Gebt den Musen ihren Raum
Wahlfreiheit in Klasse 9: Bötzinger Schüler erklären, warum sie sich für Musik entschieden haben – oder für Bildende Kunst.
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BÖTZINGEN. Deutsch muss ein. Englisch als wichtigste Fremdsprache auch. Und an Mathe führt sowieso kein Weg vorbei. Schüler haben eben ein Pflichtpensum. Aber manchmal haben sie auch die Wahl: zum Beispiel die Neuntklässler des Realschulzweigs an der Bötzinger Wilhelm-August-Lay-Schule. Sie können sich entscheiden, ob sie den Bildenden Künsten frönen oder sich lieber mit Klängen und Tönen befassen wollen. Warum sie sich für das eine oder das andere entschieden haben, erzählen Schüler der Klasse 9 c, die in diesem Jahr auch am Zisch-Up-Projekt der Badischen Zeitung teilnehmen.
Zwei Etagen höher und ein Treppenhaus weiter bietet sich das Kontrastbild dazu: Bei Katharina Klimza im Kunstraum sitzen 23 Mädchen über ihre Zeichenblöcke gebeugt, zwischen ihnen verteilt fünf Jungs. Zufall oder Regel? Die Verteilung sei nicht jedes Jahr so einseitig, versichern die beiden Pädagogen. Aber der Trend ist da: Jungs wählen eher Musik, Mädchen die Bildende Kunst (BK). Letztlich ist es aber immer eine individuelle, freie Wahl, die beim Wechsel von der achten zur neunten Klasse fällig wird.
"Ich zeichne nicht so gut, in Musik bin ich besser", macht Daniel deutlich, dass ihm die Entscheidung nicht schwer gefallen ist. Musik sei ihm einfach auch näher, da er, wie alle Jugendlichen, gerne und viel Musik höre. Maik pflichtet ihm bei und zieht daraus seine Schlüsse: "Wir hören ja praktisch den ganzen Tag immer wieder Musik, das Leben ist mehr mit Musik verbunden als mit Kunst." Ach ja, und natürlich spielte auch eine Rolle, dass sich Freunde für das gleiche Fach entschieden haben.
Musik hören natürlich auch die Schüler, die sich für die beiden letzten Realschuljahre für den Kunstunterricht entschieden haben. Robin erklärt, warum: "BK liegt mir als Schulfach mehr als Musik." Er zeichne gerne, fügt er hinzu, und so hat er auch wenig Scheu, gleich loszulegen, als in der Doppelstunde bei Katharina Klimza das Kopieren von Moderner Kunst begonnen wird. Zuvor wurden die wichtigsten Stilrichtungen der Moderne in der Klasse behandelt. Dabei unterrichteten sich die Schüler in kleinen, so genannten Expertengruppen gegenseitig, nachdem sich jeder zuvor eine Stilrichtung ausgewählt hatte. Jetzt geht es an die Praxis, ans Zeichnen und Malen.
Zum Kopieren hat sich Robin ein Bild von René Magritte ausgesucht, "das hab ich mit anderen abgesprochen", erklärt er. Ganz klar: Der Surrealist ist hier Klassenliebling. Aber auch knallige Pop-Art ist als Vorlage gefragt. Neben Robin sitzt Elena, sie hat sich hingegen für einen in feinen Farbnuancen geradezu zerfließenden Monet entschieden. Elena traut sich das aber zu, weil sie sich hier ideal eines Hilfsmittels bedienen kann, das Katharina Klimza zuvor erläutert hat: Man legt eine Folie mit einem Quadrateraster auf den Bilddruck und überträgt das gleiche Quadratenetz in feinen Bleistiftlinien auf das Zeichenblatt. So lassen sich Quadrat für Quadrat die Bildabschnitte des Farbdrucks nach und nach übertragen. Selbst das flirrende Farbenspiel eines Impressionisten lässt sich so bändigen.
Bändigen, das ist auch im Musiksaal angesagt. Die Versuchung ist fast zu groß, mit dem Stick in der Hand oder dem Finger an Taste oder Saite ein Kling oder Klong loszulassen. Aber dann kann Dominik Ege die 17-köpfige Band doch auf sich und sein Startsignal einschwören.
Und tatsächlich: Die Summe der vielen Klänge lässt in den zwölf Takten einen Blues-Rhythmus durch den Raum schweben, der Lust auf mehr macht. Und es lässt verstehen, warum man sich als 14-Jähriger gerne für Musik entscheidet: Hier geht was, hier kann man auch mal auf die Pauke hauen. Manch ein Schüler bringt da auch praktische Erfahrung mit. Lars zum Beispiel, der schon seit über zwei Jahren Unterricht auf der Gitarre nimmt, auf der elektrischen natürlich. Hier, in der Doppelstunde zum Blues, hat er sich zur Abwechslung mal ans Keyboard gesetzt.
Ruhiger ist es im Kunstraum, wo jetzt alle recht konzentriert an ihren Blättern arbeiten. Keine Frage, hier ist Geduld eine gefragte Tugend. "Es gibt natürlich Schüler, die sind talentiert, andere müssen sich da mehr anstrengen", weiß Katharina Klimza aus ihre beruflichen Erfahrung. Ihre Schülerin Leonie hat deshalb Kunst gewählt, weil sie diese praktische Tätigkeit liebt und es auch reizvoll findet, sich in verschiedenen Techniken und Stilen zu versuchen. Sie hat auch schon die eine oder andere Kunstausstellung besucht. Jasmin schätzt es, dass Kunst in der neunten Klasse wieder zweistündig geworden ist, "man hat jetzt einfach mehr Zeit für die Praxis". Wie Leonie empfand sie Musik eher mit viel Theorie verbunden. Was nicht heißen soll, dass in BK nur gemalt und gebastelt würde. Aber was hier an Theorie und auch an Wissen zur Kunstgeschichte vermittelt wird, spricht die beiden Schülerinnen mehr an. Und schließlich bringt es Jasmin auf den Punkt: "BK ist einfach gechillter!"
Maik, Lars und Daniel wiederum, die sich für Musik entschieden haben, nehmen es in Kauf, dass man sich neben dem praktischen Musizieren auch mit allerhand, manchmal recht abstraktem Notenwissen befassen muss. "Das hat auch einen Vorteil, weil hier kann man auch richtig lernen und sich auf Arbeiten vorbereiten", findet Maik. Bei Dominik Ege kommen auch modernste Richtungen zur Sprache, denen die Schüler ja auch in ihrer Freizeit begegnen. "Neulich haben wir auch Dub Step als Thema gehabt", erzählen die drei beeindruckt.
Keine Frage, beide musischen Fächer bieten Chancen, die Teenager bei ihren eigenen Interessen abzuholen. Auch Klassenlehrer Hans Jürgen Benz freut sich, dass die Schule, bei all den vielen an sie herangetragenen Bildungsanforderungen, auch diesen Raum noch bieten kann. Und das trägt seine Früchte: Wenn Schülergruppen bei verschiedenen Anlässen im Schuljahr oder im Gemeindeleben Musikstücke aufführen. Oder wenn sie ihre in langer Arbeit angefertigten Bilder oder plastischen Arbeiten ausstellen – und damit manchmal sogar bei Wettbewerben Preise abräumen.
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