Buchhandel

"Extrem banal": Reaktionen auf Amazon-Laden in Seattle

Der Buchhandel blickt nach Seattle – und ist etwas ratlos: Ausgerechnet der Internet-Riese Amazon hat dort ein Ladengeschäft eröffnet – es soll nicht das einzige bleiben.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Ein Kunde probiert ein elektronisches Lesegerät von Amazon im Laden aus.   | Foto: AFP
Ein Kunde probiert ein elektronisches Lesegerät von Amazon im Laden aus. Foto: AFP
Über niemanden hat der traditionelle Buchhandel in den vergangenen zwei Dekaden mehr geflucht als über den Internet-Riesen Amazon: Preisgünstige Online-Bestellungen und E-Books bedrohen die konventionellen Geschäftsmodelle im Kern. Jetzt blickt die Branche ratlos nach Seattle: Ausgerechnet Amazon hat diese Woche dort ein Ladengeschäft eröffnet – es soll nicht das einzige bleiben.

"Wir haben 20 Jahre buchhändlerischer Erfahrung eingesetzt, um ein Geschäft zu entwerfen, das die Vorteile von Offline- und Online-Einkäufen verbindet", sagt Amazon-Books-Vizechefin Jennifer Cast. Das Ergebnis in einem edlen Einkaufszentrum von Seattle sieht auf den ersten Blick aus wie jene Läden, die Amazon in der Vergangenheit so bedrängt hat. Mit seinen zahlreichen Holzelementen, den Sesseln, einem Café und Kunstinstallationen erinnert der Lesepalast insbesondere an die angeschlagene Buchkette Barnes & Noble. Beim zweiten Hinschauen fallen ein paar Besonderheiten auf: Alle Bücher stehen mit dem Titel nach vorn; Tablets, E-Reader, Telefone und Streaming-Geräte des Versand-Giganten können ausgiebig getestet werden. Bei Elektronik hatte Amazon zuletzt gegen Technikfirmen verloren, deren Produkte Kunden vor dem Kauf in die Hand nehmen können. Das Pilotprojekt hält auf 510 Quadratmetern Ladenfläche und 185 Quadratmetern Lager rund 6000 Titel vorrätig. Wegen der aufwendigen Präsentation sind das weit weniger als in Geschäften, die vorrangig mit dem Rücken nach außen sortieren. Die Werke werden unter anderem nach Kundenbewertungen und Verkaufszahlen ausgewählt. "Das sind fantastische Bücher", schwärmt Vize-Präsidentin Cast. Die meisten hätten von Lesern mindestens vier von fünf Sternen erhalten und überdies Preise gewonnen.

Vermutlich geht es nicht um Profit

Die Berücksichtigung von Kundenratings soll sicherstellen, dass auch Nischenprodukte zu ihrem Recht kommen. Info-Karten zu jedem Titel klären über solche Bewertungen auf, die Amazon-App auf dem Handy führt bei Bedarf in die Tiefe. Und natürlich gibt es fachkundige Berater – der Seattle Times zufolge hat Amazon einige davon ortsansässigen Buchhändlern abgeworben.

Der Anbieter selbst verfügt über gigantische Datenmengen zum Markt. Amazon hofft, damit auch lokal ein zielgenaueres Angebot machen zu können als herkömmliche Geschäfte, die nach jeder Saison Ladenhüter haben. Allerdings arbeitet auch der Rest der Branche mit einem Mix aus Bestsellerlisten und dem Urteil des eigenen Personals. "Amazons neues Buchgeschäft ist extrem banal", urteilte ein ehemaliger Händler nach der Premiere am Dienstag im Magazin New Republic. Erste Kundenreaktionen waren freundlich.

Beim Preis soll es offline und online keinen Unterschied geben, das macht der traditionellen Branche am meisten zu schaffen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angesichts von Miete und Personalkosten da irgendeinen Profit gibt", sagte Buchhändler Peter Aaron der Nachrichtenagentur Associated Press. Aaron gehört das unabhängige Buchgeschäft Elliott Bay Book in Seattle, das laut AP 160 000 Titel vorrätig hat.

Analysten glauben allerdings, dass es Amazon gar nicht vorrangig um Profite geht, sondern um drei andere Dinge: Imagepflege analog zu den Ladengeschäften, mit denen Apple, Microsoft oder Google ihre Marken begleiten. Bessere Präsentationsmöglichkeiten für elektronische Produkte. Und eine Chance, das Kauf- und Leseverhalten der Kundschaft live zu studieren. So lang das Kerngeschäft online läuft, kann der Internetgigant sich die Spesen für ein paar unprofitable Läden ohnehin leisten. Amazon-Books Vizechefin Cast sagte, die Firma wolle sich zunächst auf das Pilotprojekt konzentrieren, hoffe aber auf Nachfolger in anderen Städten.

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel