Account/Login

Unterm Strich

Eine theoretische Annäherung an den Schokoadventskalender

Advent, Advent, so mancher rennt, um noch auf den letzten Drücker einen Adventskalender zu kaufen. Vermutlich wird’s der Klassiker: der Schokoadventskalender. Was?  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Adventskalender: Kunst an der Küchenwand  | Foto: BARISH BAUR
Adventskalender: Kunst an der Küchenwand Foto: BARISH BAUR
Eine von diesen geschmack- und lieblosen Pappschachteln, die vollgestopft sind mit überteuertem Süßkram? Jawohl, genau so eine. Denn der Schokoadventskalender ist eine unterschätzte Kunstform. Hier soll Platz sein für seine Rehabilitation.

So zeichnet diese mit pittoresker Weihnachtsmotivik bedruckten und an die Wand zu hängenden Pralinenschachteln aus Sicht der Kunsttheorie eine Besonderheit aus: Wie wohl keine andere Kunstform vereint der Schokoladenadventskalender stille Anschauung und Aufforderungscharakter. 24 Tage lang werden wir jeden Morgen aufs Neue herausgefordert, ein vorgestanztes Stück aus dem Werk herauszubrechen: Wir pulen das siebte Türchen mitten aus dem glitzernden Weihnachtsbaum. Ein Loch klafft seit dem zwölften Dezember im Schlitten von Santa Claus. Und bis Weihnachten haben wir das Strohdach der Krippe zerfetzt, den Ochsen zerlegt und zwei von drei Mitgliedern der heiligen Familie geköpft, inklusive Jesuskindelein.

Auf diese Weise tragen wir – selbst schöpferisch – zum Gesamtkunstwerk bei. Die Grenze zwischen Betrachtendem und Werk wird aufgelöst. Wie Brechtsches Theater, nur konsequenter. Als würden die Zuschauer und Zuschauerinnen während der Aufführung die Bühne entern, Kulissen umschubsen und an der Rampe spontane Monologe deklamieren. Theoretisch betrachtet, ist der Schokoadventskalender radikale Perfomancekunst.

Doch letztlich bringt die schöpferische Zerstörungskraft ein versöhnliches, ja weihnachtliches Werk hervor. Während Maria und Josef in Bethlehem nur auf verschlossene Pforten trafen, reißen wir nämlich bis Heiligabend alle verfügbaren Türchen auf. Wir machen Platz in unseren Herzen wie in den Pappschachteln an der Küchenwand. Und das bisschen Schokolade stecken wir auch noch weg.

Ressort: Unterm Strich

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 01. Dezember 2021: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel