Meinung

Was eine Frau, die sexuell belästigt wurde, zur Türpolitik Freiburger Clubs sagt

In der Diskussion um Flüchtlinge und die Türpolitik Freiburger Clubs meldet sich eine Frau zu Wort, die überfallen wurde. Leonie findet: "Übergriffe werden instrumentalisiert, um Asylsuchende auszugrenzen."  

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Wer darf unter der Diskokugel tanzen? ...ür Taten anderer bestraft werden darf.  | Foto: Dominic Rock
Wer darf unter der Diskokugel tanzen? Leonie findet, dass niemand an der Clubtür für Taten anderer bestraft werden darf. Foto: Dominic Rock
Ende Oktober 2015 meldete die Polizei, dass in den frühen Morgenstunden des 25. Oktober ein Mann eine junge Frau in der Freiburger Innenstadt nach einem Clubbesuch angegriffen und sexuell belästigt hatte. "Der Frau gelang es jedoch, sich zu befreien und davonzulaufen", heißt es im Polizeibericht. Diese Frau war Leonie. Die 23-jährige Studentin aus Freiburg hat sich nach der Berichterstattung über Zutrittsverbote für Flüchtlinge in Diskos an die Badische Zeitung gewandt, um ihren Standpunkt zu vertreten. Ihre Erlebnisse hat sie BZ-Redakteurin Carolin Buchheim geschildert. Am Donnerstag werden die Vorfälle im Nachtleben und die problematische Türpolitik an einem Runden Tisch der Stadt mit Freiburger Clubbesitzern zum Thema gemacht.

"Ich bin die Frau, die die versuchte Vergewaltigung erlebt hat, über die in der Badischen Zeitung, aber auch in Zeitungen wie der FAZ oder der Süddeutschen berichtet wurde, nachdem das Verbot der Freiburger Clubs bekannt wurde.

An einem Abend im Oktober war ich abends mit Freunden im "White Rabbit" am Leopoldring und habe dort die ganze Nacht getanzt. Ich gehe gerne ins "White Rabbit". Ich mag die Musik dort, die Atmosphäre und dass das Publikum so gemischt ist, dass die Besucher dort ausgelassen tanzen.

Irgendwann machte ich mich kurz alleine auf den Weg, um am Münsterplatz zur Bank zu gehen.

Ich hatte den Club gerade verlassen, als ich merkte, dass mir ein Mann folgte. An der Kaiser-Joseph-Straße holte er mich ein, sprach mich an, lief neben mir her. Er habe mich im Club gesehen, sagte er. Plötzlich packte er mich am Arm und zog mich in eine Gasse. Er zerrte an meiner Kleidung, begann mich zu küssen, entkleidete mich. "If you don’t do that, I will kill you", sagte er immer wieder, wenn Du das nicht tust, werde ich Dich töten. Ich fragte mich, ob er eine Waffe dabei hatte.

Irgendwann ließ er versehentlich einen meiner Arme los. Ich konnte mich befreien und weglaufen, flüchtete in eine Bar nahe des Bertoldsbrunnens. Ich zeigte die Tat bei der Polizei an, auch ein Phantombild wurde angefertigt. Bisher konnte der Täter aber nicht ermittelt werden.
"Es ist verwerflich und ebenso abscheulich, eine ganze Gruppe kollektiv dafür zu bestrafen, was Einzelne tun."
Dieser Vorfall war ein furchtbares, widerwärtiges Ereignis für mich, das mich zutiefst beängstigt und schockiert hat. Es war ein Angriff auf meine Selbstbestimmung und Freiheit, ein Übergriff, den niemand erleben sollte.

Der Mann, der mich angegriffen hat, war schwarz. Trotzdem ist es falsch, jeden Flüchtling, jeden Ausländer mit arabischen oder afrikanischen Wurzeln dafür verantwortlich zu machen. Es ist verwerflich und ebenso abscheulich, eine ganze Gruppe kollektiv dafür zu bestrafen, was Einzelne tun. Und genau das ist der Fall in der Freiburger Clubszene.

An den Türen der Clubs findet eine Diskriminierung statt, die von den Clubbesitzern herbeigeführt und toleriert wird – und letztendlich den Wunsch vieler Bürger widerspiegelt. Nämlich, dass Menschen, vor denen man sich theoretisch fürchten könnte, ausgegrenzt werden. Die Stimmung wurde durch Ereignisse wie die in Köln angeheizt, was zu einer emotionalen und unsachlichen Debatte beigetragen hat. Diese endet in einer Hetze gegen Flüchtlinge und verdrängt das, was im Vordergrund stehen sollte: Frauen und die Gewalt gegen sie. In der Diskussion geht es nicht um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau und ihre Rechte. Stattdessen werden sexuelle Übergriffe instrumentalisiert, um Asylsuchende auszugrenzen.

Das ist eine Ohrfeige für all diejenigen, die einer derartigen Gewalt ausgesetzt waren und sind.

Ich appelliere an die Clubbesitzer und die Stadt Freiburg, bestehende Verbote aufzuheben und nur diejenigen zu bestrafen, die sich nicht an die Regeln halten – egal, welche Hautfarbe sie haben und welcher Herkunft sie sind.

"Gewalt darf nicht zur Hetze ausgenutzt werden"
Das heißt aber auch, dass im Nachtleben die Beschwerden von Frauen ernstgenommen werden müssen. Und natürlich müssen Frauen sich beschweren und laut werden, wenn sie belästigt werden. Das tun sie aber nur, wenn sie wissen, dass sie ernst genommen werden. Die Idee des "White Rabbit" auch Geflüchteten den Eintritt mit einer "Clubkarte" zu ermöglichen, finde ich nicht schlecht – sie ist zumindest fairer als ein generelles Verbot für alle, die irgendwie fremd aussehen oder den Rechtsstatus als Flüchtling haben.

Ich selbst bin einige Wochen nach dem Angriff wieder ins "White Rabbit" gegangen. Ich war zwar nervös, hatte zum Glück aber gleich einen tollen Abend.

Ich wünsche mir, dass im angeblich so toleranten, offenen Freiburg Flüchtlinge als Chance und nicht als Bedrohung wahrgenommen werden – auch auf Partys und in Clubs, wo wir gemeinsam multikulturelle Gesellschaft leben können."

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