Klimawandel
CO2 in der Atmosphäre steigt so schnell wie nie zuvor
Die Konzentration des klimaschädigenden CO2 in der Atmosphäre steigt laut UNO so schnell wie nie zuvor – und schneller als erwartet.
Christiane Oelrich (dpa)
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GENF/LONDON. Kurz vor der Weltklimakonferenz in Bonn schlagen UN-Organisationen, Mediziner und Ökonomen Alarm. Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre sei 2016 so schnell gestiegen wie nie zuvor. Der Klimawandel schade bereits jetzt der Gesundheit vieler Menschen.
Die CO2-Konzentration betrug nach Angaben der WMO 403,3 Teilchen pro Million Teilchen (ppm) – 3,3 ppm mehr als im Jahr zuvor. Bis zu Beginn der Industrialisierung sei die Konzentration mindestens 800 000 Jahre unter 280 ppm geblieben. Nach Forscherschätzungen gab es eine so hohe CO2-Konzentration wie heute zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren. Damals sei es zwei bis drei Grad wärmer gewesen als heute. Das Eis in Grönland und der West-Antarktis sei geschmolzen, und der Meeresspiegel habe 10 bis 20 Meter höher gelegen.
Die Länder müssten noch viel mehr als bislang geplant tun, um einen Klimakollaps abzuwenden. Das ist die Forderung des UN-Umweltprogramms (Unep) vor der Weltklimakonferenz in Bonn, die am kommenden Montag beginnt. Selbst bei Einhaltung aller bisher von den Ländern vorgelegten Klimaschutzzusagen werde sich die Erdtemperatur um mindestens drei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erhöhen. Dieses mahnende Zwischenzeugnis wurde am Dienstag in Genf präsentiert. Im Pariser Klima-Abkommen hatten die Staaten vereinbart, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, auf jeden Fall aber auf deutlich unter 2 Grad – im Jahresmittel, verglichen mit der vorindustriellen Zeit.
Nach Angaben der Weltwetterorganisation (WMO) ist es auf der Erde bereits 1,2 Grad wärmer geworden. Das Zwei-Grad-Ziel gilt als äußerste Grenze, um katastrophale Klimafolgen abzuwenden. Viele Forscher warnen schon bei plus 1,5 Grad vor kaum tragbaren Folgen für die Menschheit: Schmelzen der Eiskappen, Anstieg der Meeresspiegel, mehr Wetterextreme. "Es besteht dringend Bedarf, die kurzfristigen Maßnahmen zu beschleunigen und die langfristigen Ziele ehrgeiziger zu gestalten", heißt es im Unep-Report. Die Klimaziele der Staaten ergäben nur ein Drittel der Emissionsreduktionen, die bis 2030 nötig wären, um die schlimmsten Folgen der Erderwärmung zu vermeiden.
Obwohl die gesteckten Klimaziele bis 2030 nicht reichen, gibt es einen Lichtblick: Der weltweite Ausstoß des Treibhausgases CO2 von nun 35,8 Gigatonnen sei in den vergangenen drei Jahren relativ stabil geblieben. Ein Teil der Stabilisierung erfolge durch den Ausbau der erneuerbaren Energien vor allem in China und Indien. Würden aber weiter Kohlekraftwerke gebaut, könne der Ausstoß jedoch schnell wieder nach oben gehen. Der Unep-Report zeigt auch konkrete Wege, wie Länder kostengünstig CO2 einsparen können. Erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, Aufforstung und Vermeidung von Waldzerstörung könnten mit geringen Kosten umgesetzt werden oder gar Gewinne bringen.
Schon heute habe der Klimawandel gravierende Folgen für die Gesundheit der Weltbevölkerung, schreibt eine Kommission des Fachblatts Lancet. So seien von 2000 bis 2016 etwa 125 Millionen Menschen im Alter über 65 Jahre weltweit Hitzewellen ausgesetzt gewesen mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen, etwa für das Herz-Kreislauf-System. Bis 2050 könnte die Zahl der Menschen, die direkt an Folgen von Hitzewellen leiden, eine Milliarde erreichen, schreibt die Kommission aus 24 Partnern, darunter die Weltgesundheitsorganisation WHO, Universitäten und die Weltbank.
Steigende Temperaturen hätten zudem dazu geführt, dass die Arbeitsproduktivität auf dem Land von 2000 bis 2016 bei körperlich tätigen Menschen um 5,3 Prozent abgenommen habe. In einige Regionen sei es an immer mehr Tagen zu heiß, um draußen zu arbeiten. "Die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft in Katar werden nachts unter Flutlicht gebaut, das geht in der Landwirtschaft in Afrika nicht", so Anthony Costello von der WHO. Die Autoren warnen auch vor den Folgen des Klimawandels auf die weltweite Nahrungsversorgung. Für jedes Grad im globalen Temperaturanstieg würden sich die globalen Weizenerträge um sechs Prozent verringern, bei Reis betrage der Schwund gar zehn Prozent.
Dem Lancet-Report zufolge hat sich die Zahl der wetterbedingten Naturkatastrophen seit 2000 um 46 Prozent erhöht. Allein im vergangenen Jahr sei dadurch ein ökonomischer Schaden in Höhe von 111 Milliarden Euro entstanden. Es gebe allerdings inzwischen auch hoffnungsvolle Zeichen. So würden viele Länder den Ausstieg aus der Kohleenergie vorbereiten. Hinzu kämen der wachsende Anteil erneuerbarer Energien und die intensivierte Forschung im Bereich Elektromobilität.
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