Staatsanwältin erklärt

Enkeltrick: So wappnet man sich gegen Betrugsversuche am Telefon

Bis zu 15 Betrugsversuche werden in Freiburg wöchentlich angezeigt. Der bekannteste ist der Enkeltrick, bei dem ältere Bürger zu Opfern werden. Dabei kann man sich gegen den Trick wappnen.  

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Betrüger suchen sich gezielt ältere Opfer aus. Foto: ©Giulio_Fornasar  (stock.adobe.com)
Fast täglich versuchen Betrüger Freiburger Bürger per Telefonanruf abzuzocken. Der sogenannte Enkeltrick klappt immer mal wieder, zu den Opfern zählen vor allem ältere Menschen – die den Betrügern häufig Beträge im fünfstelligen Bereich aushändigen. Staatsanwältin Nicole Bettinger erklärt im BZ-Interview die Masche, wer dahintersteckt – und wie man sich und Angehörige schützen kann.

BZ: Beim Enkeltrick täuscht der Anrufer vor, er sei der Enkel des Angerufenen und brauche Geld. Was ich nicht kapiere: Wieso erkennt das Opfer nicht, dass der Täter nicht sein richtiger Enkel ist?
Bettinger: Erstens: Eine Stimme hört sich am Telefon immer anders an. Zweitens: Wenn der Angerufene Zweifel äußert, sagt der Anrufer, er klinge anders, weil er eine schwere Erkältung habe. Er hustet dann noch kurz, und schon klingt es für viele Angerufene plausibel.

BZ: Erklären Sie mir bitte noch folgendes: Viele Opfer sagen später aus, ihr Enkel mit Namen XY – nennen wir ihn mal Michael – habe angerufen. Das Opfer hat auch tatsächlich einen Enkel mit Namen Michael. Woher weiß der Täter das?
Bettinger: Die Anrufer sind in der Gesprächsführung sehr geschickt. Sie melden sich am Telefon beispielsweise mit: Rate mal, wer dran ist. Viele, gerade ältere Menschen, denken sich dann, das ist eine junge Stimme, es könnte einer meiner Enkel sein – und nennen den Namen eines Enkels, da sie nicht zugeben wollen, nicht zu wissen, wer gerade anruft. Diesen Namen greift der Betrüger auf und schlüpft dann in die Rolle des Enkels Michael.
Nicole Bettinger

2008 begann die gebürtige Rottweilerin ein Jura-Studium in Freiburg. Von 2014 bis 2016 absolvierte Nicole Bettinger ihr Referendariat am Landgericht. Seither ist sie in Freiburg als Staatsanwältin tätig. Das Spezialgebiet der 29-Jährigen: Anrufstraftaten.

BZ: Im weiteren Verlauf des Gesprächs sagt Enkel Michael, er benötige dringend Geld.
Bettinger: Beispielsweise um sich eine Wohnung zu kaufen. Er erzählt, er sitze beim Notar, irgendwas habe mit der Überweisung nicht geklappt, er brauche dringend Bargeld, sonst platze der Kaufvertrag. Meistens fordert ein Anrufer fünfstellige Beträge: 20 000, 30 000 Euro – oder mehr.

BZ: Wie geht es dann weiter?
Bettinger: Der Angerufene besorgt das Geld und packt es, wie meist gefordert, in eine undurchsichtige Plastiktüte. Danach wartet er zu Hause auf die Abholung oder begibt sich an einen ausgemachten Ort. Dort wartet ein Betrüger, der sich beispielsweise als Mitarbeiter des Notariats ausgibt. Es handelt sich aber nicht um die Person, die zuvor angerufen hat.

BZ: Hinter den Anrufen steckt also eine Bande.
Bettinger: Wir vermuten, dass bei jedem Betrugsversuch mindestens vier Personen beteiligt sind. Ganz oben steht der große Hintermann, der die Logistik wie beispielsweise Callcenter zur Verfügung stellt. Dann gibt es die Anrufer, die aus einem Callcenter im Ausland heraus potentielle Opfer anrufen. Der Dritte in der Bande ist der sogenannte Logistiker: Er steht in direktem Kontakt mit dem Anrufer und stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der geplanten Übergabe und am vereinbarten Ort ein Läufer zur Verfügung steht. Der Läufer steht am Ende der Kette und nimmt schlussendlich das Geld und/oder die Wertgegenstände entgegen.

"Vergangenes Jahr konnten wir zwei Betrüger bei der Geldübergabe festnehmen."Nicole Bettinger

BZ: Sprich: organisierte Kriminalität.
Bettinger: Da herrschen in der Tat geschäftsähnliche Strukturen. Jeder von denen geht sozusagen täglich einer geregelten Arbeit nach, die ein bestimmtes Ziel verfolgt: Mit Hilfe einer Straftat an Geld zu kommen, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren.

BZ: Einen Enkeltrick-Betrüger hat das Amtsgericht Freiburg jüngst zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Bettinger: Er war ein Läufer, wir hatten ihn im Sommer zuvor erwischt. Eine 86-Jährige sollte ihm 30 000 Euro überreichen. Man hatte ihr weisgemacht, ihr Enkel habe einen Unfall gehabt und müsse das Opfer entschädigen, sonst komme er ins Gefängnis. Der Betrüger sagte vor Gericht, er hätte für den Auftrag 500 Euro bekommen. Er ist also leider der kleinste Fisch. Die Namen der anderen wollte er nicht nennen.

BZ: Die Aufklärung dieser Fälle scheint mühsam zu sein.
Bettinger: In der Tat. Im vergangenen Jahr konnten wir zwei Läufer bei der Geldübergabe festnehmen, weil uns Bankmitarbeiter oder die jeweiligen Geschädigten beziehungsweise deren Angehörige frühzeitig kontaktiert hatten und dann zusammen mit der Kriminalpolizei zum Schein auf die Forderung eingegangen sind. Jede Woche kommt es allein in Freiburg durchschnittlich zu zehn bis 15 Anzeigen wegen einer versuchten Anrufstraftat. Dazu kommt eine unbekannte Dunkelziffer. Außerdem vermuten wir viele Betrugsversuche, die zum Abschluss kommen, uns aber nicht gemeldet werden, weil sich die Menschen vielleicht schämen, hereingelegt worden zu sein.

BZ: Und in den meisten Fällen trifft es ältere Menschen.
Bettinger: Meistens sind die Geschädigten 60 Jahre aufwärts. Die Betrüger rufen gezielt ältere Menschen an, weil sie annehmen, dass diese häufig alleine leben und einsam sind, sich also über einen Anruf des Enkels freuen, gerne helfen und über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.

"Mit älteren Menschen könnten Angehörige beispielsweise ausmachen, dass finanzielle Themen niemals am Telefon besprochen werden."Nicole Bettinger

BZ: Wie kommen die Täter an die Telefonnummern ihrer Opfer?
Bettinger: Sie schauen Telefonbücher durch und picken sich Namen heraus, hinter denen sie einen älteren Menschen vermuten: Erna, Berta, Heinz – Namen, die früher einmal modern waren, heute eher selten vergeben werden.

BZ: Wie kann man Erna, Berta, Heinz und Co. vor diesen Betrügern schützen?
Bettinger: Ich finde es wichtig, dass die Gefahr von Anrufstraftaten ein Thema in Familien ist. Mit älteren Menschen könnten Angehörige beispielsweise ausmachen, dass finanzielle Themen niemals am Telefon besprochen werden. Wer einen Betrug vermutet, soll außerdem entweder sofort auflegen und es der Polizei melden – oder bei Zweifeln den besagten Enkel Michael oder dessen Eltern einfach anrufen, unter der bisher verwendeten Rufnummer, nicht unter der, die auf dem Display steht. Dann wird sich schnell klären, ob der Enkel Michael wirklich Hilfe braucht – oder ob der Anrufer bloß ein Betrüger ist.

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