraus gemacht. "Ich habe schon immer all mein Geld in Kunstwerke gesteckt. So ist meine Sammlung entstanden", sagt Bischoff. Lange vor der Wende taucht er in die Ost-Kunst und die Dresdner Szene ein. Er macht Ausstellungen und vertritt heute noch Künstler aus der ehemaligen DDR. "Das Ost-West-Verhältnis hat mich immer interessiert." 1999, zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls kommt die Berliner Mauer nach Zell. Sie kommt aus Frankfurt, wo sie ein Geschäftsmann nach dem Erwerb zehn Jahre gelagert hat. 72 000 Mark haben die fünf Teile samt Transport und Aufstellen gekostet, Bischoff hat das meiste selbst gestemmt, für den Rest Sponsoren gewonnen. Der rückwärtige Teil der Mauer, die einst im Bezirk Treptow stand, ist betongrau, vorne ist sie bunt besprüht. "Nichts Gegenständliches, ich konnte leider noch nicht herausfinden, wer der Sprayer war", sagt der Kunstsammler Bischoff. Er hat das Kunstwerk konservieren lassen, damit die Farben nicht verblassen.
BALLRECHTEN-DOTTINGEN
Ein beliebter Spazierweg im Markgräfler Land: Grandiose Sicht über die Rheinebene, die Staufener Burg, die Reben – und auf einmal stehen da acht versetzte Teile der Berliner Mauer am Wegesrand. Versetzt wegen der Symbolik, wegen Offenheit. Das Graffito ist inzwischen verblasst. Da ist eine Friedenstaube auszumachen, dort Gekritzel, etwas weiter ein Herz, in dem sich eine Petra und ein Elvis ewige Liebe schwören und geschrieben haben "Love is bigger than walls", die Liebe ist größer als alle Mauern. Das Haus dahinter gehört seit Mitte der achtziger Jahre der Familie Brand, ehemalige Berliner, geschäftlich immer noch mit einem Bein in der Hauptstadt. Elke Brand, die damals, im November 1989, in Berlin war und den Mauerfall tatsächlich verschlafen hat, sollte von ihrem Schwager ein Teil als Geschenk zum Geburtstag erhalten. "200 Mark für ein drei Tonnen schweres, 1,25 auf 3,80 Meter hohes Stück", berichtet sie. Und wenn man schon mal 1900 Mark für den Transport zahlen muss, dann kann man auch gleich neun Teile mitnehmen, dachten sich die Brands damals. Die Teile stammen aus der Sonnenallee, die in der Filmkomödie von Leander Haußmann und Detlev Buck verewigt worden ist, seit August 1990 stehen sie unterhalb des Castellbergs. Am Anfang wollten die Brands einige Teile verkaufen, um den Transport zu refinanzieren, doch es gab keine Interessenten. "Inzwischen wollen wir die Mauer behalten, sie ist ein Teil von uns. Es gibt immer wieder Anfragen, doch nur unserem Nachbarn haben wir ein Stück überlassen. Er hat es einem Verwandten in Nürtingen geschenkt", sagt Elke Brand, heute 57 Jahre alt. Und ihr Mann Burkhard fügt hinzu: "Die Mauer wird hier bei uns wohl länger stehen als unter Honecker in Berlin. Da waren es nur 28 Jahre."
SCHOPFHEIM
Eine farbenfrohe Szenerie, die da auf die Mauer gepinselt worden ist: "Berlin, Home of Fallen Angels." Zwei junge Männer mit Heiligenschein und knappem Tanga räkeln sich lasziv irgendwo im Stadtteil Kreuzberg. Das war Ende der Achtziger. Lange hat der Schopfheimer Werbeunternehmer, Mundartmusiker und CDU-Stadtrat Jeannot Weißenberger suchen müssen, bis er dieses Bild der gefallenen Engel in einem der vielen Berlin-Bildbände gefunden hat. Und dass es vom Künstler und Mauermaler Kiddy Citny stammen und sogar als Kulisse für Wim Wenders Kultfilm "Himmel über Berlin" gedient haben soll, das weiß Weißenberger inzwischen auch. Das Mauerstück, und noch ein anderes, dessen Herkunft unbekannt ist, steht seit Februar 1991 im Wiesental. An den Abend des Mauerfalls erinnert sich der heute 62-Jährige genau: "Wir saßen mit Tränen in den Augen vor dem Fernseher. Eine Woche später sind wir nach Berlin zum Feiern gefahren. Es war saukalt, der Potsdamer Platz eine Brache, die Trabis hatten den Westen erobert." Ein gutes Jahr später, 1990, sehen er und seine Frau Barbara einen Bericht, in dem angekündigt wird, dass die Mauer zerschreddert werden soll. Weißenberger greift zum Telefon, er will sich ein Stück Zeitgeschichte sichern. Vom Bonner Verteidigungsministerium wird er an den Auflösungsstab ehemaliger Grenztruppen verwiesen, ein Briefwechsel bahnt sich an. Im Januar 19991 schließlich reist Weißenberger – zwei Flaschen Schnaps als Mitbringsel im Gepäck – nach Berlin in eine Kaserne der Nationalen Volksarmee im Stadtteil Rummelsberg, trinkt mit einem Oberstleutnant schwarzen Kaffee (Milch und Zucker waren aus), sucht sich zwei Teile aus und blättert 1000 Mark hin. Er lässt sich die Teile bringen – eines wurde bei der Lieferung vertauscht, aber egal – und stellt sie vor seinem Büro im ehemaligen Schopfheimer Gefängnis auf. Das bunte, inzwischen verblasste Teil mit den gefallenen Engeln wird später bei einem befreundeten Bauunternehmer gelagert, heute steht es vor der Firma seiner Frau im Gewerbegebiet. Das andere, nicht so bunte Teil steht noch im Stadtzentrum. Es wundere ihn, dass es noch nicht von den heutigen Sprayern besprüht worden sei, sagt Weißenberger. Er hätte nichts dagegen.
OFFENBURG
Dass die "Superillu" in Ostdeutschland heute noch die Konkurrenz von "Spiegel" bis "Stern" in den Schatten stellt, liegt auch an der Vorarbeit des Offenburger Burda-Verlags. Schon in den Achtzigern war Burda als erster Westverlag mit "Burda Moden" in der DDR präsent und hatte 1989 dann einen Vorsprung vor anderen Verlagshäusern. Im Februar 2000 wurde von der Redaktion der "Superillu" ein Teil der Berliner Mauer als Geschenk zum 60. Geburtstag des kunstsinnigen Verlegers und Mäzens Hubert Burda und als Dankeschön in die Ortenau geliefert. Im gleichen Jahr wurde auch der Burda Medien-Park eingeweiht. Die Zeitschrift hat das Stück einem der zahlreichen Bauunternehmer abgekauft, die im Sommer 1990 im Auftrag der DDR die Mauer abgerissen haben. Es stand irgendwo im Zentrum Berlins – wo genau, ist nicht mehr nachvollziehbar. Es wurde nachträglich von dem bekannten Mauer-Künstler Thierry Noir, der viele Mauerteile in Berlin mit seinen "Nasenmännern" illegal bemalt hatte, gestaltet.
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