Talk-Show
Der DDR-Regimekritiker Alexander Bauersfeld war zu Gast bei "Nachgefragt" im Rotteck
Der 68-jährige Alexander Bauersfeld war einer von etwa 200.000 politischen Gefangenen in der DDR. Im Rotteck-Gymnasium erzählte er davon.
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Da sitzt er, der Ex-Häftling. Von Reue keine Spur. Im Gegenteil, er ist stolz auf das, was ihm zur Last gelegt wurde: Landesverrat. Weil Alexander Bauersfeld pazifistische Jugendgottesdienste veranstaltete, in der Friedensbewegung aktiv war und Kontakte zu Westdeutschen und Regimegegnern unterhielt, verurteilte ihn die Stasi 1982 zu drei Jahren Haft. Der 68-Jährige war einer von etwa 200 000 politischen Gefangenen in der DDR. In der Schüler-Talkshow "Nachgefragt" erzählt er davon.
Heute möchte Bauersfeld dafür sorgen, dass die Verbrechen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) nicht in Vergessenheit geraten und dass "die Schüler auch im Jahr 2030 noch wissen, wer Erich Honecker war." Weil Mauern, Stacheldrähte und Zäune in Europa derzeit wieder Konjunktur haben, haben Rebecca Löffler (17) und Damjan Ljubic (17) ihn ins Rotteck-Gymnasium eingeladen. Die Moderatoren – beide zehn Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhangs geboren – sind nervös, aber gut vorbereitet. Gleich zu Beginn setzen sie sich mit ihrem Gast auf eine harte Holzbank und fragen provokativ: "Wo sitzt es sich bequemer: Hier oder in ihrer Cottbuser Zelle?"
Obwohl Bauersfeld in seinem Leben mit psychischer Folter und Zwangsscheidung Traumatisches erlebt hat, beweist er an diesem Abend viel Humor. Mit seiner flapsigen Art weiß er die Stimmung zu lockern, ist um keinen Witz verlegen. Und hat einen Tipp parat, wie man es in Einzelhaft am besten aushält: "Man muss sich selbst leiden können und braucht viel zu lesen". Wie viele Bücher es auf der Welt gibt, habe er erst erfahren, als er in Westdeutschland die erste Bibliothek aufsuchte: "Meiner erster Gedanke war: Verdammt. Mein Leben ist viel zu kurz, um all die Bücher lesen zu können."
Als die Schüler ihm einen Karton mit DDR-Produkten vorsetzen, kommt wenig Nostalgie bei ihm auf. Stattdessen verkündet er großspurig, das Cola-Imitat aus DDR-Zeiten vom US-Original unterscheiden zu können. Da liegt er falsch – sehr zur Freude der etwa 120 Besucher.
Gegenüber einem Jugendfreund, der ihn im Auftrag der Stasi bespitzelt hat, ist er mild gestimmt: "Der war ein Opfer des Systems, der Privilegien haben wollte." Später stieg dieser zum Chefarzt auf, Bauersfeld hat ihn nach der Wende besucht. "Als Freund würde ich ihn nicht mehr bezeichnen, eher als Bekannten", sagt er. Kein Verständnis hingegen hat er für die Partei "Die Linke", die in seinen Augen lediglich ihren Namen geändert habe und in der Tradition der SED-Diktatur stehe.
Dass aber auch in der CDU gestandene SED-Kader nach der Wende Karriere machten und die CDU die weit weniger bekannten Parteien Ost-CDU und Bauernpartei samt Parteivermögen einverleibte, obwohl diese den autoritären Kurs der SED mittrugen, erwähnt er nicht. Ebenso wenig spricht er über die vielen Westdeutschen in der Linkspartei, die nie in der SED waren und zum Teil radikalere Positionen vertreten als der von ihm geschmähte Gregor Gysi.
Dafür kann er genügend andere Anekdoten zum Besten geben. So war er vor einiger Zeit in Nordkorea und machte dort die traurige Feststellung, dass es sich um "ein Land ohne Lachen" handelt. Auch wenn seiner Meinung nach die Grenze zu Südkorea weniger scharf bewacht werde als die der DDR, ist er sich sicher: Die Nordkoreaner seien deutlich schlechter dran als die ehemaligen DDR-Bürger. Immerhin habe das Bier in der DDR nicht schlechter geschmeckt als das "Tannenzäpfle", das er an der "Anfassbar" trinkt.
Gegen Ende des Abends ertastet Bauersfeld mit verdeckten Augen Gegenstände und wird noch einmal auf die Probe gestellt, als er eine Kamera in den Händen hält. Ljubic und Löffler spielen auf das Jahr 2007 an: Bauersfeld wurde in Brasilien verhaftet, weil er am Strand angeblich pornografische Bilder gemacht habe. Die Vorwürfe waren haltlos, er wurde freigesprochen. "Dennoch geht so etwa nicht spurlos an einem vorbei", sagt Bauersfeld nachdenklich, "da wurde mit stigmatisierenden Begriffen hantiert, die Existenzen zerstören können."
Angesprochen auf den zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland gibt er den Schülern noch einen Rat: "Es ist immer wert, sich für Freiheit einzusetzen. Sie ist nicht selbstverständlich."
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