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Theater

Familie als Theaterstück: Funktioniert auch ohne Blutsverwandtschaft

  • Do, 27. Juni 2024, 18:15 Uhr
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Die Suche nach der Familie hört nie auf: Studierende der PH Freiburg haben ein biografisches Theaterstück recherchiert und konzipiert.

Szene aus "Choose your family" von uns mit Lehramtsstudierenden  | Foto: M.N. Parvizi
Szene aus "Choose your family" von uns mit Lehramtsstudierenden Foto: M.N. Parvizi 

Voll gehängte Wäscheleinen und Lichterketten, Berge von Klamotten, die Zuschauerstühle kreuz und quer, dazwischen junge Leute, die auf dem Boden Plakate malen oder herumgehen und Selbstgespräche führen – die Aula der Pädagogischen Hochschule sieht eher nach Happening als nach Theatervorstellung aus. Das Publikum ist etwas verwirrt. "Choose your family" – Wähle deine Familie, so der Titel dieses Abends – und nein, es ist keine englischsprachige Inszenierung der PH Playmates, sondern eine szenische Collage von Lehramtsstudierenden des Erweiterungsfaches Theater.

Seit fünf Jahren existiert dieser Studiengang in Freiburg – und ansonsten nur in sehr wenigen Städten Deutschlands, entwickelt und geleitet wird er von Prof. Anne Steiner, die hier die Basis der Theaterpädagogik und Theaterwissenschaft vermittelt. Nach drei Modulen gibt es eine Prüfung samt gemeinsam erarbeitetem Abschluss-Stück. Das Ziel: Kreativität professionell in den Schulalltag integrieren. Steiners Absolventinnen und Absolventen sind jedenfalls gefragt, leiten oft schon im Referendariat eine Theater-AG, denn "sie wissen, was sie tun", so Steiner.

Wäre Familie ein Kleidungsstück - welches wäre es?

Jedes Jahr wählt sie dafür eine andere Theaterform – ob Stationen-Parkour über den Campus, Schillers "Maria Stuart" in achtfacher Rollenbesetzung oder "Momo" nach Michael Ende in zwei Fassungen für Grundschule und Sekundarstufe. Dieses Mal war das Thema biografisches Theater: Raus aus der Herkunftsfamilie und oft aus dem Freundeskreis und Heimatort, Neuorientierung und Identitätssuche – ein großes Thema für junge Menschen zum Studienstart. "Wäre Familie ein Kleidungsstück – welches wäre es? Eine alte Jeans? Ein kratziger Wollpulli? Eine liebevolle Zwangsjacke?" ist auf der Leinwand zu lesen. Die Bühne füllt das gemütliche Chaos einer WG-Küche, davor posen sie für Familienfotos oder lümmeln auf einer Picknickdecke. Links werden aus vorher eingesammelten Publikumszetteln Wahlfamilien zusammengelost. Man weiß gar nicht, wo man hinschauen soll: Mit schnell geschnittenen Szenen bespielen die 23 Studierenden den ganzen Saal, es gibt Schauspiel, Tanz, Videos, Spiele und Texte aus dem Off. Vor allem starke Bilder und eine Vielzahl an Theatermitteln und Formaten.

Flankiert von Zitaten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu Elternschaft oder Adoption wird so ein Kaleidoskop aus Gefühlen und Fragen in Szene gesetzt: Es geht um Distanz und Akzeptanz, Vertrauen und Enttäuschung, Sehnsucht und den Weg in die Selbstbestimmung. Denn ab wann ist man eigentlich eine Familie? Und wer macht die Regeln und hat die Deutungshoheit? Kann ich mir selbst eine suchen und funktioniert die auch ohne Blutsverwandtschaft? Wie umgehen mit Erwartungen? Was tun, wenn ich lesbisch bin oder als nichtbinärer Mensch so viele Störgefühle habe und produziere? - Mal in zusammengeknoteten Kleidungsstücken ineinander gewurstelt, mal mit viel Glitzer bei einer ausgelassenen Queer-Party. Die Suche nach Familie hört nie auf, selten ist sie nur Friede, Freude, Eierkuchen.

Weiterer Termin am 28. Juni um 19.30 Uhr, Aula PH Freiburg. Eintritt frei.

Ressort: Theater

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