Wildwestmethoden
Immer häufiger wird die Ladung von Lastern geplündert
Über deutsche Autobahnen werden jedes Jahr Waren im Wert von vielen Milliarden Euro kutschiert. Profibanden haben sich darauf spezialisiert, die Ladung der Lastwagen zu plündern.
dpa
Do, 9. Mär 2017, 0:01 Uhr
Panorama
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Die häufigste Vorgehensweise ist das Planenschlitzen. Die Diebe zerschneiden die Lkw-Plane, um einen Blick auf die Fracht zu erhaschen und ihren Wert abzuschätzen. "Wenn sie über die Rastplätze fahren, werden sie kaum Lkw-Planen ohne Flicken finden", berichtet Polizist Meiske. Die Profis rollen bevorzugt in Transportern mit seitlicher Schiebetür heran. Sie parken dicht am Lkw, um vor neugierigen Blicken zu verbergen, dass die Beute direkt von einem Wagen in den anderen wandert. Die Tat geschieht in den meisten Fällen, während der Fernfahrer schläft. Der Geräuschpegel auf den Rastplätzen ist relativ hoch, das mindert das Risiko, bemerkt zu werden.
Das Kölner Bundesamt für Güterverkehr (BAG) warnt in einer Studie zum Frachtklau nun vor neuen Trends. So haben die Planenschlitzer bei der modernen Medizin abgeguckt und operieren inzwischen "minimalinvasiv": Sie ritzen nur noch winzige Löcher in die Plane und stecken dann ein Endoskop hindurch, um auszuspähen, ob sich Wertvolles an Bord befindet. Dadurch wird gar nicht, oder erst viel später erkannt, dass sich Kriminelle der Ware genähert haben. Wenn doch, ist in der Regel nicht mehr nachvollziehbar, wann und wo dies geschah.
Der BAG-Studie zufolge ist die Zahl der Ladungsdiebstähle 2015 erneut gestiegen und bewegt sich bei mehreren Tausend im Jahr. Bevorzugt räumen die Diebe in Deutschland Computer und Laptops, Baumaterial, Werkzeuge, Haushaltsgeräte und Möbel ab. Aktuellere Zahlen gibt es dazu noch nicht.
Regionale Tatschwerpunkte sind Grenzregionen, Ballungsgebiete, das Umland großer Häfen und die Transitautobahnen. Beim Diebstahl ganzer Lastwagen gelten die Grenzregionen von Sachsen und Brandenburg, das Ruhrgebiet sowie die Städte Berlin, Hamburg, Hannover und deren Umland als Brennpunkte.
"Was zunimmt, ist das Cargo-Napping", sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr. Die BAG-Studie bestätigt dies. In Online-Frachtenbörsen unterbieten sich die Spediteure. Wer den Zuschlag zum Transport bekommt, vergibt ihn häufig an Subunternehmer. Mit gefälschten Abholpapieren verschwindet dann so manche Fracht auf Nimmerwiedersehen. "Dagegen haben wir ein Trusted-Carrier-System im Probebetrieb, das dieses Jahr in den Festbetrieb gehen soll", sagt Bulheller. Die Kennzeichen der Mitglieds-Lkw werden online registriert. Beim Abholen der Fracht kann so überprüft werden, ob der richtige Abholer an der Laderampe parkt.
Andere Banden nähern sich der Fracht mit halsbrecherischem Risiko und brachialer Gewalt: Ein Auto fährt von hinten an den fahrenden Lastzug, auf der Motorhaube stehend wird die Heckklappe des Lasters aufgebrochen und die Ladung während der Fahrt gestohlen. Vor zwei Jahren gelang so in Deutschland eine spektakuläre Serie von 50 Taten. "Bei unserem dichten Verkehr ist das Risiko, dabei entdeckt zu werden, unnötig groß", sagt Meiske. Deswegen sei diese Variante bislang die Ausnahme geblieben.
Ungesicherte Parkplätze, Raststätten und Autohöfe entlang der Autobahnen sind für die Täter viel bequemer. In den Niederlanden hat man mit Security-Rastplätzen gute Erfahrungen gemacht. Diese sind videoüberwacht und registrieren die Kennzeichen aller ein- und ausfahrenden Wagen. In Deutschland sind solche Rasthöfe eine Seltenheit.
Für Polizist Meiske sind aber auch die Spediteure bei der Sicherung ihrer Fracht in der Pflicht: "Es ist natürlich die Frage, wie lange die Versicherungen noch zuschauen, dass Waren für Hunderttausende Euro hinter einer dünnen Plane transportiert und abgestellt werden."
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