Freiburg / Lahr
Extremismus im Netz: Staatsanwalt und AfD-Kandidat droht Verfahren
Er beschimpft Politiker, hetzt gegen Muslime: Der Lahrer AfD-Kandidat und Freiburger Staatsanwalt Thomas Seitz steht wegen umstrittener Äußerungen auf Facebook in der Kritik. Hat das Folgen?
Di, 1. Mär 2016, 21:00 Uhr
Südwest
Thema: Landtagswahl
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Im November 2015 postet Thomas Seitz folgende Sätze auf Facebook: "Das Merkelsche Wirtschaftswunder: Auf Kosten des Deutschen Volkes und der legalen Bewohner dieses Landes. Gleichzeitig ist es der Auftakt zur Vernichtung des Deutschen Volkes und aller Errungenschaften, die Deutschland für so viele Menschen attraktiv gemacht hat." Es ist nicht das erste Mal, dass sich der 48-Jährige zur Flüchtlingspolitik äußert. Über Monate hinweg lässt sich auf seiner Facebook-Seite verfolgen, wie er gegen Muslime hetzt, Politiker beschimpft und sich rassistisch äußert. Einige der Posts sind zwischenzeitlich gelöscht worden, andere sind nach wie vor zu lesen. Einige seiner Facebook-Aktivitäten sind in unserer Minigalerie (siehe oben) dokumentiert.
"Beamte sind rechtlich dazu verpflichtet, sich auch in der Öffentlichkeit in einer dem Amt angemessenen Weise zu verhalten", sagt der Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Stefan König. "Es bedarf dringend einer disziplinarischen Prüfung, ob diese hetzerischen Äußerungen mit der Tätigkeit als Staatsanwalt zu vereinbaren sind. Ich persönlich halte jemanden, der sich auf diese Weise in der Öffentlichkeit positioniert, für das Amt eines Staatsanwaltes, von dem Objektivität und abgewogenes Vorgehen erwartet werden, nicht tragbar."
Andrea Titz, Richterin am Oberlandesgericht München und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, möchte sich zu dem Fall Seitz nicht direkt äußern. Grundsätzlich sei es so, dass "Richter und Staatsanwälte sich nur dann politisch betätigen dürfen, wenn dadurch das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit und Neutralität nicht gefährdet ist – und sich die jeweilige Partei nicht offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt."
Gut informierten Kreisen zufolge beschäftigten sich Seitz’ Vorgesetzte Ende 2014 mit seinem politischen Engagement. So habe sich der Petitionsausschuss eingeschaltet, weil Zweifel an seiner Verfassungstreue aufgekommen waren. Seitz war 2011 mehrere Monate lang Mitglied der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, die in Bayern inzwischen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Da Seitz offenbar kein Amt bekleidete, verlief die Angelegenheit im Sand.
Das Landesjustizministerium verweist im Fall Seitz auf den zuständigen Leitenden Oberstaatsanwalt in Freiburg. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg erklärte, dieser prüfe derzeit, ob und inwieweit das Auftreten und die von der BZ übermittelten Äußerungen mit dem Amt des Staatsanwaltes vereinbar sind. Geprüft würden auch Urheberschaft und Inhalt der Äußerungen.
Seitz will die Vorgänge um seine Tätigkeit als Staatsanwalt nicht kommentieren. "Es handelt sich um eine dienstliche Angelegenheit, zu der ich keine Erklärung abgebe", sagte Seitz der Badischen Zeitung. Er könne auch die Irritationen bezüglich seiner Facebook-Posts nicht nachvollziehen. Seine Äußerungen seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Für die Lahrer SPD-Gemeinderatsfraktion war damit das Maß voll. In einer Stellungnahme zeigte sie sich empört, dass diese Äußerungen von einem Staatsanwalt kommen, der eigentlich den Rechtsstaat verkörpern sollte. Es erinnere, so das vom Fraktionsvorsitzenden Roland Hirsch und seinen sieben Kollegen unterzeichnete Schreiben, "nicht nur an menschenverachtende, braune Zeiten und lässt ihr Wiederaufleben befürchten, es fordert auch heraus, gegen einen solchen Rechtspopulisten rechtliche Schritte einzuleiten". Seitz nahm den Ball auf und griff in einem Offenen Brief nicht nur die Lahrer SPD-Kommunalpolitiker frontal an. Für ihn zählt die SPD nicht mehr zum Kreis der demokratischen Parteien: "Wundern Sie sich deshalb besser nicht mehr, wenn gerade jemand, der so wie ich für die Einhaltung des Rechts einsteht, Ihre Partei dem sprichwörtlichen ‚Sack‘ zuordnet." Er habe nicht zu Gewalt gegen Repräsentanten oder Mitglieder der "Altparteien" (O-Ton Seitz) aufgerufen, er habe vielmehr seine Verachtung für die aktuelle Politik und die Vorgehensweise der dafür verantwortlichen Parteien zum Ausdruck gebracht. Seitz legte der SPD-Fraktion nahe, ihrer Erwägung rechtlicher Schritte Taten folgen zu lassen. Andernfalls drohe ihr das gleiche Schicksal wie dem bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer, der mittlerweile als "Maulheld" (Seitz) enttarnt sei.
Bei einem Auftritt des Mitbegründers der AfD und ehemaligen Bundessprechers, Konrad Adam, hatte Seitz am vergangenen Wochenende zu einem seltsamen Vergleich gegriffen: "Manche halten es für angemessen und gerecht, alle Menschen aus der ganzen Welt nach Deutschland hereinzulassen. Andere Menschen halten es für angemessen und gerecht, Merkel und ihr Kabinett am nächsten Baum aufzuhängen." Einen Augenblick später relativierte er seine Sätze als "polemisches Beispiel".
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